Die Zukunft des Schwerlastverkehrs kommt auf leisen Sohlen daher. Beim Anfahren schnurrt der 27-Tonner wie ein Golfcart auf dem Weg zum ersten Loch. "Man hört praktisch nichts, oder?" Patrick Hermanspann ist zufrieden mit seiner kleinen Demonstration: Geht es nach dem Chef des Spezialfahrzeugbauers Faun, fahren Laster künftig elektrisch. Und mit Wasserstoff statt Diesel im Tank. Dafür will Faun im Raum Bremen ein ganz neues Werk mit mehr als 900 Arbeitsplätzen bauen.
Einstweilen ereignet sich die Revolution im Straßentransport noch in einem unscheinbaren Gewerbegebiet in der Nähe des Weserparks. Kein Firmenschild deutet am Ende der Straße darauf hin, dass hier an der großen "Verkehrswende" gearbeitet wird, die sich die Berliner Ampelkoalition fest vorgenommen hat. Die Markierungen auf dem Firmenparkplatz sind provisorisch; im Bürogebäude fehlt der Empfangstresen. Es musste schnell gehen, als Hermanspanns Leute im November vergangenen Jahres hier einzogen. "Eigentlich sind wir ja noch ein Start-up", sagt der Unternehmenschef entschuldigend und muss dabei selbst ein wenig grinsen. Denn mit 2000 Beschäftigten und Werken in der ganzen Welt ist Faun keine Bastelbude in einer Hinterhofgarage mehr; die Müllfahrzeuge, die am Hauptsitz der Firma in Osterholz-Scharmbeck gebaut werden, sind bei Entsorgungsbetrieben in ganz Deutschland im Einsatz.
Die blaue Kraft des Wasserstoffs
Aber mit dem Geschäftsfeld "Bluepower" betritt Faun in seinem Bremer Zweigwerk tatsächlich Neuland. Die blaue Kraft des Wasserstoffs soll künftig den Lastverkehr antreiben; der Diesel-Lkw hat ausgedient, davon ist Hermanspann überzeugt: "Unser Ziel ist der klimaneutrale Lastverkehr", erklärt er. "Dafür müssen wir weg von den fossilen Brennstoffen." Was allerdings leichter gesagt als getan ist. Während die meisten Pkw-Hersteller in Zukunft auf Elektromotor und Batterie setzen, ist die Sache bei einem schwer beladenen Lkw mit ein paar hundert PS unter der Haube etwas komplizierter: Die Batterie müsste ziemlich groß ausfallen, damit der Brummi nicht ins Schnaufen gerät. "Das ginge dann natürlich zulasten der Nutzlast", erklärt Hermanspann. Ein Lkw, der nur die eigene Batterie transportiert, würde seinen Zweck verfehlen.
Bei Faun geht man deshalb einen anderen Weg. Dieser beginnt mit einem nackten Lkw-Fahrgestell, von dem auf dem Werkshof bereits ein gutes Dutzend geparkt ist. Die Chassis tragen den Mercedes-Stern auf dem Kühlergrill und werden auch in einem großen Daimler-Werk in Wörth am Rhein gebaut – aber ohne Motor und Getriebe. Für die Antriebstechnik sorgt Faun in seinem Bremer Werk.
In der Montagehalle stehen die ersten Lkw mit abgeklappter Fahrerkabine, die den Blick auf das komplizierte Innenleben freigibt: Herzstück ist der Elektromotor, der den Truck mit derselben Power wie sein Diesel-Pendant vorantreiben soll. Den Großteil des benötigten Stroms erzeugen drei Brennstoffzellen, die hinter der Fahrerkabine ans Chassis montiert werden und rein äußerlich betrachtet auch ein Werkzeugkasten sein könnten. Dass im Inneren der schwarzen Boxen kleine chemische Wunder passieren und aus Wasserstoff und Luft 90 Kilowatt Strom entstehen, sieht man ihnen jedenfalls nicht an.
700 bar Druck auf den Tanks
Den Brennstoff liefern die Wasserstofftanks gegenüber. Auch ihnen merkt man ihr kleines Geheimnis nicht sofort an: Sie stehen gehörig unter Druck. 700 bar müssen die Spezialbehälter aushalten, damit genug von dem Gas hineingepresst werden kann. Je nach Ausführung fassen die Tanks zusammen 16 oder 32 Kilogramm Wasserstoff. "32 Kilogramm reichen für 400 Kilometer Fahrstrecke", rechnet Hermanspann vor.
Und hier liegt das Problem: Abgesehen davon, dass Wasserstoff vorerst nur an wenigen Tankstellen zur Verfügung steht, ist er auch noch teuer – so teuer, dass 100 Kilometer unter Strom aus der Brennstoffzelle ungefähr das Anderthalbfache kosten wie dieselbe Strecke mit Diesel im Tank. Und auch die handgefertigten Wasserstoff-Trucks selbst können preislich mit der Fließbandware in Verbrennertechnik nicht mithalten: Ein Fahrzeug kostet ungefähr dreimal so viel.
Aber das wird sich ändern, versichert Hermanspann: "Die herkömmliche Lkw-Produktion ist technisch ausgeknautscht, bei der Brennstoffzelle stehen wir aber noch ganz am Anfang." Wenn die Stückzahlen steigen und die Produktion besser getaktet wird, werden die Kosten sinken, prophezeit er. Und auch der Wasserstoff selbst werde – in großen Mengen mit kostenloser Wind- und Sonnenenergie produziert – günstiger sein als der immer höher besteuerte Diesel. "Wir werden grünen Wasserstoff sicherlich in großen Mengen importieren müssen", räumt er ein. "Aber das müssen wir beim Rohöl ja auch."
Suche nach größerem Werksgelände
Deshalb hat der Faun-Chef große Pläne. In diesem Jahr sollen 100 Lkw in dem Bremer Werk mit Wasserstoffantrieben ausgerüstet werden – vor allem Müllwagen, aber auch mittelgroße Lkw. In ein paar Jahren sollen es bereits 5000 Fahrzeuge jährlich sein. Dafür wird das Provisorium am Weserpark dann schon wieder zu klein sein: Hermanspann sucht gerade ein neues Gewerbegrundstück im Bremer Raum, 120.000 Quadratmeter mit Erweiterungsmöglichkeit. Und gute Leute kann er auch gebrauchen: In dem geplanten Werk sollen mindestens 900 Jobs entstehen.