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Engpässe am Buchmarkt Leere Regale befürchtet: So reagieren Buchhändler auf den Papiermangel

Das Weihnachtsgeschäft steht vor der Tür, doch die Verlage warnen den Buchhandel: In den kommenden Monaten könnte es wegen des Papiermangels zu Engpässen kommen. Die Buchhandlungen reagieren unterschiedlich.
02.11.2021, 16:29 Uhr
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Leere Regale befürchtet: So reagieren Buchhändler auf den Papiermangel
Von Simon Wilke

Im November und Dezember wird noch einmal Geld verdient: Knapp ein Viertel des Jahresumsatzes verbuchte der Buchhandel in diesen zwei Monaten – vor Corona. Doch was, wenn wegen des herrschenden Papiermangels nun die Bücher auszugehen drohen? Berichte aus Bremer und niedersächsischen Buchhandlungen.

Georg Büchner-Buchhandlung

Ob sie sich vor der Papierknappheit fürchtet, vor ausbleibendem Nachschub, vor leeren Regalen mitten in der Weihnachtszeit? „Wir fürchten das alle“, sagt Beruta Adolf von der Georg Büchner-Buchhandlung im Steintor. Erst die Lockdowns, jetzt das: Suhrkamp, Rowohlt, Dtv – sämtliche großen Verlage hätten ihre Vertreter entsandt, um vorzuwarnen. Kurzfristige Neuauflagen seien in diesem Jahr nicht drin, sagen sie. Deshalb beginnt Adolf ihr Lager aufzustocken. Wo normalerweise gut fünfeinhalbtausend Bücher darauf warten, verkauft zu werden, liegen mittlerweile 6.500. „Ich gehe an jedem Wochenende Buch für Buch die Angebote der Verlage durch und gucke, was ich jetzt bestellen muss, damit es uns am Ende nicht fehlt“, sagt Adolf. „Das ist einer der Gründe, warum wir nicht am verkaufsoffenen Sonntag teilgenommen haben: Wenn man sonntags schon sechs Stunden gearbeitet hat, will man auch mal Feierabend haben.“ Ihr Vorteil: Sie könne es sich leisten, den Bestand aufzustocken. „Andere müssen sehr genau überlegen, ob sie sich zehn, 20 oder 50 Exemplare desselben Titels ins Lager stellen.“

Adolf merkt noch weitere Auswirkungen der „Papierkrise“. Auf das Geschenkpapier, mit dem sie in den kommenden Wochen vermehrt ihre Ware verpacken wird, musste sie statt einer Woche acht Wochen lang warten. Auch bei den Postkarten in ihrem Sortiment gab es Probleme: Weil die Versandkartons knapp sind, musste sie eine Großbestellung statt mehrerer kleiner aufgeben. „Da setzt man natürlich auf Altbewährtes, aber die Auswahl leidet darunter“, so Adolf. Mit Blick auf das Weihnachtsgeschäft komme noch ein anderes Problem hinzu: Seit den Lockdowns fehlen Aushilfskräfte, insbesondere für den Kassenbereich. „Wo sind die alle hin?“, fragt sie sich, schließlich habe sich die Lage mittlerweile normalisiert. Doch bange ist ihr nicht, als kleiner Laden könne sie improvisieren. „Wir arbeiten wie der Teufel; da fragt keiner danach, ob wir am Ende nur noch 2,50 Euro pro Stunde verdienen.“

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Buchhandlung Mahnke

Noch ist es ruhig im niedersächsischen Umland. In Verden zum Beispiel führt Maria Mahnke in sechster Generation die Buchhandlung Mahnke. Sie hatte erst vor Kurzem ein unerwartetes, aber positives Erlebnis: „Als Antje Rávik Strubel den Deutschen Buchpreis erhalten hat, hatte ich ihr Buch schon am nächsten Tag im Laden. Damit hätte ich nach den jüngsten Meldungen gar nicht unbedingt gerechnet“, sagt sie. Denn auch bei ihr sind schon Aufrufe eingegangen, sich doch für das Weihnachtsgeschäft mit ausreichend Ware einzudecken. Das sei auch dem Wunsch der Verlage geschuldet, möglichst frühzeitig nachzudrucken, glaubt sie. In ihrer Buchhandlung verzichtet Maria Mahnke dennoch auf große Bestände. Man könne ohnehin nie genau vorhersagen, welche Bücher besonders begehrt seien. „Oft wird ganz unvermittelt eine Handvoll Titel stark nachgefragt, zum Beispiel nach einer Besprechung in den Medien. Das kann man nicht voraussehen“, sagt sie.

Trotzdem hat Mahnke bei manchen Titeln aufgestockt, beim gemeinsamen Buch des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama und Rocklegende Bruce Springsteen beispielsweise. „Da ist einfach abzusehen, dass die Nachfrage hoch sein wird.“ Sorgen um ihr Weihnachtsgeschäft macht sich Maria Mahnke nicht. „Wir werden am 23. Dezember und auch an Heiligabend selbst noch genügend tolle Bücher zur Auswahl haben“, sagt sie. „Und entweder ich kann Kundenwünsche kurzfristig zum nächsten Tag bestellen – das ist dann mit ein wenig Risiko verbunden – oder ich habe eine gute Alternative vorrätig.“

Buchhandlung Logbuch

Der Logbuchladen in Walle ist insofern besonders, als neben dem Verkaufsgeschäft auch der angeschlossene Logbuch Verlag zur Firma gehört. Die Buchhändlerin Sabine Westermann hat bereits gemerkt: Die Verlage sind nervös. Sie kann es verstehen. Das Weihnachtsgeschäft im Buchhandel mache schon mal bis zu 30, 40 Prozent des Gesamtumsatzes aus, schätzt sie. „Und die Verlage bitten natürlich um langfristige Planung, weil Neuerscheinungen und Nachdrucke genau geplant werden müssen.“ Eine Garantie, dass alle Titel in normaler Auflage verfügbar sein werden, gebe derzeit niemand. „Wir versuchen so zu planen, dass wir die Wünsche immer bedienen können“, sagt sie, und das funktioniere bislang problemlos, trotz der Frankfurter Buchmesse, die für eine gesteigerte Nachfrage gesorgt habe.

Auch Logbuch-Inhaber und Verleger Axel Stiehler sieht den kommenden Wochen gelassen entgegen. „Die Verlage mahnen und schicken Rundmails, aber die Probleme betreffen vor allem große Buchhandlungen“, sagt er. Grundsätzlich sehe er Lieferengpässe eher als Chance, die Aufmerksamkeit auch einmal auf unbekanntere Autorinnen und Autoren sowie speziellere Titel zu lenken. Nur beim Verlagsgeschäft merkt er, dass der Markt unter Druck steht. „Da springen die Preise, einmal gemachte Angebote können deshalb oft gar nicht gehalten werden“, so Stiehler. Weil es aktuell eben schwer sei, an Material zu gelangen, sieht er nur zwei Möglichkeiten: „Entweder man ist in der Qualität flexibel oder man kann vielleicht nicht aktuell produzieren.“

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Buchhandlung Hübener

In der Buchhandlung Hübener in Bremerhaven-Geestemünde weiß man zwar um das Problem, aktuell ist es hier aber vor allem ein theoretisches. Engpässe gibt es keine, auch bei speziellen Pappbilderbüchern oder Bestellungen direkt beim Verlag nicht. Aber: „Kommt im Dezember eine gute Besprechung in der Zeitung oder im Radio, wird man es bei diesem Titel merken“, sagt Buchhändlerin Petra Riggers. Man könne grundsätzlich immer schwer abschätzen, was in zwei Monaten in Bremerhaven gelesen werde, aber es sei in der Vorweihnachtszeit regelmäßig so, dass sich die Titelauswahl immer weiter verengt. Soll heißen: Immer mehr Kunden wollen die immer gleichen Titel. „Und da, wo dieses Phänomen nicht abzusehen ist, fürchte ich, wird ein Engpass entstehen, und wir können nicht mehr reagieren.“

Also größere Mengen bestellen und einlagern? Schwierig. „Es ist ja auch von den finanziellen Mitteln abhängig – als kleine Buchhandlung kann man sich das nicht ohne weiteres leisten“, sagt sie. Zwar gebe es die Möglichkeit, unverkaufte Titel an den Verlag zurück zu geben, die sogenannte Remission, trotzdem gehe man bei einer Bevorratung ins Risiko. Petra Riggers setzt stattdessen auf das, was kleine Buchhandlungen ausmacht: das Beratungsgespräch. „Wir haben immer genug Bücher im Laden, auch zu Weihnachten, und sollte etwas tatsächlich nicht erhältlich sein, finden wir im Gespräch sicher eine Alternative.“

Buchhandlung Buntentor

Die Regale sind voll mit Bestsellern, Bremensien oder Kinderliteratur in der Buchhandlung Buntentor. Von Lieferengpässen bei Großhändlern und Verlagshäusern ist in der Auslage jedenfalls nichts zu sehen. Und trotzdem: „Es kann dazu kommen, und von Seiten der Verlage wurde uns empfohlen, die Ware zu bevorraten“, sagt Inhaber Sven Odens. Er leitet die kleine Buchhandlung in der Neustadt.

Odens geht zwar davon aus, dass die großen Verlage am ehesten einen Weg finden werden, auch trotz Papierknappheit zu produzieren, aber er vermutet: „Abseits der Bestseller-Listen könnte es schon knapp werden.“ Odern empfiehlt daher: „Wer ein ganz spezielles Buch wünscht, sollte besser nicht bis Heiligabend warten, um es sich zu sichern.“ Wenn das Weihnachtsgeschäft Fahrt aufnimmt, will er vorbereitet sein. Jedenfalls folgt er dem Rat der Verlagshäuser und deckt sich schon einmal mit den für ihn wichtigsten Titeln ein.

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