Ärger mit Mobilfunkverträgen, Informationen zu ethisch einwandfreien Geldanlagen oder auch die Bettdecke, die einem auf einer Kaffeefahrt aufgeschwatzt wurde – in solchen und ähnlichen Fällen war und ist die Verbraucherzentrale Bremen immer ein zuverlässiger und helfender Ansprechpartner. Doch im Februar brauchte die Verbraucherzentrale plötzlich selbst Hilfe. Denn der Verein musste einen Insolvenzantrag stellen. Mittlerweile ist die Sanierung der Verbraucherzentrale Bremen erfolgreich abgeschlossen. Das Bremer Amtsgericht hat den Insolvenzplan bestätigt und damit das im Mai diesen Jahres eröffnete Insolvenzverfahren aufgehoben, teilte der Verein mit.
Die Vorständin der Verbraucherzentrale, Annabel Oelmann, lobt im Rückblick, wie alle Mitarbeiter mitgezogen haben. Auslöser für das Sanierungsverfahren war ein Fehler in den Arbeitsverträgen, der durch ein Gespräch mit dem Kommunalen Arbeitgeberverband offenkundig wurde.
Die Verbraucherzentrale ist angelegt an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVL). Der TVL wiederum verpflichtet zu einer Altersvorsorge in die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL). Doch eingezahlt hatte die Verbraucherzentrale richtigerweise in den Versorgungsverband bundes- und landesgeförderter Unternehmen (VBLU): „Da wir kein Unternehmen des öffentlichen Dienstes sind, können wir gar nicht in die VBL einzahlen,“ stellt Oelmann fest.
Nach dem dreistündigen Expertengespräch wurde Oelmann klar, dass durch diesen pauschalen Verweis auf den TVL ein tariflicher Anspruch besteht, auf den niemand rückwirkend verzichten kann: „Das ist ein Insolvenzauslöser, obwohl eigentlich akut kein Problem bestand. Wir hatten kein Liquiditätsproblem.“ Aber wenn ein Mitarbeiter mit diesem Passus im Arbeitsvertrag in Ruhestand gegangen wäre, hätte er trotz VBLU auf VBL-Leistungen bestehen können. „Dieser Anspruch bestünde dann gegenüber dem Verein.
Formfehler von vor 15 Jahren
Der ist aber gemeinnützig und kann keine Pensionsrückstellungen bilden. Deshalb bestand eine drohende Zahlungsunfähigkeit“, so Oelmann. Der Formfehler im Musterarbeitsvertrag muss laut Oelmann vor etwa 15 Jahren passiert sein, als der Vertrag vom Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) auf den Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) umgestellten wurde. „Seither findet sich dieser pauschale Verweis auf den TVL konsequent in allen Arbeitsverträge, inklusive meinem“, sagt Oelmann. „Ich dachte mich trifft der Schlag,“ so Oelmann weiter. Sie selbst ist seit etwas mehr als drei Jahren Vorständin bei der Verbraucherzentrale.
Nach dem Gespräch mit einem Insolvenzexperten war ihr klar, dass sie unverzüglich Insolvenz anmelden musste. „Als Vorständin eines Vereins hafte ich persönlich mit meinem privaten Vermögen. Und bei Insolvenzverschleppung kann eine Haftstrafe bis zu drei Jahren drohen. Das hat mir viele schlaflose Nächte beschert.“ Für eine Insolvenz gibt es verschiedene Wege: „Liquidieren oder Sanieren?“ Eine Liquidierung ist der typische Weg in einer Insolvenz. Liquideren bedeutet, den Verein abwickeln, also alle 32 Mitarbeiter entlassen, das Beratungsangebot der Verbraucherzentrale einstellen und den Verein auflösen. Mit dem Rückhalt von Betriebsrat und Verwaltungsrat entschied sich Oelmann für den eher ungewöhnlichen Weg der Sanierung bei laufendem Betrieb. Neben der bilanziellen Bereinigung ging es Oelmann um die Aufrechterhaltung des Beratungsangebotes und die Sicherung der 32 Arbeitsplätze. Aber es drängte die Zeit.
Da die meisten Mitarbeiterstellen in der Verbraucherzentrale durch Projekte finanziert werden, ist meist der September der Monat, in dem die Finanzierungsanträge für das kommende Jahr gestellt werden. Ohne dieses Geld könnte es wirklich problematisch werden für die Verbraucherzentrale – und Projektgelder für einen insolventen Verein sind illusorisch. Im Mai eröffnete das Gericht das Insolvenzverfahren. „Von da an mussten wir bis September alles über die Bühne bekommen“, sagt die Vorständin rückblickend.
Dafür musste alles Hand in Hand gehen: der Insolvenzplan, die Zustimmung der Gläubigerversammlung, die Anpassung der Arbeitsverträge und die Zustimmung zum Schuldenschnitt. „Wir freuen uns, dass die Sanierung erfolgreich abgeschlossen ist und hoffentlich mehr Ruhe einkehrt,“ so Oelmann.