Für einen kurzen Moment hält Arne Lund inne. Wie soll er das jetzt sagen, ohne dass er missverstanden wird? Ohne dass es sich so anhört, als fände er die Corona-Krise gar nicht so schlimm. Natürlich findet er Corona schlimm. Aber er muss trotzdem überlegen, und dann sagt er einfach, wie es ist. „Wir profitieren von Corona.“
Wir, das ist die Standkorbmanufaktur in Buxtehude, dort stellen die selbst ernannten Strandkorbprofis Strandkörbe her. Das Unternehmen hat zurzeit so viel zu tun wie noch nie zuvor um diese Jahreszeit. Na klar, März, April, Mai sind immer schon die wichtigsten Monate gewesen, die Zeit kurz vor Beginn der großen Sommersaison. Aber dieses Jahr… „Wir kommen mit der Produktion von Strandkörben gar nicht hinterher“, sagt Lund, der sich bei den Strandkorbprofis ums Marketing und die Öffentlichkeitsarbeit kümmert.

Thomas Vagts arbeitet in der Polsterei.
Urlaub im eigenen Garten
Die Deutschen machen gern Urlaub, und sie reisen gern. Das Coronavirus mit all seinen Einschränkungen für das öffentliche Leben und die Bewegungsfreiheit macht Urlauben im Moment und auch noch für die nächsten Wochen unmöglich. Die Nord- und Ostseeinseln sind quasi abgeriegelt und für Touristen geschlossen. An Flüge ins Ausland ist auch kaum zu denken. „Wenn die Leute also nicht woanders Urlaub machen können, holen sie sich den Urlaub in den eigenen Garten“, sagt Lund. Und was könnte mehr Sinnbild für den Urlaub sein? Der Strandkorb, genau.
Bei den Strandkorbprofis ist die Auswahl riesig. Die Möglichkeiten zur individuellen Gestaltung sind fast unbegrenzt. Der Stoff? Gestreift und kariert in nahezu allen Farben. Die Ausstattung? Wer mag mit Bullauge, Tischchen für den Laptop oder Halterung für die Bierflasche. Das Material? Mahagoni, Teak, Teakvintage, sehr robuste Hölzer.
Normalerweise kommen die Kunden ins Stammhaus nach Buxtehude, lassen sich vor Ort beraten, sitzen und liegen Probe. Wochenlang aber war jetzt zu. „Und wir hatten anfangs große Sorge, dass der Verkauf einbrechen würde“, sagt Lund, „stattdessen ist die Zahl der Bestellungen explodiert.“ Genau wie für IT-Unternehmen, Paket- und Lieferdienste, Supermärkte und Drogerien schlägt in der Corona-Zeit die große Stunde für die Strandkorbprofis.
8000 Zugriffe täglich zählt das Unternehmen auf seiner Webseite, deutlich mehr als sonst. Viele kommen online nach wie vor zum Gucken. Die älteren Semester bestellen sich auf der Homepage den Katalog nach wie vor am liebsten nach Hause. Aber wer will, kann auch gleich direkt den Strandkorb ordern. Und die Menschen wollen.

Sigmund Jurasch ist Korbflechtmeister.
Normalerweise liefern die Strandkorbprofis das ausgewählte Stück innerhalb von 14 Tagen aus, 1500 Rohlinge hat man unter normalen Umständen stets im Lager vorrätig. Aber was ist schon normal zurzeit? Der Kunde muss jetzt, da alle bestellen und einen Strandkorb wollen, 35 Werktage Wartezeit in Kauf nehmen.
Andere Unternehmen melden in diesen Wochen Kurzarbeit an. Bei den Strandkorbprofis wird in der Werkstatt jetzt auch sonnabends gearbeitet. 40 Angestellte nähen, schneiden, polstern und veredeln die Rohlinge mit Edelstahlbeschlägen, Rollen und Schnitzereien. Rund 150 Körbe schafft das Team pro Woche. 5000 werden pro Saison verkauft. Der Rekord dürfte in diesem Jahr locker geknackt werden.
Keine Lieferprobleme
Die Rohlinge kommen auf dem Seeweg aus Indonesien. Noch ist der Nachschub gesichert, bisher gibt es keine Lieferprobleme. In Indonesien gehört dem Familienunternehmen, das Seniorchef Kay Gosebeck 2005 gegründet hat, eine eigene Manufaktur mit 150 Tischlern und Korbflechtern. In Deutschland ist die Kunst des Korbflechtens fast ausgestorben.
30 Stunden Handarbeit steckt in einem Strandkorb, entsprechend fällt der Preis aus. Ab 1500 Euro aufwärts muss der Kunde investieren. Dafür erhält er ein Produkt, für das die Firmenleitung Langlebigkeit garantiert. Die Stoffe sind UV-beständig, das Polyethylen-Geflecht, das wie Rattan aussieht, wird als wasserresistent, licht- und farbfest beworben.
Seit jeher landen die wenigsten Körbe aus der Strandkorbmanufaktur auch tatsächlich am Strand. „90 Prozent gehen an Privathaushalte“, sagt Lund. Den Rest nehmen Hotels, Gastronomiebetriebe oder Brauereien ab. Die Flensburger Brauerei zum Beispiel ist seit Jahren Stammkunde bei den Strandkorbprofis, deshalb auch die Modelle mit integrierter Bierflaschenhalterung. Die meisten Privatkunden kommen aus dem Norden, aber auch nach Bayern, Nordrhein-Westfalen und in die Schweiz und nach Österreich oder Dänemark verkaufen die Strandkorbprofis ihr Sortiment.
Einer daraus steht im Garten von Fußball-Weltmeister Thomas Müller, wie man neulich in einem You-Tube-Video sehen konnte. Der Bayern-Spieler hat während der Corona-Zeit an der #zuhauselesenchallenge teilgenommen. Dafür liest er vor der Kamera aus dem heimischen Garten aus einem seiner Kinderbücher vor, die er geschrieben hat. Müller sitzt dabei in einem Strandkorb aus Buxtehude. Es ist das Modell Kampen Teak aus dem Hause Strandkorbmanufaktur.