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Sparzwang für Jobcenter Welche Folgen der Personalrat für die Beratung sieht

Die Jobcenter sollen schon in zwei Jahren die Betreuung von Jüngeren abgeben. Der Personalrat des Bremer Jobcenters fürchtet, dass der Zuständigkeitswechsel schwere Folgen bei der Beratung haben könnte.
18.08.2023, 05:00 Uhr
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Welche Folgen der Personalrat für die Beratung sieht
Von Lisa Schröder

Herr Bruuns, die Jobcenter in Deutschland sollen kräftig sparen – so sehen es die Haushaltspläne der Bundesregierung vor. Es sind harte Einschnitte bei den Aufgaben geplant: In Zukunft sollen die Arbeitsagenturen alle jungen Menschen unter 25 Jahren betreuen. Wie nimmt die Belegschaft bei Ihnen das bisher auf?

Uwe Bruuns: Insgesamt ist die Stimmung derzeit ruhig. Das ist uns als Personalrat auch wichtig. Ich glaube, den Kolleginnen und Kollegen ist noch nicht ganz klar, was da gerade passiert. Im Personalrat sind wir mit Blick auf die Veränderungen schon angespannt. Wir fühlen uns auch etwas in unserem Stolz getroffen, denn wir haben jahrelang gebraucht, die Strukturen für die jungen Menschen ordentlich aufzubauen.

Das Budget der Jobcenter soll mit dem Wechsel entlastet werden. Ihre Erwartung ist allerdings, dass das Vorhaben "keinen Cent" sparen wird.

Die Aufgabe an sich soll sich ja nicht wirklich verändern. Im Prinzip wird also nur der Kostenblock verschoben – und zwar zulasten der Arbeitnehmer und Arbeitgeber über die Arbeitslosenversicherung. Es gibt auf breiter Front Kritik an diesen Plänen. Die Umorganisation selbst ist außerdem teuer. Das ist nicht eben so gemacht. Meine Position ist sogar: Das Vorhaben wird am Ende noch mehr Geld kosten, weil Doppelstrukturen aufgebaut werden. Denn bestimmte Leistungen werden im Jobcenter bleiben müssen.

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Das Versprechen ist aber doch, Doppelstrukturen beseitigen zu wollen.

Genau das erhöht meinen Blutdruck. Daran habe ich Zweifel.

Können Sie genauer erklären, wo es Probleme geben könnte?

Als Jobcenter sind wir eng mit den Leistungen einer Kommune verzahnt. Es geht zum Beispiel um Sozialarbeit, Familienhilfe oder psychosoziale Betreuung. Diese Zusammenarbeit müsste erst wieder neu aufgebaut werden, wenn die Arbeitsagenturen künftig zuständig sind. Wir kümmern uns außerdem um die Bedarfsgemeinschaft in einem Haushalt insgesamt.

Also wenn zum Beispiel die Eltern bei Ihnen Kunde sind.

Genau. Darüber treten wir mit den Jugendlichen in Kontakt, um schon frühzeitig einzugreifen, wenn ihre Ausbildungsfähigkeit zum Beispiel gefährdet ist oder es bei ihnen ein Suchtproblem gibt. Diese Unterstützung sehen wir wegen der Pläne gefährdet. Das können die Arbeitsagenturen nicht leisten. Für einen jungen Menschen könnten darum möglicherweise künftig drei bis vier Behörden zugleich zuständig sein. Wir haben die Angebote dagegen eigentlich bisher alle in der Hand. Wir glauben, die Jugendlichen bleiben dabei auf der Strecke.

Der Zuständigkeitswechsel soll ab dem Jahr 2025 geschehen. Reicht die Zeit bis dahin nicht aus, Vorkehrungen zu treffen, damit genau das nicht passiert?

Damit die Arbeitsagenturen so arbeiten können, dass es für die jungen Menschen zu keinem Verlust bei der Qualität der Beratung kommt, sind Gesetzesänderungen notwendig. Es müssen dann erst Strukturen aufgebaut werden. Das dauert aber Jahre, bis die Abläufe wirklich sitzen. In dieser Zeit gehen uns ganz viele junge Menschen verloren. Dieser Bruch ist nicht mehr aufzufangen.

In Bremen ist das schon heute ein Problem. Viele junge Menschen haben am Ende gar keine Ausbildung.

Das wird damit noch verschärft. Und das trifft auch noch genau die Generation, die schon durch die Pandemie Verluste bei der Schulbildung erlitten hat. Das ist fatal! Diese jungen Menschen sind unsere Zukunft. Wir wollen sie mitnehmen, wir wollen etwas für sie tun. Deshalb gehen wir mit Eigeninitiative auf sie zu mithilfe unseres Netzwerks. Die Arbeitsagentur ist heute ganz anders aufgebaut.

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Insgesamt geht es für die Jobcenter darum, dass viel Geld weniger im Budget vorhanden ist. Die Chefin der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, äußerte sich bereits besorgt. Die Jobcenter planten schon heute weniger Maßnahmen für die Integration von Langzeitarbeitslosen. Wie sieht es in Bremen aus?

Im nächsten Jahr sollen bundesweit 500 Millionen Euro eingespart werden. Die Jobcenter werden unterschiedlich betroffen sein. Das wird natürlich Auswirkungen auch für uns haben.

Bundesarbeitsminister Huberts Heil hat sich unlängst mit einem Video direkt an die Jobcenter gewandt, um den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erklären, warum die Einsparungen kommen werden. Was schoss Ihnen beim Ansehen durch den Kopf?

In seinen Worten hat er zwar Wertschätzung ausgedrückt, aber eigentlich das Gegenteil verkauft. Die Pläne missachten die Leistung, die wir in den Jobcentern heute erbringen.

Das Gespräch führte Lisa Schröder.

Zur Person

Uwe Bruuns

ist seit drei Jahren Personalratsvorsitzender des Jobcenters Bremen. Insgesamt arbeiten hier mehr als 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

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