Ein Hamburger Hotel unternimmt gerade ein Experiment: Die Mitarbeiter in den beiden Häusern von "25 Hours" können ihre Wochenarbeitszeit seit diesem Monat auf vier Tage verteilen. Hintergrund ist der Fachkräftemangel, das Hotel will mit der Viertagewoche Beschäftigte gewinnen. Bundesweit ist dieses Modell bisher noch eine Ausnahme.
Restaurants und Hotels seien in besonderem Maße bereit, auf die Wünsche der Mitarbeiter einzugehen: So schätzt der Bremer Hotelier Detlef Pauls die Situation ein. "Wir haben im Moment einen Arbeitnehmermarkt", sagt der Landesverbandspräsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga). Schon länger sei in der Branche für bestimmte Bereiche darum die Viertagewoche im Gespräch. Gerade für Familien könne es sinnvoll sein, einen Tag in der Woche mehr freizuhaben: "Das ist das, was die Menschen wollen."
Die Gastronomen seien teils dankbar, sagt Pauls, überhaupt Personal zu finden. Aus seiner Sicht muss zunächst das Arbeitszeitgesetz in Deutschland reformiert werden, um für die Viertagewoche mehr Spielraum zu bieten. Bisher sei es zum Beispiel nicht möglich, dass Mitarbeiter regelmäßig eine Zehn-Stunden-Schicht übernehmen. Um eine Vollzeitstelle zu halten, sei es aber notwendig, an den vier Arbeitstagen entsprechend mehr Stunden zu leisten, so sieht es Pauls.
In ihrem Sondierungspapier für einen Koalitionsvertrag auf Bundesebene haben SPD, Grüne und FDP angekündigt, Unternehmen und Gewerkschaften dabei zu unterstützen, flexible Arbeitszeitmodelle zu ermöglichen. Passieren soll dies auf Basis von Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen. In Bezug auf eine veränderte Tageshöchstarbeitszeit ist von "Experimentierräumen" die Rede.
Was diesem Versprechen schließlich folgen wird, das beobachtet Cornelius Neumann-Redlin, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände im Lande Bremen, genau. Er sagt: "Ich glaube es erst, wenn es so weit ist." Schon zuvor habe es eine solche Zusage einer Koalition gegeben, aber es sei dann nichts passiert. Gegen die Viertagewoche sprechen aus seiner Sicht mehrere Gründe. Einerseits werde damit in Zeiten des Fachkräftemangels für eine weitere Verknappung von Arbeitskraft gesorgt. Und zugleich stiegen die Arbeitskosten damit für die Unternehmen weiter an. Neumann-Redlin kennt in Bremen auch keinen Betrieb, der derzeit eine Viertagewoche praktiziert.
Vielleicht in der IT in der Hansestadt? Team Neusta gehört hier zu den größten Unternehmen der Branche. "Wir setzen unter anderem auf Vertrauensarbeitszeit, Wechselmodelle und andere flexible Angebote", sagt Geschäftsführer Heinz Kierchhoff. Flexibilität sei ein wichtiger Faktor, damit die Mitarbeiter Beruf, Familie und Privatleben besser miteinander vereinbaren könnten. Das Thema Viertagewoche adressiert allerdings keines der 25 Unternehmen der Gruppe.
Mercedes bietet ebenfalls, wo dies möglich ist, verschiedene Optionen an. Die Arbeitszeit bei Teilzeit kann laut einer Sprecherin auf einen bis fünf Tage verteilt werden – auch mit unterschiedlicher Stundenzahl. Es gibt die Möglichkeit der Blockteilzeit und des Jobsharings. Zwei Kollegen teilen sich dabei einen Arbeitsplatz. Die Viertagewoche taucht bei dem Konzern dagegen nicht als Modell auf. Im neuen Tarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie ist sie zwar eine Option, allerdings auf bestimmte Zeit für in Schwierigkeiten geratene Betriebe.
Derweil zeigte eine umfangreiche Untersuchung in Island unlängst, dass die Zufriedenheit der Beschäftigten bei einer Viertagewoche steigt. Im Auftrag der Regierung arbeiteten mehr als 2000 Isländer weniger – und das ohne Lohneinbußen. "Die Produktivität und die erbrachte Leistung blieben gleich oder verbesserten sich sogar bei den meisten Versuchsarbeitsplätzen“, heißt es in der Studie. Nach Einschätzung des Wissenschaftlers Jack Kellam, der die Studie ausgewertet hat, könnte eine solche Viertagewoche auch in Deutschland funktionieren. Diese sei aber "nur eine von vielen Lösungen, wenn es darum geht, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu entlasten", sagte er der Wochenzeitung "Die Zeit".
Wenn das Projekt bei "25 Hours" erfolgreich ist, soll ab 2022 in allen Häusern die Viertagewoche möglich sein, ob in Florenz, Köln oder Paris. An den vier Tagen arbeiten Beschäftigte im Service oder der Küche der Hamburger Hotels nun neun Stunden. Eine interne Umfrage habe ergeben, dass sich mehr als 40 Prozent der Mitarbeiter vor allem eine Veränderung ihrer Arbeitszeit wünschten und gerne mehr Freizeit hätten, sagte Personalchefin Kathrin Gollubits: "Dem möchten wir mit dem neuen Arbeitszeitmodell Rechnung tragen." Die Personalgewinnung sei derzeit so schwierig wie nie. Fast jede dritte Stelle in der Gruppe, 150 Positionen, war Ende September nicht besetzt. Zudem gehe es auch darum, sich mit den Ansprüchen einer neuen Generation von Stellensuchenden auseinanderzusetzen.
"Gerade bei jungen Menschen hat die Work-Life-Balance eine höhere Priorität als früher. Daher ist die Flexibilisierung der Arbeitszeit ein wichtiger Faktor bei der Fachkräftegewinnung", sagt auch Kai Stührenberg, Bremer Staatsrat für Arbeit. Die Untersuchung in Island zeige, dass die Produktivität durch eine Viertagewoche nicht leide, sondern teils sogar steige. "Weniger Stunden sind im Interesse der Beschäftigten und schaffen auch die Möglichkeiten für mehr Menschen, Arbeit zu haben. Sie erhöhen auch die Gesundheit der Beschäftigten und die Arbeitszufriedenheit." Jedoch müsse genau geschaut werden, wo das Modell passt. Die Geschäftsführerin der Bremer Arbeitnehmerkammer, Elke Heyduck, sieht es ähnlich. Es gebe grundsätzlich nicht das eine Modell für alle Unternehmen, sagt sie. Die Viertagewoche löse nicht allein die derzeit bestehenden Arbeitszeitprobleme, sie sei aber perspektivisch ein guter Ansatz, um für Entlastung zu sorgen.