Den Nord-Ostsee-Kanal komplett um einen Meter vertiefen, den Infrastruktur-Ausbau insgesamt vereinfachen oder die Hafengebühren der deutschen Containerhäfen mit Blick auf die Transhipment-Rabatte in Rotterdam überprüfen: Das sind unter anderem Forderungen, die die IHK Nord – der Zusammenschluss der zwölf norddeutschen Industrie- und Handelskammern – gegenüber Politik stellt. Hintergrund des IHK-Nord-Strategiepapiers ist insbesondere eine Ladungs-Abwanderung aus den beiden größten Seehäfen Hamburg und Bremerhaven in Richtung Rotterdam in den Niederlanden und ins belgische Antwerpen.
Ein Teil der Forderungen – etwa die Vertiefung des Nord-Ostsee-Kanals (NOK) – ist bereits im Maßnahmenkatalog der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) in Kiel berücksichtigt: Allerdings könnte die erst beginnen, wenn elf Kilometer der sogenannten 18 Kilometer langen Oststrecke verbreitert und Kurven entschärft sind. Mitte 2019 soll damit begonnen werden. Die WSV rechnet insgesamt für diese Maßnahme mit einem Zeitraum von zehn Jahren, erst danach könnte mit der Vertiefung begonnen werden.
„Genau weil es noch so lange dauern soll, haben wir solche Forderungen mit aufgenommen“, sagt Ullrich Hautau von der Handelskammer Bremen, Autor des IHK-Nord-Strategiepapiers. „Wir haben die Hoffnung, dass eventuell doch noch Bewegung reinkommt und Maßnahmen ergriffen werden, um das Projekt von der Umsetzung her zu beschleunigen.“ Ein bisschen mehr Tempo wäre insgesamt gut bei der Realisierung von Infrastrukturmaßnahmen.
Schnell verabschiedet werden
Insofern sei der aktuelle Bundesregierungs-Entwurf eines Planungs- und Baubeschleunigungsgesetzes der richtige Weg. Jetzt müsse das Ganze nur auch schnell verabschiedet werden, so Hautau. Die IHK Nord habe das Gesetz bereits vor über einem Jahr mit Blick auf die Bundestagswahl gefordert.
Hintergrund des Strategiepapiers sind Marktverschiebungen zuungunsten der beiden größten deutschen Seehäfen. Besonders beim Containerumschlag verzeichnen Bremerhaven und Hamburg Rückgänge, während die Konkurrenz in den Westhäfen Rotterdam und Antwerpen nach Einschätzung der IHK Nord davonzieht.
In Hamburg erreichte der Containerumschlag 2014 mit 9,7 Millionen Standardcontainern (TEU) seinen bisherigen Höhepunkt. In Bremerhaven gab es zwei Jahre zuvor einen historischen Rekordumschlag von 6,1 Millionen TEU. Seitdem gibt es einen Abwärtstrend in beiden Häfen: 2017 lag der Umschlag in Hamburg bei 8,8 Millionen TEU; in Bremerhaven waren es 5,5 Millionen TEU. Diese Rückgänge konnte auch der Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven bei Weitem nicht kompensieren: Der Umschlag stieg zwar, aber 2017 lag er auch nur bei 554 000 TEU (2013: 67 000 TEU). Rotterdam verbuchte dagegen zwischen 2014 und 2017 ein Wachstum von 12,3 auf 13,7 Millionen TEU. In Antwerpen ging es von neun auf 10,5 Millionen TEU.
Die Verluste der Marktanteile seien vor allem mit Einbrüchen im Transhipment-Geschäft – dem Umschlag von Seeverkehrsgütern von großen auf kleinere Schiffe – in die Ostsee zu erklären. In Bremerhaven wurden 2012 noch 3,9 Millionen TEU an Transhipment gezählt, 2017 waren es noch drei Millionen TEU. Der Hamburger Hafen verzeichnete 2014 mehr als vier Millionen TEU gegenüber 3,2 Millionen TEU im vergangenen Jahr. Das Gros der verlorenen Ladung wanderte in die Westhäfen Rotterdam und Antwerpen ab.
In diesem Zusammenhang spielt der Nord-Ostsee-Kanal eine wichtige Rolle: Eigentlich bietet er den deutschen Nordseehäfen einen großen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Westhäfen. Denn er verkürzt die Reise zum Beispiel von Bremerhaven nach St. Petersburg um 248 Seemeilen. Schiffe von Rotterdam sparen hingegen nur 182 Seemeilen im Vergleich zur Route um Dänemark. Insofern sei der Ausbau des NOK samt Schleusen-Sanierungen dringender denn je, so Hautau. Ansonsten verliere der ursprüngliche Wettbewerbsvorteil durch die Kanaldurchfahrt immer weiter an Bedeutung.
Aber auch die deutschen Ostseehäfen mit ihren Fähr- und RoRo-Verbindungen sowie Projektladungsverkehren stünden immer stärker im Wettbewerb – beispielsweise mit den polnischen Hafenkomplexen in Gdynia (Danzig), so die IHK Nord. Dort soll die Infrastruktur sowohl see- als auch landseitig massiv ausgebaut werden.
Auch Ocean Alliance in Fernost-Europa-Fahrpläne aufgenommen
Zudem würden auch Hamburg und Bremerhaven Transhipment-Ladung an den polnischen Hafen verlieren: So hat neben der 2M-Allianz derzeit auch die Ocean Alliance Danzig in die Fernost-Europa-Fahrpläne aufgenommen, wodurch für deutsche Terminals bis zu vier Anläufe entfallen.
Es muss laut IHK Nord aber auch noch an anderen Stellschrauben gedreht werden, um die Wettbewerbsposition der deutschen Häfen zu stärken: So gewähre beispielsweise Rotterdam viel höhere Rabatte für jeden beladenen Transhipment-Container als Hamburg. Bremerhaven gebe gar keine Feeder-Rabatte auf die Hafengebühren.
Außerdem kann die Einfuhrumsatzsteuer in den Niederlanden direkt mit der Vorsteuer verrechnet werden. In Deutschland muss sie von der Logistikwirtschaft zum Teil vorfinanziert werden, „was zu einem erheblichen Liquiditätsnachteil führt“. Das müsse sich ändern. Europarechtlich wäre laut IHK Nord eine Angleichung des deutschen Verfahrens möglich.