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Erste Woche der Ladenöffnungen Deutlich weniger Besucher in der Bremer Innenstadt

Die Bilanz nach einer Woche zeigt: Die Innenstädte haben deutlich weniger Besucher – auch in Bremen ist das der Fall. Doch Experten sehen darin zugleich etwas Positives.
28.04.2020, 05:00 Uhr
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Deutlich weniger Besucher in der Bremer Innenstadt
Von Lisa Schröder

Der Einzelhandel in Bremen erlebt keine schnelle Erholung. In der ersten Woche der Wiedereröffnung brach das Geschäft teils deutlich ein. Carolin Reuther, Chefin der City-Initiative Bremen, berichtet von Läden, die nur zehn bis fünfzig Prozent ihres sonstigen Tagesumsatzes erwirtschafteten. „Die Situation muss besser werden. Das hält keiner lange durch“, sagte Reuther zu den Einbußen. Doch wenngleich mehr Umsatz nötig sei, dürften Kundenströme auch nicht zu groß sein und zu erneuten Schließungen führen: „Wir befinden uns da in einem Zwiespalt. Das ist ein schmaler Grat.“

Die Passantenzahlen der City-Initiative zeigen den Rückgang deutlich: Am vergangenen Sonnabend war in der Obernstraße mit 10 540 Passanten weniger als die Hälfte der Menschen unterwegs als im Vergleich mit dem Vorjahr. In der Einkaufsmeile Sögestraße war der Unterschied noch eklatanter: Statt rund 28 000 wurden hier nur 8261 Passanten gezählt.

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Die Lockerungen für den Einzelhandel haben bundesweit nicht zu einem Ansturm auf die Innenstädte geführt. Im Schnitt hat die Belebung in den Einkaufsstraßen gerade einmal bei 39 Prozent eines normalen Einkaufstages des Vorjahres gelegen. Das berichtete das auf die Messung von Kundenfrequenzen in den Innenstädten spezialisierte Unternehmen Hystreet, das in 17 Städten kontrolliert hat – auch in Bremen. Die sogenannte Einzelhandelsrelevante Passantenfrequenz in der Obernstraße erreichte dabei an allen Tagen nie die Hälfte des Schnitts von 2019.

Sorgenkind Textilhandel

Jan König vom Handelsverband Nordwest sieht den geringeren Zulauf wie Reuther von zwei Seiten. Einerseits treffe der Rückgang den Handel. Andererseits kann sich der Experte genau vorstellen, was bei vollen Städten passiert wäre: Dann wären die Geschäfte sehr wahrscheinlich wieder geschlossen worden. „Deswegen ist es gut, dass es nicht übertrieben wahrgenommen wurde.“ Die Einzelhändler seien froh, überhaupt wieder öffnen zu können. Und sein Urteil für die erste Woche? „Ernüchternd“, sagt König. Der Umsatz liege weit hinter dem Geschäft zurück, mit dem man in die Krise gegangen sei.

Karsten Nowak, bei der Handelskammer Bremen Leiter des Geschäftsbereichs Einzelhandel, hat das ebenfalls gehört: „Im Moment werden eher Deckungsbeiträge erwirtschaftet.“ Positiv sei aber, dass „ein Teil des öffentlichen Lebens“ wiederhergestellt sei, findet Nowak. Die Öffnung sorge darum bei den Händlern und den Kunden für Erleichterung. Dennoch: Der Umsatz sei gebremst. „Ich glaube, es wird noch eine ganze Weile brauchen, bis sich ein Stück Normalität einspielt.“

Die Betroffenheit hängt laut König eng mit den Sortimenten zusammen. Gerade Taschen und Koffer seien derzeit zum Beispiel nicht gefragt, weil der Sommerurlaub infrage stehe: „Das ist sehr dürftig und für die Händler besorgniserregend.“ Überhaupt sei das Konsumklima „katastrophal abgestürzt“ angesichts von Kurzarbeit und der Angst vor Arbeitslosigkeit.

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Das „große Sorgenkind“ sei dabei der Textilhandel. Hier habe es ebenfalls keinen „Run“ gegeben, sondern eher gezieltes Einkaufen. Der Experte erwartet nicht, dass große Nachholeffekte zu verzeichnen sein werden. Die Händler hätten wichtige Monate verloren, um Frühjahrs- und Sommermode zu verkaufen. Weil die Lager voll seien, drohe eine Rabattschlacht: „Das ist grundsätzlich nicht gut – und schon gar nicht in so einer Situation.“ König geht von Insolvenzen im Textilsegment aus. Reuther teilt diese Ansicht: „Die Sorge ist begründet.“

In den Weserpark, wo bis auf Ausnahmen alle Läden wieder geöffnet sind, kamen nach und nach mehr Menschen, sagt Center-Managerin Monika Mehrtens: „Verhalten, unsicher – aber sie kamen.“ Am Sonnabend seien rund 30 Prozent der sonst verzeichneten Besucher da gewesen. Die Umsätze seien je nach Branche unterschiedlich. „Der Textilumsatz ist noch verhalten.“ Jeden Tag werde die Einhaltung der Regeln für die Kunden selbstverständlicher: Fast alle Besucher der Geschäfte hätten am Montag einen Mundschutz getragen.

Hoffnung auf vorsichtige Steigerung des Kaufverhaltens

Die Einzelhändler seien ebenfalls sehr bemüht, alle Vorschriften bestmöglich einzuhalten, sagt Reuther von der City-Initiative. Denn klar sei: „Es darf auf keinen Fall wieder zu einer Verschärfung kommen.“ Das zögerliche Kaufverhalten steigere sich, so die Hoffnung, bestenfalls peu à peu wieder. Derzeit fehlten aber noch die Frequenzbringer: die Cafés und Restaurants. Im nächsten Schritt gehe es darum, Lösungen für sie zu finden. „Auch für die Gastronomie geht es um jeden Tag.“

Positive Stimmen hat Geschäftsführerin Carolin Reuther derweil auch vernommen: Viele Händler seien fast überrascht gewesen, weil sie zuvor von einer geringeren Nachfrage ausgingen. Und die Kunden seien froh, endlich wieder rauszugehen. Das sei ein schönes Signal.

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