Im Verfahren gegen Niels Stolberg und drei weitere Beschuldigte der früheren Beluga-Reederei liegt jetzt die Begründung der Urteile vor, die am 15. März dieses Jahres vom Bremer Landgericht verkündet wurden. Das hat das Gericht auf Anfrage mitgeteilt. In den nächsten zwei Wochen werde der Schriftsatz den Prozessparteien zugestellt.
Mit dem Datum des Posteingangs beginnt die vierwöchige Frist, in der die Anwälte von Stolberg begründen müssen, warum sie Revision eingelegt haben. Der Ex-Reeder hat das Urteil gegen ihn anfechten lassen, weil er von Formfehlern ausgeht. Stolberg will auf diesem Weg versuchen, vom Gefängnis verschont zu bleiben. Auch die Staatsanwaltschaft ist in die Revision gegangen.
Stolberg muss wegen Kreditbetrugs, Untreue in besonders schwerem Fall und der Fälschung von Geschäftsunterlagen für drei Jahre und sechs Monate ins Gefängnis, sobald das Urteil rechtskräftig ist. Die anderen Angeklagten hatten jeweils eine Bewährungsstrafe bekommen. Während seine ehemaligen Kollegen aus dem Management der Bremer Reederei die Strafen akzeptierten, ist Stolberg dagegen angegangen.
Seine Anwälte hatten für ihren Mandanten eine Strafe mit Bewährung gefordert. Möglich ist das bis zu einem Strafmaß von zwei Jahren. Bevor darüber entschieden wird, ob das Urteil Bestand hat, könnte noch viel Zeit ins Land gehen. Die Revisionsbegründung geht nicht direkt an den zuständigen Bundesgerichtshof (BGH), sondern macht nach Darstellung des Landgerichts einen Umweg über die Staatsanwaltschaft und die Generalstaatsanwaltschaft.
Beiden Behörden wird Gelegenheit gegeben, Stellung zu nehmen. Erst wenn das geschehen ist, gelangt die Revision zum BGH, zuständig ist der 5. Strafsenat mit Sitz in Leipzig. Es gibt zwei Arten, eine Revision zu begründen. Die eine zielt auf offenkundige Fehler in der Prozessführung. Dass zum Beispiel das Prinzip der Öffentlichkeit nicht immer beachtet wurde.
Oder dass ein Angeklagter kurz mal ohne Verteidiger war. Solche Fehler führen fast zwangsläufig zu einer Neuauflage des Verfahrens. Komplizierter wird es, wenn die Beteiligten mit ihrer Revision monieren, dass das Gericht bestimmte Beweise nicht richtig gewürdigt hat oder erst gar nicht versucht wurde, diese Beweise in den Prozess einzubringen.
Revision wird in aller Regel abgelehnt
Hält der BGH die Revision für unzulässig, kann er ohne Hauptverhandlung durch einen Beschluss entscheiden. Andernfalls müssten sich die Richter näher mit der Materie beschäftigen, um am Ende zu einem Urteil zu kommen. Auch hier werden nicht die Tatsachen, sondern lediglich Rechtsfragen erörtert. So ein Verfahren wurde nach Angaben des BGH bisher auf gerade einmal fünf Prozent der Fälle angewandt.
In aller Regel wird die Revision also abgelehnt, doch auch bis dahin ist es ein weiter Weg, weil die Kammern chronisch überlastet sind. Stolbergs Anwälte rechnen mit einer Entscheidung nicht vor Herbst oder Winter kommenden Jahres. Solange bleibt ihr Mandant auf jeden Fall auf freiem Fuß.
Sollte das Beluga-Verfahren zu den seltenen Prozessen gehören, bei denen eine Revision vom BGH als begründet anerkannt wird, müsste eine neue Verhandlung angesetzt werden – wieder vor dem Bremer Landgericht, allerdings bei einer anderen Kammer. Die Folgen wären weitreichend. Vor dem ersten Verfahren hatte sich die Große Wirtschaftsstrafkammer 2 zur Vorbereitung auf den Prozess anderthalb Jahre mit nichts anderem beschäftigt.
Sie musste sich unter anderem durch eine 875 Seiten starke Anklageschrift ackern und ein Konvolut von elektronischen Daten sichten. Am 20. Januar 2016 wurde die Hauptverhandlung eröffnet. Sie erstreckte sich über 68 Prozesstage. Kern der Vorwürfe gegen Stolberg ist, dass er Eigenkapital vorgetäuscht hat, um an Darlehen für den Bau von Schiffen zu kommen.