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Pläne für den Gasnotstand Im Herbst zurück ins Homeoffice?

Unternehmen in Bremen denken darüber nach, im Winter die Temperaturen in den Büros zu drosseln. Sollte es zum Gasnotstand kommen, könnte die letzte Lösung sein, die Beschäftigten ins Homeoffice zu schicken.
15.08.2022, 05:00 Uhr
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Im Herbst zurück ins Homeoffice?
Von Florian Schwiegershausen

Drohende Versorgungsengpässe beim Gas könnten zu einer Rückkehr ins Homeoffice führen. Wenn es im Winter zum Gasnotstand kommen sollte, werden laut der Notfallverordnung Privathaushalte und kritische Infrastruktur vor Industrie und Wirtschaft beliefert. Entsprechend überlegen einige Unternehmen, in einem solchen Fall die Mitarbeiter wieder von zu Hause aus arbeiten zu lassen, sofern die Art der Arbeit das erlaubt.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat Unternehmen zum Energiesparen in ihren Büros aufgefordert. Man werde es sich nicht leisten können, ganze Bürotürme auf mehr als 20 Grad zu heizen, wenn nur drei Menschen drin säßen, so Habeck. „Es wäre doch fatal, Büros bis 23 Uhr zu heizen und gleichzeitig ganze Industriezweige zu zerstören.“

Mercedes überlegt, Temperaturen zu drosseln

Bei Mercedes wird an Notfallplänen für den Winter gearbeitet – auch für das Bremer Werk. „Wir prüfen auch Raum- und Temperaturoptimierungen für unsere Produktions- und Bürogebäude“, sagte Sprecherin Martha Winter. Unklar ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt, ob ein Notfallkonzept mehr Homeoffice für die Beschäftigten aus der Verwaltung beinhalten wird. Von Mercedes heißt es grundsätzlich: „Wir bereiten uns intensiv auf unterschiedliche Szenarien vor und entwickeln partnerschaftliche Lösungen. Dazu haben wir bereits erste Schritte eingeleitet.“

Auch Airbus will prüfen, wo im Unternehmen große Verbraucher vom Netz genommen werden können oder an welchen Standorten frostige Temperaturen möglich sind, um Energie zu sparen. „Homeoffice ist hier für Bürobereiche eine Option, um begleitet mit einer Flächen- und Arbeitsmodelloptimierung einen entsprechenden Beitrag zu leisten“, sagte ein Sprecher dem „Handelsblatt“.

Firmen sollen Notfallpläne erarbeiten

Vergangene Woche hatte Erik Pfeifer, Energieexperte des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, bei einer Onlineveranstaltung der Bremer Handelskammer an die Firmen appelliert: „Setzen Sie sich mit Ihren betrieblichen Energieverbräuchen auseinander und schauen Sie, was Sie anstelle von Gas einsetzen können. Entwickeln Sie Abschaltszenarien, suchen Sie den Kontakt zum Netzbetreiber und Energieversorger und sprechen Sie mit den für Immissionsschutz zuständigen Behörden.“ Laut Pfeifer ist die Lage ernster, als in Teilen der Bevölkerung wahrgenommen werde.

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Bremens Energieversorger SWB prüft, wie er auf verschiedene Szenarien reagieren kann, ob das Homeoffice für Beschäftigte dazu zählt, kann SWB-Sprecherin Angela Dittmer zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Der Energieversorger informiert die Geschäftskunden auf seiner Internetseite kontinuierlich über die aktuelle Entwicklung. Ebenso hält die Netztochter Wesernetz Unternehmen auf dem Laufenden und hat für weiteren Gesprächsbedarf die E-Mail-Adresse: info-krisenvorsorge@wesernetz.de geschaltet.

Betriebe, die nicht auf Erdgas angewiesen sind, können etwas entspannter auf Herbst und Winter schauen. Bei der Sparkasse Bremen zahlt sich der Neubau ihres Hauptsitzes im Technologiepark der Universität aus. Das Gebäude wird durch Fernwärme und Geothermie beheizt, außerdem befindet sich auf dem Dach eine Fotovoltaikanlage. Wenn die 600 Beschäftigten im Winter ins Homeoffice wechseln, dann eher aus Pandemie- als aus Energiegründen.

DGB fordert höhere Homeoffice-Pauschale

Je mehr Beschäftigte zu Hause arbeiten, desto mehr Energie wird in den eigenen vier Wänden verbraucht. Daher fordert der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) von der Bundesregierung eine Erhöhung der Homeoffice-Pauschale. Momentan können Arbeitnehmer in ihrer Steuererklärung 600 Euro geltend machen– der DGB verlangt, sie auf 900 Euro hochzusetzen. Die Gewerkschaft weist außerdem darauf hin, dass der Arbeitgeber kein Recht habe, zwangsweise Homeoffice anzuordnen. Betriebs- und Personalräte seien gefragt, eine entsprechende Betriebsvereinbarung auszuhandeln.

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Besser keine Heizdecken an Beschäftigte verschenken

Wenn Arbeitgeber es gut meinen und Beschäftigten eine Heizdecke oder einen Radiator spendieren, könne das nach hinten losgehen, erläutert Verhaltensökonom Matthias Sutter. „Wenn die Firmen die Leute im Homeoffice haben wollen, dann sollten sie eher die Vorteile anpreisen, aber eben nicht die Wärme: also lieber Wegfall von Pendelzeit, flexiblere Arbeitseinteilung, Vereinbarkeit mit Familie.“

Info

Momentan sind 20 Grad im Büro Pflicht

Laut der deutschen Arbeitsstättenverordnung müssen bei leichten Arbeiten im Sitzen mindestens 20 Grad Raumtemperatur sein. In Pausen- und Bereitschaftsräumen sind mindesten 21 Grad vorgesehen. Die EU-Kommission hat zuletzt vorgeschlagen, diese Mindesttemperatur auf 19 Grad zu senken.

"Wenn es im Büro eiszapfenkalt wird, dann diene es ja auch dem Arbeitsschutz, wenn man die Leute heim schickt", stellt der Verhaltensökonom Matthias Sutter fest. Er ist Direktor vom Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn und sieht das Thema Wärme wirklich als allerletztes Argument für Homeoffice: "Auf die Wärme würde ich als Firma wirklich nur dann erst eingehen, wenn der Gashahn für die Firma zugedreht ist."

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