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Versorger kündigen Verträge Gas und Strom für Firmenkunden 20-mal so teuer

So günstig wie jetzt werden Strom und Gas auch für Bremens Unternehmen nicht mehr sein. Der Energieversorger SWB wird die Verträge, die zum Jahresende auslaufen, fristgerecht kündigen.
02.09.2022, 05:00 Uhr
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Gas und Strom für Firmenkunden 20-mal so teuer
Von Florian Schwiegershausen

In den vergangenen Wochen ging es immer darum, wie die Unternehmen sich darauf vorbereiten, wenn zu wenig Gas vorhanden ist und sie deshalb leer ausgehen. Doch in den Büros der Firmen, die Gas erhalten werden, möchten die Chefs die Heizung dennoch am liebsten kalt lassen - angesichts der Energiepreise, auf die sich die Betriebe einstellen müssen.

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Bremens Energieversorger SWB wird allen Firmenkunden, bei denen der Liefervertrag über Strom und Gas zum Jahresende ausläuft, fristgerecht zum 30. September kündigen. "Eine Belieferung zu den vormals vereinbarten Konditionen seitens SWB ist nicht mehr aufrecht zu erhalten", sagt SWB-Sprecher Friedhelm Behrens dem WESER-KURIER. Wenn Unternehmen bisher für die Kilowattstunde Gas oder Strom fünf Cent zahlten, kann das ab Januar durchaus ein Euro pro Kilowattstunde werden - also das 20-fache vom bisherigen Preis. Behrens begründet das: "Die aktuellen Entwicklungen an den Energiehandelsplätzen hat für viele Unternehmen dramatische Auswirkungen und SWB sucht gemeinsam mit den Kunden nach den bestmöglichen Handlungsoptionen für die Energiebeschaffung."

Im Gespräch mit 500 Gewerbekunden

Der Bremer Energieversorger sei seit Monaten im Dialog mit den 500 größeren Gewerbekunden über die künftigen Lieferkonditionen für Strom und Gas. Kleingewerbe zählt hier laut Behrens nicht dazu: "Die werden quasi wie Privatkunden behandelt." Die großen Industriekunden würden sich laut dem SWB-Sprecher selbst mit Strom und Gas an der Energiebörse in Leipzig eindecken.

Bremens Betriebe sind aber kein Einzelfall, wie der Energieexperte vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), Erik Pfeifer, berichten kann: "Diese Situation geht nun quer durch Deutschland. Die Unternehmen verhandeln jetzt ihre Energieverträge für das nächste Jahr. Dabei können sie glücklich sein, wenn sie überhaupt noch ein neues Angebot bekommen." Meist würden die Betriebe keine neuen Offerten erhalten - und wenn doch, dann laut Pfeifer zu exorbitanten Preisen.

Angebote haben nur zehn Minuten Gültigkeit

Der DIHK-Energieexperte hat auch schon von Beispielen gehört, die eher an Kaffeefahrten oder Haustürgeschäfte erinnern: "Da heißt es dann am Telefon, dass das Angebot für die nächsten zehn Minuten gelte, ansonsten müsse man die Preise schon wieder neu justieren."

Die SWB ist derzeit zumindest im Dialog mit den Unternehmen. Die Stadtwerke Osnabrück machen ihren Gewerbekunden dagegen kein neues Angebot. Der örtliche Energieversorger wird alle Verträge kündigen, und danach werden die Betriebe in die Tarife der Grundversorgung rutschen, wie die "Neue Osnabrücker Zeitung" berichtet. Es ist genau der Tarif, in dem sich unter anderem auch die Privatkunden wiederfinden, bei denen der voherige Energieversorger die Lieferung eingestellt hatte.

Mehrkosten von über einer Million Euro

So manchen Unternehmern treibt das nicht nur Schweißperlen auf ihre Stirn. Nach der Mitteilung der Stadtwerke Osnabrück rechnete eine Besitzerin von fünf Edeka-Märkten vor, dass sie sich das vielleicht ein halbes Jahr leisten kann. "Danach bin ich insolvent", sagte Mechthild Möllenkamp. Im schlimmsten Falle erwarten sie Mehrkosten von mehr als einer Million Euro. Bisher zahlte sie pro Kilowattstunde Strom vier Cent, künftig sollen es ihren Angaben zufolge in der Grundversorgung 50 bis 80 Cent pro Kilowattstunde sein.

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Wer mit Öl heizt, weiß, dass immer der Preis vom Tag der Bestellung gilt. Wenn dann zwei Wochen später das Lieferfahrzeug vor der Tür steht und an dem Tag der Preis günstiger ist, tut das nichts zur Sache. Daher könnten die Firmen ja nun auf die Idee kommen und sich mit dem neuen Liefervertrag noch einige Wochen Zeit lassen - in der Hoffnung, dass Strom und Gas dann wieder etwas günstiger sind. DIHK-Energieexperte Erik Pfeifer mag zu einer solchen Strategie keine Aussagen machen, weil man eben auch nicht sagen kann, wie sich die Preise in den kommenden Wochen entwickeln werden. "Die momentane Situation ist derzeit nicht vernünftig darstellbar", stellt Pfeifer fest. Es liege eben auch an den Unternehmen, was da oberste Priorität hat: "Steht die Planungssicherheit im Vordergrund, und kann man die Preisaufschläge in der Lieferkette weitergeben? Ist Regionalität wichtig, oder eine langfristige Absicherung?" Dazu lassen sich derzeit keine zuverlässigen Aussagen machen.

Als Pfeifer vor gut einem Monat Referent bei einem Online-Seminar der Handelskammer Bremen zum Thema Gasversorgung war, wollte er keine Horrorszenarien verbreiten, sagte aber bereits: „Die Dramatik ist größer, als es in Teilen der Bevölkerung derzeit wahrgenommen wird."

Zur Sache

Energieversorger an Preisgarantie gebunden

Energieversorger müssen sich an ihre Preisgarantien halten, die sie ihren Kunden gemacht haben. So hat es gerade erst das Düsseldorfer Landgericht entschieden. Es untersagte dem Unternehmen ExtraEnergie per einstweiliger Verfügung bereits angekündigte Preiserhöhungen. (Aktenzeichen: 12 O 247/22) Das Gericht untersagte dem Unternehmen, die gestiegenen Beschaffungskosten für Strom und Gas auf die Kunden umzulegen, wenn die Verträge eine Preisgarantie enthalten. ExtraEnergie müsse weiter zu den vertraglich vereinbarten Preisen liefern.

Der Beschluss des Landgerichts Düsseldorf schützt alle Kunden der ExtraEnergie GmbH. Dazu gehören die Marken „prioenergie“ sowie „hitenergie“. Die Verbraucherzentrale NRW stellte einen Musterbrief zur Verfügung, mit dem die Kunden der Preiserhöhung widersprechen sollten. ExtraEnergie habe Verträge mit sogenannter eingeschränkter Preisgarantie angeboten. Preisänderungen waren demnach nur wegen gestiegener Steuern, Abgaben oder Umlagen zulässig, nicht aber wegen wachsender Kosten für die Beschaffung von Energie.

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