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Unterschiede der Regionen Warum die Milchpreise gestiegen sind – gerade für Landwirte im Norden

An die 60 Cent bekommen Landwirte im Norden derzeit für die Milch. Der Unterschied zur Biomilch schrumpft. Welche Auswirkungen hat der Anstieg auf Produkte im Supermarkt? Und wie geht es mit den Preisen weiter?
25.07.2022, 14:04 Uhr
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Warum die Milchpreise gestiegen sind – gerade für Landwirte im Norden
Von Lisa Schröder

Die Milchpreise steigen rasant – das bekommen die Verbraucher in den Supermärkten seit Wochen zu spüren. Weil Verträge der Molkereien mit dem Lebensmitteleinzelhandel oft lang sind, könnten weitere Erhöhungen der Preise im Supermarkt noch ausstehen. Besonders im Norden bekamen Landwirte von den Molkereien zuletzt mehr für ihre Milch. Aktuell beträgt der Auszahlungspreis des Deutschen Milchkontors (DMK) mit Sitz in Bremen im Schnitt 56 Cent pro Kilogramm Milch. Das sind rund 20 Cent mehr als vor einem Jahr. Vera Hassenpflug vom DMK erklärt, dass der höhere Milchpreis für die Landwirte "unbedingt notwendig" sei. Denn den Betrieben müsse bei allen Unsicherheiten Stabilität gegeben werden, um damit auch eine zuverlässige Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln sicherzustellen.

Verschiedene Faktoren treiben den Milchpreis in die Höhe. Die Landwirtschaft träfen aktuell laut der Sprecherin des DMK vor allem die höheren Kosten für Futter- und Düngemittel sowie für die Energie. Unterbrechungen der Lieferketten bei Agrarerzeugnissen, Dünger, Verpackungsmaterial und den Rohstoffen müssten abgefangen werden. Zugleich sei das Angebot an Milch ab der zweiten Jahreshälfte 2021 bei weiter guter Nachfrage zurückgegangen – in Deutschland und auf der ganzen Welt.

Aldi-Preise als Indikator

Preisanpassungen beim Discounter Aldi sind ein Indikator dafür, wohin sich Lebensmittelpreise entwickeln. Anfang des Monats hat das Unternehmen die Milchpreise erhöht. So kostet der Liter Vollmilch der Eigenmarke Milsani aktuell 1,09 Euro – 17 Cent mehr als zuvor. Die Biomilch mit 1,5 Prozent Fett stieg um 54 Cent auf 1,59 Euro. Edeka kündigte im Juli ebenfalls Preisanpassungen für einige Milch- und Molkereiprodukte an. Der Liter Biomilch der Eigenmarke mit 3,8 Prozent Fett kostete in mindestens zwei Märkten in Niedersachsen nun 1,69 Euro – eine generelle Anpassung gibt es aber nicht. Die Preisgestaltung obliege den selbstständigen Kaufleuten, deshalb könnten keine pauschalen Angaben über aktuelle Preise in den Märkten gemacht werden, teilt eine Unternehmenssprecherin von Edeka Minden-Hannover mit. Das Deutsche Milchkontor hat in den vergangenen Monaten ebenfalls Preiserhöhungen gegenüber dem Handel durchsetzen können. Es gehe dabei darum, Kostenanstiege auf den Höfen als auch auf der Verarbeitungsseite kompensieren zu können, sagt die Sprecherin der Genossenschaft.

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Von einer "sehr außergewöhnlichen Situation", berichtet Lars Schildwach, Geschäftsleiter bei der Molkerei Ammerland, auch mit Blick auf die Segmente. Derzeit zahlt die Molkerei den Landwirten für konventionelle Milch 56 Cent. Für Weidenmilch (57,5 Cent) und Biomilch (58 Cent) gibt es nur unwesentlich mehr Geld. In einem Edeka in der Region kostete die Biomilch von Ammerländer mit 3,8 Prozent Fett derzeit 1,89 Euro. Die Biomilch von Dehlwes mit diesem Fettgehalt rangiert bei 1,49 Euro.

Aus Schildwachs Sicht zeigen sich derzeit die Folgen eines Strukturwandels. Insgesamt schrumpfe die Milchproduktion, die Zeiten des Überangebots auf der Welt seien vorbei. "Viele Milchbauern haben ihre Höfe aufgegeben", konstatiert er für Deutschland. Es fehle an Nachfolgern, weil die Arbeit auf dem Hof – mit Zeiten fast rund um die Uhr – unattraktiv sei. Was noch hinzukomme: Die Milchpreise seien in der Vergangenheit zu niedrig gewesen, um einen Fortbestand der Höfe zu sichern. Die Molkerei erwartet angesichts dieser Entwicklungen, dass die "Milchpreise nicht mehr zu ihren alten, niedrigen Werten zurückkehren". Alle Prognosen gingen zudem davon aus, dass die weltweite Milchnachfrage steige.

Langfristige Verträge mit dem Handel

Das Kieler Institut für Ernährungswirtschaft (IFE) beschäftigt sich intensiv mit den Milchpreisen. In Norddeutschland hätten Molkereien für Juni mehrheitlich mehr als 50 Cent je Kilogramm Rohmilch an ihre Landwirte als Grundpreis ausgezahlt. "Die ersten Molkereien liegen bereits bei 58 Cent", beobachtet Henrike Burchardi vom IFE. Das Institut geht weiter von einem höheren Grundpreis aus: "Für die kommenden Monate erwarten wir derzeit ein Niveau von 55 bis 60 Cent je Kilogramm Rohmilch."

Für den Endkunden sind Preisentwicklungen bei den Herstellern oft nicht gleich erkennbar. Denn es gibt mit dem Lebensmittelhandel durchaus längere Verträge. Für Käse und Milch schließt die Molkerei Ammerland etwa Kontrakte über sechs Monate ab. So könne es kurzfristig zu riesigen Preissprüngen kommen. Für Verbraucher sei das dann teils "schockierend", sagt Schildwach. Die Molkerei hat ihre Preise gegenüber dem Handel ebenfalls angehoben: im Vergleich zum Vorjahr bei Butter um 75 Prozent und bei Käse um 65 Prozent.

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Die teureren und rareren Futtermittel bremsen auf den Höfen laut DMK derzeit weiter die Milchproduktion – das zeichne sich ab. Selbst die Hitze hat Auswirkungen. "Die aktuell hohen Temperaturen dürften sich zusätzlich dämpfend auf das Milchaufkommen auswirken, da die Kühe dann natürlicherweise weniger Milch geben", sagt Sprecherin Hassenpflug.

"Umbrüche schwersten Ausmaßes"

Im Moment spricht auch die wenig ausgeprägte Investitionsbereitschaft der Bauern gegen einen Ausbau des Angebots. In der Vergangenheit hätten hohe Milchpreise schon um die 40 Cent pro Kilogramm zu einer schnellen Produktionsausweitung geführt, sagt Hassenpflug. "Augenfällig ist, dass selbst bei den historisch hohen Milchpreisen die Landwirte nicht in eine Ausdehnung ihrer Produktion investieren." Die Zeiten sind der DMK-Sprecherin zufolge herausfordernd: "Wir erleben derzeit auch als Genossenschaft gleich auf mehreren Schauplätzen Umbrüche schwersten Ausmaßes." Diese hätten enorme Auswirkungen auf Rohstoffströme, Verfügbarkeiten und die Preise.

Zuletzt erzielten Landwirte im Norden höhere Milchpreise. Eigentlich bekommen die Bauern im Süden oft einige Cent mehr. "Selten waren die regionalen Unterschiede zwischen den Auszahlungspreisen der Molkereien so groß wie in diesem Jahr", schreibt dazu das Fachmagazin "Agrar Heute". Der Unterschied liegt an den Produkten. "Je weiter man in Deutschland in den Norden kommt, desto mehr Basisprodukte wie Magermilchpulver oder Butter werden hergestellt", erklärt Hassenpflug. Diese Produkte reagierten schneller auf den Markt – auch aufgrund der Verträge etwa mit der Industrie.

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