Noch immer schätzen viele Menschen, ein Buch oder eine Zeitung in die Hand zu nehmen – doch Papier ist zu einem raren Gut geworden. Druckereien und Verlage leiden unter dem Mangel an Papier, der zu langen Lieferzeiten und hohen Einkaufspreisen führt. Durch den Krieg in der Ukraine, die hohen Kraftstoffpreise und die Auswirkungen der Pandemie spitzt sich die Papierkrise weiter zu.
„Die Situation ist desolat“, sagt Hermann Schünemann, Geschäftsführer des gleichnamigen Bremer Traditionsverlags. „Die Druckereien können uns derzeit keine verlässlichen Preise geben.“ Der Verlag müsse sich schon jetzt bis Ende des Jahres das Papier sichern, ohne einen konkreten Preis zu wissen. Teilweise hätten sich die Papierpreise um bis zu 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erhöht. Zudem müssten mittlerweile drei Monate einkalkuliert werden, bis ein Buch aus der Druckerei kommt. Normalerweise seien es vier Wochen.
Weniger Altpapier während Corona
Nach den Worten von Manuel Dotzauer, Inhaber des Bremer Kellner-Verlags, verschärft sich die Lage von Woche zu Woche. Auch er müsse sich das Papier für neue Bücher schon mehrere Monate im Voraus sichern. „Dadurch können wir uns natürlich weniger Spontanität leisten, aber wir können uns ein bisschen darauf einstellen“, sagt Dotzauer.
Die Gründe für die derzeitige Papierkrise sind mannigfaltig. Indirekt hatte auch die Corona-Pandemie großen Einfluss auf die Papierherstellung. Da weniger geworben wurde, habe es weniger Anzeigenblätter und Prospekte gegeben. Die Zeitungen hätten teilweise ihre Umfänge reduzieren müssen, berichtet Bettina Knape vom Bundesverband Druck und Medien. Die Folge: weniger Altpapier. Ein Teufelskreis, laut dem Verband Deutscher Papierfabriken werden knapp 80 Prozent des in Deutschland produzierten Papiers aus Altpapier hergestellt.
Schon in den Jahren vor der Pandemie ist aufgrund der Digitalisierung und sinkender Zeitungs- und Zeitschriftenauflagen der Bedarf an Papier gesunken. Die Papierhersteller passten sich an. Weil durch den Onlinehandel der Bedarf an Verpackungsmaterial deutlich gestiegen sei, hätten viele Papierfabriken in Europa und Asien umgerüstet, die vorher reguläres Druckpapier herstellten, um Verpackungsmaterial zu produzieren. Eine Entwicklung, die schon mehrere Jahre anhält. Aktuelle und globale Krisen tragen zur Verschärfung der Situation bei.
Keine Importe mehr aus Russland
Dotzauer bekommt als Verleger zu spüren, dass sich Lieferketten verzögert haben, etwa bei Holzimporten aus Südamerika: Durch die Pandemie habe es an unterschiedlichen Stellen häufiger Personalausfall gegeben, zwischendurch zudem Streiks von Hafenarbeitern. Außerdem prognostizieren Verleger und Druckereien, dass durch den Krieg in der Ukraine die Papierpreise weiter steigen werden. So wurden aus Russland für die Papierherstellung wichtige Rohstoffe bezogen – Importe, die wegfallen dürften. Da viele ukrainische Lieferanten auch Papier nach Mitteleuropa bringen, könnte der Transport ebenfalls teurer werden. Apropos Transport: Bücherdienste hierzulande, die etwa den örtlichen Buchhandel beliefern, haben teils schon ihre Preise erhöht – aufgrund der hohen Benzinkosten.
Unter der anhaltenden Papierknappheit leiden nicht nur die Verleger, sondern auch viele Druck-Unternehmen: Laut einer Umfrage des Bundesverbands Druck und Medien haben 72 Prozent der Befragten in diesem Jahr Aufträge verloren oder konnten sie nicht annehmen. 70 Prozent rechnen außerdem infolge des Papiermangels dauerhaft mit weniger Umsatz.
Experten prognostizieren, dass die Preise für Bücher und Papier-Produkte weiter steigen werden. "Die Druckereien, die mehr für Papier bezahlen müssen, müssen früher oder später ihre Preise erhöhen", sagt Knape. "Und damit erhöhen auch die Verlage ihre Preise. Sonst ist irgendwann die ganze Wertschöpfungskette pleite." Dotzauer schätzt, dass Bücher in Zukunft rund zwei Euro teurer werden könnten.
Entspannung der Situation noch nicht in Sicht
Ein Ende der Krise ist bisher noch nicht in Sicht. "Wir gehen davon aus, dass sich die Entwicklung wieder dem langfristigen Trend anpassen wird", so Gregor Andreas Geiger vom Verband der Papierindustrie, wobei der Trend vor der Papierknappheit und der Pandemie auch schon hin zu einer Reduzierung des Druckpapiers ging. Knape vom Bundesverband Druck und Medien hingegen dämpft die Erwartungen: Mit einer Entspannung der Situation sei längerfristig nur langsam zu rechnen. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass der Papiermarkt auf das Niveau von vor zwei Jahren zurückkehre. "Bei Corona haben wir auch alle gedacht, dass es nur ein kurzer Ausnahmezustand ist."