Torsten Köhne : Wenn man die Zahlen erreicht, wie sie zuvor geplant gewesen sind, und das ist der Fall, dann ist das Feedback immer positiv.
Laut Geschäftsbericht ist es wieder zu ungeplanten Stillständen gekommen ist. Das gab es bereits im Jahr zuvor. Kommt die Infrastruktur langsam in die Jahre?Wir haben ja zwei Entsorgungsanlagen: Zum einen das Mittelkalorik-Kraftwerk am Kraftwerk Hafen. Die Anlage ist noch sehr neu und läuft gut. Zum anderen das Müllheizkraftwerk. Da hatten wir ja im letzten Sommer 50-jähriges Jubiläum. Das ist also eine alte Anlage, in die wir aber bereits mehrere 100 Millionen Euro investiert haben, seitdem wir sie übernommen hatten.
Sie ist sehr groß mit vier Verbrennungslinien, und die sind allesamt neu gemacht worden, zusätzlich auch in der Peripherie. Allerdings haben wir die Anlage in den vergangenen Jahren sehr hoch, zum Teil 108 Prozent überlastet, gefahren, was den Verschleiß fördert. Das führte mehrmals zum Stillstand, so dass wir sie etwas zurückgefahren haben. Jetzt läuft sie wieder konstant.
Damit gibt es keine Probleme, gab es aber früher mal beim Sperrmüll – vor allem bei Matratzen. Da haben wir dann eine neue Schredderanlage installiert, um das in den Griff zu bekommen.
Der Absatz an Strom, Erdgas, Wärme und Trinkwasser ist gegenüber 2018 gesunken. Ist das nur dem warmen Winter geschuldet, oder waren die Bremer sparsamer?Unsere gesamte Fernwärmesparte und Erdgassparte ist ausschließlich witterungsabhängig – ausgenommen davon sind natürlich die Produktionsbetriebe. Wir kalkulieren für unsere Planung immer ein sogenanntes Normaljahr mit entsprechenden Durchschnittsberechnungen. So war 2019 das ausgehende Jahr relativ warm und der Winter davor auch nicht besonders kalt. Beim Strom gibt es da eher nur in Nuancen eine Veränderung. Bei den Firmenkunden ist der Strombedarf natürlich abhängig vom Produktionsverhalten.

Der SWB-Vorstandsvorsitzende will die Projekte zum Kohleausstieg voranbringen und mit den Erfahrungen aus der Gasumstellung Geld verdienen.
Das merken wir in jedem Fall. Aber wir unterscheiden ja zwischen dem, was die Privatkunden an Strom verbrauchen und dem, was der industrielle Bereich benötigt. Bei den Privatkunden sind die Verbrauchsmengen jetzt etwas höher. Allerdings ist hier die Menge wesentlich niedriger als das, was wir an Industrie- und Gewerbekunden liefern. Gerade bei Letzteren macht sich das bemerkbar. Daimler hat für uns bezüglich der Fernwärme eine große Bedeutung. Angesichts der Produktionspause dort haben wir das Kraftwerk in Hastedt vorübergehend außer Betrieb genommen, das wir ja zur Wärmeerzeugung nutzen.
Die Zahl Ihrer Mitarbeiter ist um 76 auf 2221 gestiegen. Wo besonders?Zum einen haben wir zusätzliche Mitarbeiter bei unserer Beteiligungsgesellschaft Wesernetz eingestellt. Das war im Bereich Gasanschlussmanagement, aber auch im Bereich Tiefbau und Leitungsverlegung. Dann haben wir zusätzliche Mitarbeiter im Bereich Technische Dienstleistungen eingestellt.
Die Corona-Folgen werden am Ende aber nicht dazu führen, dass die SWB Mitarbeiter entlassen muss?Nein, außerdem läuft ja die Vereinbarung mit dem weitreichenden Kündigungsschutz noch. Wir sind so aufgestellt, dass wir wie andere auch versuchen, vernünftig durch die Krise durchzukommen. Das bedeutet, dass wir für große Teile des Unternehmens auch Kurzarbeit beantragt haben. Im Vergleich zu anderen Branchen sind Energieversorger da aber vielleicht etwas weniger anfällig.
Ja, das reicht.
Wie sehen eigentlich die Vorgaben vom Mutterkonzern EWE aus: Was soll die SWB allein schultern, und wo öffnet die EWE zusätzlich die Geldschatulle?Das läuft so: Alles, was wir zur langfristigen Finanzierung benötigen, wird über Gesellschafterdarlehen bereitgestellt. Zusätzlich haben wir einen Anteil an eigenen Mitteln, den wir bereitstellen können. Damit haben wir auch in den vergangenen Jahren all unsere Investitionen finanziert. Bei dem Gasturbinenkraftwerk, das wir 2016 in Betrieb genommen hatten, haben wir auch einen Eigenanteil übernommen. Wenn wir aber in der Müllverbrennungsanlage beispielsweise für 30 Millionen Euro eine neue Turbine installieren, dann ist es üblich, dass wir das über langfristige Gesellschafterdarlehen der EWE finanzieren. Die wiederum refinanziert sich dann am Markt. So wird das auch für unsere kommenden Projekte der Fall sein.
Was ist der Stand bei der neuen Fernwärmetrasse durch Schwachhausen in die Vahr – einer Ihrer Bausteine zum Kohleausstieg?Wäre es zum ursprünglichen Verlauf der Trasse gekommen, hätte es entlang der Strecke mehr potenzielle Kunden gegeben, die wir an die Fernwärme hätten anschließen können. Allerdings haben wir gesehen, dass es da mit der Akzeptanz und dem technischen Teil nicht ganz so einfach ist. Die Trasse jetzt haben wir mit den Trägern öffentlicher Belange und der Genehmigungsbehörde abgestimmt.
Vor Ort haben wir versucht, zu vermitteln, dass das nun eine akzeptable Lösung ist, was den Verkehr angeht, den Baumschutz sowie Beeinträchtigungen für die Nachbarschaft. Dabei haben wir uns intensiv mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort zusammengesetzt und diskutiert. Vom Bauchgefühl her scheint die Akzeptanz seitens der Bürger für diese Trasse relativ hoch zu sein. Natürlich gibt es den einen oder anderen, der das nach wie vor nicht gut findet. Im Sommer wollen wir dazu den Genehmigungsantrag stellen.
Am Kraftwerk Hafen, wo Block 6 noch als Reserve dient, soll 2022 eine Verbrennungsanlage für Klärschlamm in Betrieb gehen.Bei Block 6 bedeutet Reserve, dass er in den saisonbedingten Stillstand gegangen ist. Denn im Sommer ist mit dem Stromverkauf an der Börse kein Geld zu machen. Ob wir die Anlage zum Winter hin wieder in Betrieb nehmen, müssen wir dann sehen. Der Block 6 ist auf alle Fälle weiterhin betriebsbereit. Für die KENOW-Anlage haben wir inzwischen sämtliche Firmen unter Vertrag nehmen können. Im Spätsommer wollen wir mit der Genehmigung loslegen. Da ist die Situation etwas schwieriger, weil es in der Nachbarschaft einige Bürger gibt, die es nicht gut finden, dass wir die Anlage dort bauen.
Zwar liegen die umwelttechnischen Vorteile einer solchen Anlage auf der Hand, aber vielleicht hängen die Vorbehalte auch mit dem veränderten Charakter zusammen, dass aus den Bereichen der Hafenwirtschaft nun immer mehr ein Bereich der Entsorgung wird. Insgesamt kann man aber festhalten, dass sich die Emissionen am Standort Hafen perspektivisch durch das Abschalten des Kohleblocks deutlich verbessern werden. Und wir können einen Teil der ehemaligen Kraftwerker in der Entsorgungsanlage weiterbeschäftigen.
Da ist der vorzeitige Baubeginn genehmigt. Inzwischen haben wir dort den Baugrund vorbereitet und die Kampfmittelräumung ist erfolgt. Wir rechnen im Sommer mit der Baugenehmigung, so dass wir mit den Fundamenten anfangen können. Da wird dann also ein Steinkohlekraftwerk ersetzt durch ein modernes Erdgaskraftwerk, das sehr viel umweltfreundlicher Wärme zur Verfügung stellt.
Am Standort Mittelsbüren wollen sie einen Elektrolyseur in Betrieb nehmen. Wann wird im Bremer Stahlwerk zum ersten Mal Stahl mit Energie aus Wasserstoff hergestellt?Das kann ich nicht sagen, außerdem steht das in Krisenzeiten jetzt nicht ganz oben auf der Liste. Hier geht es auch darum, mit Hilfe von Fördermitteln dieses Projekt zur Marktreife zu entwickeln. Die Frage ist, ob sich das rechnet und irgendwann mal wirtschaftlich sein wird. Das hat auch schon eine andere Dimension. Das Stahlwerk allein braucht eineinhalb Mal so viel Strom wie die ganze Stadt.
Bei Projekten wie dem Tabakquartier in Woltmershausen sind sie früh in die Planung mit eingebunden, was Strom und Infrastruktur angeht. Wie sehr wollen Sie diese Sparte mitarbeitermäßig ausbauen?Diesen Bereich halten wir für sehr zukunftsträchtig und haben deshalb auch eine eigene Organisationseinheit Quartiersmanagement gegründet. Da wollen wir die Zahl der Mitarbeiter auch ausbauen und wollen hier noch innovativer sein, um für Projektentwickler auch integrierte Lösungen anzubieten.
Bis 2021 soll die Gasumstellung abgeschlossen sein. Ein wenig waren die Bremer da ja Versuchskaninchen, weil die SWB als einer der ersten in Deutschland damit begonnen hatte?Im Rückblick haben wir da weitgehende Erfahrungen gesammelt. Allerdings haben wir damit nun auch ein Geschäftsmodell aufgesetzt, mit dem wir unser gesammeltes Know-how extern verkaufen wollen. Das bedeutet, dass wir in anderen Regionen mit unserer SWB-Gasumstellung am Start sind. Da haben wir auch Aufträge erhalten und beteiligen uns da an Ausschreibungen. Immerhin gibt es in Deutschland noch sechs Millionen Haushalte, bei denen die Gasumstellung erst noch erfolgt, und das wird noch bis zum Ende des Jahrzehnts laufen. Dazu kommen dann noch Gewerbe- und Industriebetriebe, denen wir den Service anbieten. Dieses ganze Feld bedeutet außerdem Beschäftigung für eine ganze Reihe von Mitarbeitern bei uns.
Die Gasgerätedatenbank sollte durch die Umstellung der insgesamt 180.000 Bremer Haushalte nun auf dem neuesten Stand sein.Da wundert man sich schon, was da noch alles an Gasverbrauchsgeräten auftaucht. In der Datenbank sind inzwischen mehr als 14.000 Geräte enthalten. Und bei Geräten, von denen so manches 25 Jahre alt ist, haben die Hersteller zum Teil dann auch nicht mehr die vollständige Dokumentation.
Die SWB ist ja bereits seit 1941 eine Aktiengesellschaft. Als ich also vor 23 Jahren hier anfing, war es ja auch schon kein klassischer Eigenbetrieb. Da gab es gerade die erste Teilprivatisierung. Anschließend kamen drumherum die Teilprivatisierungen mit Hansewasser, mit Abfall und anderen Bereichen hinzu. Dann wurden wir niederländisch und danach oldenburgisch, sind aber selbst immer bremisch geblieben. Das ist es auch, was ich an dem Unternehmen schätze, und deshalb mach es mir nach wie vor Spaß.
Denn ich glaube, wir sind auf dem Weg zu einem „normalen“ Unternehmen, was Professionalität angeht genauso wie Administration und Effizienzbemühen. Da sind wir gut voran gekommen. Gleichzeitig haben wir eine Verbundenheit zu den beiden Städten Bremen und Bremerhaven, und nach 20 Jahren des nichtkommunalen Daseins haben wir außerdem immer noch unsere Unabhängigkeit gewahrt. Denn für ein Unternehmen innerhalb eines Konzerns haben wir sehr viele Freiheiten.
Wo sehen Sie die SWB momentan verglichen mit anderen deutschen städtischen Energieversorgern?Wir müssen uns nicht verstecken. Wir sind weder ganz vorn mit dabei aber auch nicht ganz hinten dran. Bei uns gibt es vielleicht durch die Struktur Bremens immer noch Besonderheiten. Mit der Deutschen Bahn, Daimler und Arcelor-Mittal haben wir ja drei ganz große Kunden, was für ein Stadtwerk unserer Größe ungewöhnlich ist. Da sind wir auch stolz darauf, dass wir da so lang laufende Kooperationen haben. Wir reden hier aber auch über einen Ballungsraum, in dem es die eine oder andere Herausforderung gibt, was die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit angeht, das Sozialgefüge und die Entwicklung. Da sind wir insgesamt dann ganz gut unterwegs.
Was kann für die SWB in den kommenden Jahren zum Problem werden?Problem ist vielleicht zu hoch gegriffen, aber das Thema Fachkräfte ist auch für uns eine Herausforderung, wenn ich da beispielsweise den Bereich Tiefbau sehe. Ein Risiko besteht auch darin, dass sich die Industriestruktur dieser Stadt grundlegend verändert und nennenswert Standorte verloren gehen. Das steht nicht in unserer Macht, kann aber immer passieren. Ansonsten sind wir stabil, leistungsfähig und zukunftsfähig aufgebaut. Wir sind da vielleicht auch jemand, der eher etwas vorsichtiger und seriöser agiert. Für die Zukunft bin ich ziemlich optimistisch: Wenn wir den Kurs so halten und die Investitionen schaffen, und die Akzeptanz so bleibt, wie wir sie wahrnehmen, dann sind wir da gut unterwegs.
Das Gespräch führte Florian Schwiegershausen.Torsten Köhne (56) ist in Bremerhaven geboren. Seit 1997 ist der Jurist bei der SWB, dort seit - 2005 mit im Vorstand und seit 2013 Vorstandsvorsitzender. Er ist verheiratet und hat eine Tochter.