Die Zahl der Sprengungen von Geldautomaten hat aus Sicht von Experten ein besorgniserregendes Ausmaß angenommen. In den vergangenen Jahren hat es bundesweit 800 solcher Vorfälle gegeben. Und auch für dieses Jahr wird mit einem neuen Höchststand gerechnet. Gerade der Nordwesten ist davon betroffen. In Ganderkesee im Landkreis Oldenburg schlugen Täter unlängst bei einer Sparkasse im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses zu. In der Bremer Neustadt versuchten Täter, einen Geldautomaten einer Bankfiliale im Einkaufszentrum an der Duckwitzstraße aufzubrechen.
Das Problem soll jetzt angegangen werden. Das Bundesinnenministerium brachte erstmals Vertreter der Kreditwirtschaft und Sicherheitsbehörden zusammen. Der „Runde Tisch Geldautomatensprengungen“ einigte sich dabei auf ein gemeinsames Vorgehen. „Wer Geldautomaten sprengt, gefährdet Menschenleben", äußerte sich die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zum Anstieg der Fallzahlen. Oft seien hochgefährliche Sprengstoffe im Spiel. "Wir dürfen nicht zulassen, dass das Vorgehen der skrupellosen Tätergruppierungen Unschuldige das Leben kostet."
Wie sehen die Zahlen für Bremen und Niedersachsen aus?
Im Land Bremen gab es 2020 sieben Geldautomatensprengungen, 2021 waren es drei Fälle. Wesentlich höher fallen die Zahlen im Nachbarbundesland aus. 2021 gab es in Niedersachsen nach Angaben des Bundeskriminalamts 55 Fälle. Ebenfalls sind Hessen und vor allem Nordrhein-Westfalen stark betroffen.
Welche Fälle verzeichnen Bremer Banken?
Die Sparkasse Bremen berichtet von insgesamt fünf Sprengungen und Aufbrüchen von Geldautomaten in den vergangenen fünf Jahren. Betroffen waren Standorte der Bank in Kattenturm, Horn-Lehe, Oberneuland, Huchting und der Neustadt. Wie groß die Schäden sind? "Das ist von Fall zu Fall sehr unterschiedlich", sagt Sprecherin Nicola Oppermann. "Schnell befinden wir uns aber im sechsstelligen Bereich." Die Bremische Volksbank traf bisher eine Automatensprengung vor ein paar Jahren in der Neustadt. Der Schaden sei überschaubar gewesen, sagt Prokurist Thomas Trenz: "Der Automat war schon leer."
Warum schlagen die Täter gerade im Nordwesten zu?
Die Experten gehen davon aus, dass dieses Phänomen mit einem "Verdrängungseffekt von den Niederlanden nach Deutschland" zu erklären ist. Weil die Automaten dort besonders gut geschützt werden, weichen die Täter über die Grenze aus. "Nahezu zwei Drittel der vom BKA in den Jahren 2020 und 2021 registrierten Tatverdächtigen stammen aus den Niederlanden", heißt es dazu.
Was soll konkret passieren?
Im Gespräch sind verschiedene Schritte zur Vorkehrung – je nach Risiko eines Standorts. Vorgesehen ist zum Beispiel, dass die Foyers der Filialen in der Nacht nicht mehr zugänglich sind. Das trifft dann auch die Kundinnen und Kunden der Banken. Die Bremische Volksbank beherzigt laut Prokurist Trenz bei ihren Standorten diesen Sicherheitshinweis der Polizei bereits. Die Öffnungszeiten sind begrenzt. Damit werde den Dieben der Zugriff erschwert. Das Problem wird sich zumindest nicht kurzfristig von allein lösen. Vielleicht spiele das Bargeld in Zukunft keine Rolle mehr, sagt Trenz: "Da sind wir aber noch nicht."
Die Expertenrunde sieht auch eingebaute Nebelsystemen als eine Möglichkeit. Beschränkte Sicht durch diese Technik könnte "erhebliche Irritationen beim Täter auslösen". Bestenfalls lasse dieser von seinem Vorhaben ab. In der Erklärung geht es auch um den Einsatz von Einfärbe- und Klebesystemen: Im Alarmfall werden die Banknoten in den Geldkassetten damit weitgehend unbrauchbar gemacht.
Schützen die Banken die Automaten denn heute zu wenig?
Anfang der Woche hatte Niedersachsens Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) in einem Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ gefordert, Banken sollten ihre Geldautomaten besser vor den Sprengungen schützen. „Das ist ein Kriminalitätsphänomen, das es in anderen Ländern fast gar nicht mehr gibt." Dort seien die Geldautomaten mit Klebesystemen entsprechend präpariert.
Einige dieser Schritte zur Abwehr werden laut einer Sprecherin der Deutschen Kreditwirtschaft zwar schon genutzt. Eine Risikoanalyse soll aber nun zeigen, ob das ausreicht. Die Banken und Sparkassen leisteten zwar erhebliche Investitionen auch in die Sicherheit der Standorte. Dennoch: "Die zunehmende Aggressivität der Angriffe durch den Einsatz von Festsprengstoffen birgt neben erheblichen Sachschäden ein hohes Gefährdungspotenzial für Leben und Gesundheit unbeteiligter Personen." Die enge Zusammenarbeit mit dem Bundesinnenministerium und den Ermittlungsbehörden sei der richtige Weg.
Was sagen die Banken selbst?
Die Banken wollen sich zu ihren konkreten Vorkehrungen an den Automaten aus Sicherheitsgründen nicht äußern. "Wir prüfen beständig, welche zusätzlichen Maßnahmen sinnvoll sind, um unsere Filialen vor Einbruch und Diebstahl zu schützen", teilt der Sprecher der Commerzbank Thomas Kleyboldt mit. Details wolle man nicht nennen, aber man habe bundesweit zusätzliche Sicherungsmaßnahmen in den Filialen vorgenommen, "um Angreifer abzuschrecken". Sparkasse und Volksbank halten sich genauso bedeckt wie auch die Deutsche Bank. "Wir legen großen Wert auf unsere Sicherheitsvorkehrungen und passen diese bei Bedarf laufend an", teilt Sprecher Christian Hotz mit. "Zur Anzahl der Fälle, zur Art unserer Sicherheitsvorkehrungen und zur Schadenshöhe geben wir allerdings generell keine Auskunft."