Die Warnstreiks der IG Metall erreichen nun auch Bremen. Gegen 20.30 Uhr begannen Mitglieder der IG Metall, vor dem Tor 7 beim Daimler-Benz-Werk, Flugblätter zu verteilen. Die Kollegen befestigten am Werkstor Transparente und bereiteten den Lkw vor, dessen Ladefläche gegen Mitternacht als Bühne für die Kundgebung dienen sollte. Denn dann sollten Mitarbeiter von der Nachtschicht in den Ausstand zu treten. Erst die Frühschicht gegen sechs Uhr sollte wieder wie gewohnt die Arbeit aufnehmen. Mit mehreren hundert Mitarbeitern rechneten die Metaller für die Kundgebung.
Ebenso sollten in Bremen bei den Autozulieferern Lear und Bosch Automotive die Mitarbeiter in den Warnstreik treten. Bei Bosch Automotive war das für vier Uhr morgens geplant. Bereits seit Mittwochmorgen hatten im Gebiet der IG Metall Küste nach Gewerkschaftsangaben insgesamt 655 Beschäftigte vorübergehend ihre Arbeit niedergelegt. Der Schwerpunkt lag hierbei in Wilhelmshaven. Dort gingen Mitarbeiter bei Manitowoc, Wessel-Hydraulik, Neue Jadewerft sowie Turbo-Technik in den Ausstand. Im Bezirk Niedersachsen und Sachsen-Anhalt sind laut Gewerkschaftsangaben 4600 Mitarbeiter aus 23 Betrieben dem Aufruf der IG Metall gefolgt.
Der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann sagte am Mittwoch auf einer Kundgebung in Homburg/Saar: „Mit der IG Metall wird es einen Tarifabschluss nur mit allen drei Komponenten geben: eine ordentliche Entgelterhöhung. Eine Wahloption, die Arbeitszeit befristet zu reduzieren. Und Zuschüsse, die die Arbeitszeitreduzierung bei Kindererziehung, in Pflegesituationen und für die Gesundheit auch für alle möglich machen.“
Die mitgliederstärkste Gewerkschaft Deutschlands fordert sechs Prozent mehr Lohn und die Möglichkeit, die Arbeitszeit auf bis zu 28 Wochenstunden mit einem Teillohnausgleich für Schichtarbeiter zu reduzieren. Das soll auch genauso für Eltern mit Kindern gelten, die bis zu 14 Jahre alt sind sowie für Beschäftigte mit pflegebedürftigen Angehörigen. Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall bietet stattdessen eine Einmalzahlung von 200 Euro für das erste Quartal 2018 sowie im Anschluss ein Lohnplus von zwei Prozent bis März 2019 an. Überdies legten die Arbeitgeber kurz vor Jahreswechsel ein Gutachten vor, demzufolge der Teillohnausgleich aus verschiedenen Gründen unrechtmäßig sei – und damit auch die Forderung der IG Metall.
"Wir fordern da eine vollständige Angleichung"
Bei Daimler-Benz in Bremen geht es außerdem um die Schichtzulagen, wie Marcus Keunecke von der IG Metall sagte: „Die Kollegen in Baden-Württemberg erhalten in der Zeit von 12 bis 19 Uhr eine Schichtzulage von 20 Prozent und in der Zeit von 19 bis 6 Uhr 30 Prozent. Wir in Bremen erhalten von 20 bis 6 Uhr nur 15 Prozent. Wir fordern da eine vollständige Angleichung. Denn unser Leben hier in Bremen ist genauso viel wert wie in Baden-Württemberg.“
Sonderlich nahe ist man sich in den ersten beiden Verhandlungsrunden nicht gekommen. Und es ist zweifelhaft, ob die am heutigen Donnerstag in Baden-Württemberg startende dritte Runde Fortschritte zeitigen wird. Im Kern geht es nicht so sehr um die Lohnforderung. Sehr viele Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie verdienen gut, die Auftragsbücher sind voll, der Fachkraftmangel verschärft den Wettbewerb. Vor diesem Hintergrund könnten die meisten Arbeitgeber mit einer vier oder sogar fünf vor dem Komma leben.
So sagte Nordmetall-Präsident Thomas Lambusch dem WESER-KURIER im Interview, dass der Knackpunkt vor allem bei der geforderten Arbeitszeitverkürzung auf 28 Wochenstunden liege – zusätzlich mit Teillohnausgleich bis zu zwei Jahren. Die Gewerkschaft fordert einen pauschalen Zuschuss von 200 Euro monatlich, wenn Arbeitnehmer mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen ihre Arbeitszeit um mindestens 3,5 Stunden Woche reduzieren. Mit dem Festbetrag solle es auch Beschäftigten in unteren Lohngruppen möglich sein, sich um familiäre Belange zu kümmern. Schichtarbeiter sollen jährlich pauschal 750 Euro erhalten, wenn sie ihre Arbeitszeit um wenigstens zehn Schichten pro Jahr vermindern. Dies sei im Sinne des vorsorgenden Gesundheitsschutzes der Belegschaften und daher letztlich auch der Unternehmen, argumentiert die IG Metall.
Wie "eine Stilllegeprämie für Fachkräfte"
Laut Arbeitgeberverband Gesamtmetall in Berlin kann man ja über flexible Arbeitszeitmodelle reden, wenn zugleich längere Arbeitszeiten möglich würden. Unterm Strich dürfe es nicht zu einer Verringerung des Arbeitsvolumens kommen. Der Teillohnausgleich werde aber genau dies bewirken: Eine massenhafte Inanspruchnahme koste Arbeitszeit in der Größenordnung von 200.000 Vollzeitstellen, prognostiziert Gesamtmetall-Geschäftsführer Oliver Zander. Der Lohnausgleich wirke wie „eine Stilllegeprämie für Fachkräfte“.
Mit Blick auf zunehmende Personalengpässe gehe die Gewerkschaftsforderung in die falsche Richtung, so Zander. Zudem würden Beschäftigte mit Lohnausgleich dadurch besser gestellt als Kräfte, die schon bisher in Teilzeit arbeiteten. Eine solche Ungleichbehandlung kollidiere mit dem neu in Kraft getretenen Entgelttransparenzgesetz.
Bisher hat Gesamtmetall jedwede Verhandlung über Arbeitszeitverkürzungen mit Teillohnausgleich schlicht verweigert, heißt es von der IG Metall. „Auf der Arbeitgeberseite spüren wie einen gewissen Unwillen, sich dem Thema Arbeitszeit zu widmen“, sagt IG-Metallchef Jörg Hofmann. Die Gegenseite müsse „jetzt ins Arbeiten kommen und eine Grundlage für Verhandlungen schaffen, die zu einem Ergebnis führen können“.