Die Ampel springt auf Grün. Also drückt Enrico Eichler aufs Gaspedal. Sein Lastwagen zieht sofort zügig an, und zwar recht geräuschlos. Im Tank liefert nicht Dieselkraftstoff die Energie. Eichlers Brummi fährt mit Wasserstoff. "Man kommt schneller weg. Der lässt so manches Auto auf der Strecke stehen", sagt Eichler zum Tempo des Fahrzeugs. Wasserdampf sei zwischendurch zu sehen. Aber sonst? Abgase? Motorenlärm? All das gebe es hier nicht.
Eichler arbeitet als Fahrer für Enginius. Das Unternehmen produziert in Bremen Wasserstoffmüllfahrzeuge. Das Werk liegt etwas versteckt in einem Gewerbegebiet beim Weserpark. Vor seiner Stelle bei Enginius war Eichler mit einem herkömmlichen Müllwagen unterwegs. Jetzt wirkt er am Ziel mit, saubere Fahrzeuge für einen klimaneutralen Lastverkehr herzustellen.
Das 100. Exemplar des Wasserstoffmüllfahrzeugs namens Bluepower hat das Team nun übergeben – und es sollen noch viel mehr werden. Wie viele Emissionen durch diese Flotte bereits wegfallen? 15 Tonnen Kohlenstoffdioxid pro Tag. Das rechnet Geschäftsführer Thorsten Baumeister vor.
Welche Erfahrungen machen die Kunden?
Es dürfte kein Zufall sein, dass das 100. Wasserstoffmüllfahrzeug ins Ruhrgebiet geht: an die Wirtschaftsbetriebe Duisburg. Der Entsorgungsdienstleister setzte bereits als erster Kunde auf die Technik aus dem Norden. Ihr Unternehmen sei ein Vorreiter bei den Alternativen, sagen Mirco Wagner und Angelo Lombardo bei der Übergabefeier. Aus Finnland, Portugal und Spanien erreichten sie gar Anfragen: Wie läuft es mit den Wasserstofffahrzeugen bei euch?
Insgesamt sind 750 Fahrzeuge für die Wirtschaftsbetriebe Duisburg unterwegs. Davon laufen bald sechs Abfallsammler mit der Brennstoffzellentechnologie aus Bremen. "Das Ziel ist natürlich, die Flotte auf alternative Antriebe umzustellen", sagt Lombardo. Das gehe jedoch nur Schritt für Schritt. "Wir werden dafür noch ein paar Jahre benötigen." Fahrzeuge mit Batterieantrieb kaufen? Das sei im großen Stil schwierig, wenn plötzlich viele Lastwagen zeitgleich laden müssten.
Andere Hersteller setzen derweil durchaus auf Batterien auch bei Nutzfahrzeugen. Denn einen großen Nachteil hat der Wasserstoff: Für seine Herstellung ist viel Strom notwendig. Das sorgt am Ende für Einbußen beim Wirkungsgrad. Die Reichweite eines Bluepower liegt dabei je nach Einsatzart nach Unternehmensangaben bei etwa 250 Kilometern. Generell entwickelt Enginius Fahrzeuge für die kurze bis mittellange Distanz. Dazu sollen künftig auch stärker Lieferfahrzeuge gehören.
Wie steht es um die Pläne für ein neues Werk?
Enginius hat viel vor: 900 Arbeitsplätze sind angedacht, wenn sich alles optimal entwickelt. Das Unternehmen sucht einen Standort für ein neues Werk. Niedersachsen und Bremen sind im Rennen. Wann die neue Fabrik kommt? Das hängt laut Geschäftsführer Baumeister jedoch vom Produktionsvolumen ab. "Dafür müssen die Kunden natürlich noch weiter bei uns Fahrzeuge bestellen", sagt der Manager. Die Nachfrage in den nächsten beiden Jahren sei entscheidend: "Nur wenn wir da stabil aufgestellt sind, können wir den nächsten Schritt gehen."
Das Interesse Bremens ist groß, den Schritt mit Enginius gemeinsam zu machen – also das neue Werk hier zu halten. "Die Gespräche laufen sehr gut. Wir haben Angebote dazu gemacht. Und von der Politik sind ganz klare Signale gesendet geworden", sagt der Chef der Wirtschaftsförderung Bremen Andreas Heyer. "Wir wollen das gerne begleiten."
Wo sind die Fahrzeuge unterwegs?
Von Enginius sind Wasserstofffahrzeuge neben Duisburg auch in Berlin und Bochum unterwegs. In Hamburg und Hannover gibt es ebenfalls welche, genauso ein Fahrzeug in Osterholz-Scharmbeck, wo die Gruppe Faun sitzt, zu der Enginius gehört. "In Bremen haben wir zurzeit tatsächlich noch kein Fahrzeug am Start", sagt Baumeister. Gespräche gebe es jedoch, unter anderem mit Nehlsen.
Das Interesse sei groß. Ihre Fahrzeuge könnten heute allerdings in erster Linie dann gekauft werden, wenn es entsprechende Fördertöpfe für die Kunden gebe. Das bestätigen die beiden Duisburger Unternehmenschefs. Ob weitere Aufträge an Enginius gegangen seien? Wagner und Lombardo berichten von Plänen fürs kommende Jahr, die jedoch von Förderungen abhängig seien. Die Wasserstoffmüllfahrzeuge seien schließlich um ein Drei- bis Vierfaches teurer – von um die 700.000 bis 800.000 Euro berichten sie. Darum gehe es nicht ohne Unterstützung.
Wie ist Enginius vor Ort aufgestellt?
Um die 100 Beschäftigte sind derzeit für das Werk von Enginius tätig. Das Team ist jung. Produktionsleiter Thorsten Pfohl denkt, dass die Beschäftigten vor allem wegen der Materie selbst gerne dabei sind: "Die Kollegen haben die Chance, einer Technologie nach vorne zu verhelfen – und von Anfang an dabei zu sein." Vor Ort entstünden die nächsten Prototypen. Thorsten Baumeister sieht das Potenzial, "ein ganz großes Rad zu drehen" mit Blick auf die Verkehrswende und den Klimaschutz. Dabei setzt Enginius ganz auf Wasserstoff – also auf Blau. Je mehr Fahrzeuge auf der Straße seien, desto eher bewegten sich die Wasserstoffpreise in die richtige Richtung. Die Fahrzeuge seien dann auch wettbewerbsfähig gegenüber Verbrennern.
Zur Übergabefeier kam auch Staatssekretär Hartmut Höppner vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr. Die Bremer produzierten deutlich umwelt- und klimafreundlichere Müllfahrzeuge. Das sorge auch für mehr Lebensqualität in den Städten. Enginius zeige in der Praxis, dass Wasserstoff eine "echte Alternative" für Nutzfahrzeuge sei. "Ihre Fahrzeuge sind Botschafter des Klimaschutzes und der Zuversicht", lobt der Staatssekretär. "Sie sagen uns: Wir schaffen das!"