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Kostenzuwachs Wie die hohen Energiepreise Unternehmen in Bremen zusetzen

Unternehmen belasten die stark gestiegenen Energiekosten – im Extremfall in Millionenhöhe. Ein Experte erklärt, warum die Preise für Verbraucher vor diesem Hintergrund weiter steigen könnten.
26.10.2021, 05:00 Uhr
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Von Lisa Schröder

Höhere Strom- und Gaspreise setzen die Wirtschaft zunehmend unter Druck. Insbesondere für das kommende Jahr zeichnet sich eine deutliche Belastung für die Unternehmen ab. Verbraucher müssen mit einem weiteren Kostenanstieg rechnen. „Die explodierten Energiepreise führen natürlich dazu, dass viele Rohstoffe aber auch Fertigprodukte in der näheren Zukunft nochmals deutlich teurer werden dürften“, sagt der Experte Jörg Scheyhing, Geschäftsführer der ECG Energie Consulting, die europaweit rund 2000 Unternehmen beim Energieeinkauf berät.

Die Preisentwicklung trifft einige Produzenten besonders. Die in Bremen stark verankerte Lebensmittelbranche gilt etwa als energieintensiv. Zudem sind viele Rohstoffpreise für die Hersteller gestiegen. Das spürt auch Frosta aus Bremerhaven. Neben den Energiekosten seien wichtige Zutaten wie Butter oder Hartweizen deutlich teurer geworden und auch das Verpackungsmaterial. Wie sich das konkret auf einzelne Produkte auswirke, sei sehr unterschiedlich, sagt die Sprecherin des Tiefkühlkostherstellers Friederike Ahlers. „Aber wir werden die Kostenerhöhungen weitergeben müssen.“

Zum Problem wird die angespannte Lage vor allem für Unternehmen, die verspätet Energie zu ungünstigeren Bedingungen einkaufen müssen, weil sie zu lange auf Erholung hofften. Jörg Scheyhing kennt einige Extremfälle – auch im Nordwesten. Diese Unternehmen machten sich große Sorgen, was auf sie zukomme, im Prinzip „bis hin zu existenziellen Bedenken, inwieweit das überhaupt wirtschaftlich dann noch tragfähig ist“, sagt der Experte. Belastet seien aber alle Unternehmen „mindestens deutlich“.

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Die Brauerei Beck’s stellt am Bremer Standort zwar selbst Strom her, aber mit heute beträchtlich teurerem Gas. Im Bereich Logistik stiegen die Kosten ebenfalls, sagt AB-Inbev-Sprecher Fried-Heye Allers: „Es zieht sich durch die ganze Wertschöpfungskette. Das ist auf vielen Ebenen eine große Herausforderung.“ Neben den Energiekosten sind auch hier die Preise der Rohstoffe gestiegen. „Das bedeutet für uns natürlich eine immense Kraftanstrengung“, sagt Allers. Die gesamte Lebensmittelbranche sei betroffen.

In der vergangenen Woche wurde bereits bekannt, dass Radeberger, Krombacher und Veltins ihre Preise für Gastronomie und Handel im nächsten Frühjahr erhöhen wollen – mit Verweis auf die Kostensteigerungen. Kaffeeproduzenten trifft es ebenso. Dirk Friedrichs, Sprecher von Jacobs Douwe Egberts, bestätigt für Bremen: „Auch wir spüren die signifikant angestiegenen Energiepreise sowohl in unserem Kaffeewerk in Hemelingen als auch in unserer Verwaltung in der Langemarckstraße.“

Die SWB berät vor allem mittelständische Unternehmen in Bremen bei der Energieversorgung. „Wir gehen jetzt in alle Verträge einzeln rein“, sagt Sprecher Friedhelm Behrens. Neuverhandlungen seien angesichts der Entwicklung notwendig. „Diese exorbitanten Preissteigerungen hat in dieser Dimension keiner vorausgesehen.“ Die Kundenberater seien mit einigen Unternehmen in Bremen und der Region teilweise täglich im Austausch.

„Wettbewerber ziehen nicht umsonst die Reißleine“, sagt Behrens mit Blick auf den Fall Immergrün. Die Rheinische Elektrizitäts- und Gasversorgungsgesellschaft stellte die Stromversorgung von Kunden in Hessen und Bremen ein. Außerordentliche Kündigungen mit sofortiger Einstellung der Belieferung kämen für die SWB allerdings nicht infrage.

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Bisher, einschließlich in diesem Jahr, habe der Gesamtpreis für Strom inklusive Steuern, Abgaben und Umlagen für die meisten Industrieunternehmen bis zu 20 Cent pro Kilowattstunde gekostet, rechnet Scheyhing vor. „Jetzt geht es durch diese extremen Energiepreissteigerungen gerne mal hoch auf bis 30 Cent pro Kilowattstunde“, sagt der Experte der ECG Energie Consulting mit Sitz in Kehl in Baden-Württemberg. „Die Preisexplosion der letzten Wochen war so nicht absehbar – von niemandem am Markt. Dementsprechend haben Unternehmen das natürlich auch nicht in ihre Budgets eingeplant.“ Jörg Scheyhing weiß von größeren mittelständischen Betrieben, die in den letzten Wochen neue Energieverträge fürs nächste Jahr abschließen mussten und deutliche Millionenbeträge an Mehrkosten hätten – teils bis in den zweistelligen Bereich hinein.

Zur Sache

Warum sind die Energiekosten derzeit auf diesem Niveau?

Die Energiepreise in die Höhe getrieben habe in jüngster Vergangenheit besonders, dass der Ausstoß von CO2-Emissionen teurer geworden sei, sagt der Experte Jörg Scheyhing. Die entsprechenden Zertifikate, die auf europäischer Ebene gehandelt werden, liegen heute bei 60 Euro pro Tonne CO2. Zuvor seien es 20 Euro gewesen. Zugleich kosten Gas und Kohle ebenfalls mehr, was den Strompreis erneut treibt. "Die Preise der zwei Brennstoffarten sind extrem nach oben geschnellt", sagt der Geschäftsführer der ECG Energie Consulting.

Für diese Entwicklung gebe es nicht einen Grund allein. "Insbesondere spielt die globale Nachfrageentwicklung eine Rolle", sagt Scheyhing. Die sei gerade im asiatischen Raum sehr hoch. Wegen einer Auseinandersetzung gehe derzeit etwa weniger Kohle aus Australien nach China, was die Nachfrage in anderen Regionen erhöht. Und daneben spiele der Hunger nach Gas eine Rolle. "Es ist davon auszugehen, dass immer mehr Gas teils übers Schiff oder über Pipelines nach Asien geht." Derzeit werde zudem viel darüber geschrieben, dass Russland Gaslieferungen nach Europa künstlich verknappe, um Druck zu erzeugen, Nord Stream 2 in Betrieb nehmen zu können. Daran sei sicherlich ein bisschen etwas dran, meint Energieexperte Scheyhing, aber es sei nicht die ganze Wahrheit. Die weltweite Nachfrage dürfe man nicht ausblenden.

Europa treffe die Situation momentan besonders stark. Nordamerika habe dagegen viele eigene Quellen und deshalb im weltweiten Vergleich immer noch die niedrigsten Energiepreise. In Asien seien die Preise derweil höher als in Europa, weil die Nachfrage so groß sei.

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