Die vergangenen Monate sind für den Bremer Fotografen Markus Reinke nicht einfach gewesen. Neben dem Beruf gibt er auch Fotokurse. Wegen Corona war für den Freiberufler damit im März Schluss. Es dauerte Wochen, bis er endlich das Ordnungsamt von seinem Hygiene-Konzept überzeugen konnte. Am Sonnabend kann er endlich wieder starten. Für ihn ist es ein Testlauf: „Ich bin mit den Teilnehmern über neun Stunden draußen unterwegs. Die Auflagen verlangen, dass alle Teilnehmer während dieser Zeit Mundschutz tragen müssen.“
Zur finanziellen Unterstützung hatte Reinke die Soforthilfe beantragt. „Die habe ich auch schnell erhalten“, sagt er. Allerdings dürfe man bei einem Solo-Selbstständigen wie ihm zwecks weiterer Finanzhilfen nicht allein auf die Betriebskosten schauen: „Die sind in unserem Bereich in der Regel niedrig. Unser Problem liegt nicht in der Kostenstruktur, sondern in der Tatsache, dass die Aufträge und somit die Einnahmen wegbrechen, die für die Deckung des Lebensunterhalts benötigt werden.“
Bremens Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) hatte sich bereits im März in der Wirtschaftsministerkonferenz zusammen mit Nordrhein-Westfalen für die Einbeziehung der Lebenshaltungskosten eingesetzt: „Als sich keine Lösung für das Bundesprogramm abzeichnete, habe ich gemeinsam mit Herr Pinkwart aus NRW einen Vorschlag eingebracht, der für die Solo-Selbstständigen zumindest ein Optionsmodell eröffnet hätte.“ Laut Vogt hat der Bund trotzdem die Gruppe der Solo-Selbstständigen sowohl im Soforthilfeprogramm als auch im neuen Überbrückungsprogramm außen vor gelassen. „Für die Solo-Selbstständigen ist das natürlich eine sehr schwierige Situation.“ Von ihnen bekamen in Bremen bisher 3900 die Soforthilfe.
Damit ist Reinke kein Einzelfall. Das zeigt die aktuelle Umfrage vom Bundesverband der freien Berufe (BFB) unter 2600 Freiberuflern. Das Ergebnis: Knapp 62 Prozent aller Freiberufler sind stark oder sehr stark von den Auswirkungen des Corona-Lockdowns betroffen. Für fast jeden Dritten sei der wirtschaftliche Schaden existenzbedrohend, mehr als zehn Prozent befürchten, dass sie die nächsten zehn Monate nicht überstehen.
Entsprechend hatte der Verband der freien Berufe im Lande Niedersachsen vor einer Woche die Sorgen und Nöte unter den Mitgliedern in den einzelnen Branchen abgefragt. Hauptgeschäftsführer Franz-Christian Keil sagte: „Gerade Zahnärzte haben mit Umsatzeinbußen zu kämpfen. Die lagen im ersten Quartal zwischen fünf und zehn Prozent und jetzt im zweiten Quartal bisher zwischen 20 und 60 Prozent.“ Entsprechend hoffen sie, dass sie spätestens im vierten Quartal wieder auf altem Umsatzniveau sind, um das Jahr zu retten. „Für einen jungen Zahnarzt, der gerade eine Praxis übernommen hat, ist das nicht einfach“, ergänzt Keil. Bei Allgemeinärzten sehe die Situation allgemein besser aus.
Architekten seien noch gut ausgelastet, es kommen aber weniger neue Aufträge rein. Auch freie Ingenieure spüren erste Folgen. Was Steuerberater angeht, sagt Monika Will, Geschäftsführerin der Hanseatischen Steuerberaterkammer: „Es wird wohl kommen, dass der eine oder andere Mandant eines Steuerberaters Zahlungsprobleme haben wird. Die Auswirkungen für den Steuerberater hängen dann auch davon ab, ob es sich bei dem Mandanten um ein großes Unternehmen handelt oder eine einzelne Person.“
Franz-Christian Keil, der auch Hauptgeschäftsführer der Steuerberaterkammer Niedersachsen ist, glaubt, dass die Freiberufler in seiner Branche am ehesten durch die Krise kommen. Doch auch hier müsse man spezifizieren: „Es gibt ja Steuerberater, die sich auf Gastronomie, Catering und Events spezialisiert haben.“ Da nicht nur Steuerberater mit ihrer Arbeit in Vorleistung gehen, stellen sie die Rechnungen erst einige Monate später. Wenn der Mandant dann insolvent ist, droht der Zahlungsausfall. Daher fordert BFB-Präsident Wolfgang Ewer, dass man alle mit diesem zeitlichen Verzug nicht allein lässt. Bei weiteren Liquiditätshilfen, gerade für Solo-Selbstständige, solle man die Kosten für ihren Lebensunterhalt mit einbeziehen, wie Ewer dem „Handelsblatt“ sagte.
Betroffen seien auch junge Unternehmensgründer. Marc Fucke, der mit Hachem Gharbi im ehemaligen Kreiswehrersatzamt Räume für Start-up-Gründer betreibt, sagte: „Gerade für die Kulturschaffenden bei uns im Haus waren die letzten Monate nicht einfach. Aber ich bin froh, dass es in Bremen auch für sie finanzielle Hilfe gab.“ Andere Start-up-Gründer hätten die Zeit dazu genutzt, an ihren Konzepten und Ideen zu feilen, oder sogar neue zu entwickeln. So beobachtet es auch das Bremer Starthaus, das Unternehmensgründern hilft. „Trotz oder gerade wegen Corona gibt es Neugründungen und neue Produkte“, sagt Sprecherin Andrea Bischoff.
Die Anfragen seien weiter auf gleichem Niveau, die Beratungen sogar zielgerichteter. Den Start-ups stünden durch die KfW-Programme nun mehr und einfachere Mittel zur Verfügung. Reinke fordert mehr Verständnis: „Politiker verweisen momentan gern auf die erweiterte Grundsicherung. Die würde mir aber im Wege stehen, wenn ich in meinem Beruf auf das alte Level zurückkehren möchte.“ Er befürchtet, dass ihm die Grundsicherung nicht den Zuverdienst erlaubt, den er bräuchte, um seine Solofirma wieder in Gang zu bekommen. Aber zu viel meckern wolle er nun auch nicht.