Das Aus für den Verbrenner rückt näher – mit Folgen auch für viele Zulieferer der Automobilindustrie. In dieser Woche hat das Parlament der Europäischen Union beschlossen, dass der Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotoren ab dem Jahr 2035 verboten werden soll. Was bedeutet dieser Abschied?
"Für Zulieferer ist es natürlich problematisch, wenn das Geschäft bisher allein auf dem Verbrenner beruht", sagt Stefanie Gebhardt von der IG Metall Bremen. Wenn diese Unternehmen nicht Alternativprodukte entwickelten, stehe die Existenz eines Standorts infrage – und damit auch die Beschäftigung. Die Konzentration auf Abgastechnologien sei heute ein hohes Risiko.
Und wie steht es um die Zulieferer hier? "Wenn ich auf Bremen blicke, dann sehe ich wegen des Umstiegs auf die E-Mobilität keine massiven Probleme. Wir haben keinen Schwerpunkt bei der Verbrennertechnologie", sagt die Gewerkschaftssekretärin. Die Lieferanten in Bremen seien dagegen beispielsweise auf die Innenausstattung der Fahrzeuge oder den Rohbau sowie Logistikprozesse spezialisiert. Für die Mehrzahl der Zulieferer bringe der Abschied vom Verbrenner somit keine Veränderung, wenngleich es auch hier in der Region Unternehmen gebe, die nun unter Druck stünden. In Achim sitzt zum Beispiel BAA – Boysen Abgassysteme Achim GmbH & Co. KG. Das Unternehmen fertigt heute Komponenten und komplette Abgasanlagen für das Werk von Mercedes.
Auch ein Viertel des Geschäfts des Zulieferers ZF Friedrichshafen hängt am Verbrenner – etwa die Getriebeherstellung. Für die Werke im Norden rechnet man hier jedoch wegen des drohenden Verbots der EU mit schwacher bis gar keiner Betroffenheit. Das teilte ein Sprecher dem WESER-KURIER mit. In Niedersachsen werden Fahrwerkteile unabhängig von der Antriebstechnologie erstellt. Und in Bremen gibt es nur noch einen Logistikstandort.
Der Zulieferer ZF hatte das Aus bis 2035 zwar grundsätzlich erwartet, aber auf einen anderen Ausgang gehofft. Auf Sicht von Gebhardt kommt das Verbot ebenfalls nicht völlig überraschend. "Ich denke, die Klarheit gibt es schon lange, dass es eine Umstellung auf die Elektromobilität geben wird. Jetzt wird es mit dem Ausstiegsdatum nur konkreter."
Eine Option für manchen Zulieferer hätten sicher sogenannte E-Fuels sein können. Für die aber sieht der Beschluss, dem die Mitgliedstaaten noch zustimmen müssen, keine Ausnahmen vor. Wenn Zulieferer jetzt noch immer kein alternatives Geschäftsfeld zum Verbrennungsmotor hätten, stünden sie nach der E-Fuel-Entscheidung mit dem Rücken zur Wand, konstatiert Autoexperte Stefan Bratzel. „Ich gehe davon aus, dass Zulieferer ihre Produktion von Komponenten für den Verbrennungsmotor noch deutlich vor dem Jahr 2035 in Europa einstellen werden“, zitiert das "Handelsblatt" den Direktor des Center of Automotive Management der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach.
In Bremen gibt es auch einen Standort von TI Fluid Systems. Der Konzern mit Hauptsitz in Großbritannien ist auf die Herstellung von Kraftstofftanks und -pumpen sowie Brems- und Kraftstoffleitungen spezialisiert. "Es ist kein Geheimnis, dass der Verbrennungsmotor in Europa und weltweit ausläuft", sagt der Chef von TI Fluid Systems Hans Dieltjens dieser Zeitung. "Wir haben schon früh erkannt, dass dies eine Chance für unser Unternehmen darstellt." Seit Jahren investiere man in Technologien für E-Fahrzeuge. In Rastatt hat TI Fluid Systems vor Kurzem ein Innovationszentrum für E-Mobilität eröffent.
Und die Hersteller? „Im Prinzip begrüßen wir die Entscheidung. Bis 2030 sind wir bereit, überall dort vollelektrisch zu werden, wo es die Marktbedingungen zulassen", sagte der Leiter des Bereichs Außenbeziehungen Eckart von Klaeden von Mercedes zum Beschluss. Der nehme die Politik aber auch in die Pflicht, für die erforderliche Infrastruktur zu sorgen.
"100 Prozent Elektrofahrzeuge"
Auf einer Linie mit den Verbrennern werden am Bremer Standort Alternativen gebaut. "Durch unsere vollflexible und digitale Produktion im Werk Bremen können wir direkt auf die Kundennachfrage reagieren", so eine Sprecherin. Schon heute sei man in der Lage, "bis zu 100 Prozent Elektrofahrzeuge auf der Linie zu produzieren". Standortleiter Michael Frieß machte unlängst deutlich, dass er die Arbeitsplätze in Bremen nicht in Gefahr sieht, weil die Flotte von Mercedes zunehmend elektrischer wird. "Für uns ist das keine große Veränderung. Wir bauen ja bereits jetzt schon elektrisch.“
Wie geht es den Lieferanten in Bremen aktuell? Gerade im vergangenen Jahr machte die Kurzarbeit bei Mercedes vielen Zulieferern und Logistikern zu schaffen. In diesem Jahr gab es erneut einen Engpass bei den Chips und wieder Kurzarbeit im Werk. "Es sind zwar dramatische Einschnitte gewesen", sagt Expertin Gebhardt von der IG Metall Bremen. "Die Zulieferer sind deshalb aber nicht in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht." Wenn es jedoch bei Mercedes keine Produktion gebe, dann hätten auch Zulieferer und Logistiker in der Regel keine Arbeit.