Frau Vogt, im November haben Sie gesagt, dass es beim neuen Gewerbeentwicklungsplan 2030 vor allem darum gehen soll, vorhandene Flächen zu aktivieren, neu zu gestalten und effizienter zu nutzen. Wo fehlt es bei den vorhandenen Flächen an Effizienz?
Kristina Vogt: Es ist allen bekannt, dass in Bremen die Flächen sowohl für Gewerbe als auch für Wohnen endlich sind. In der Vergangenheit gab es immer eine große Dispositionsreserve bei den Gewerbeflächen. Pro Jahr wurden in den letzten Jahren immer etwa 32 Hektar vermarktet. Damit kommt die Fläche, die wir vermarkten können, irgendwann an ein natürliches Ende. Deshalb müssen wir uns auch um die bessere Ausnutzung der vorhandenen Gewerbeflächen kümmern.
Wie und wo kann es effizienter werden?
Die bestehenden Gewerbeflächen, die Jahrzehnte organisch gewachsen sind, kann man durch ein vernünftiges Gewerbeflächenmanagement besser nutzen. Dazu läuft seit 2019 bereits ein Pilotprojekt. Im Rahmen der Aufstellung des Gewerbeentwicklungsplans schauen wir uns ergänzend die erfolgreichen Standorte Airport-Stadt und Technologiepark in Bezug auf Nachverdichtung an.
Was bedeutet das für die Wirtschaftsförderung Bremen, also die WFB, die die Flächen ja vermarktet?
Die WFB hat von mir die ganz klare Vorgabe, dass es um eine qualifizierte Gewerbeflächenentwicklung geht. Das bedeutet: Im Vordergrund steht die Schaffung neuer Arbeitsplätze und auch die Sicherstellung bestehender Arbeitsplätze. Wir müssen Unternehmen auch in Bremen halten. Wenn dann neue Firmen von auswärts anfragen, steht die WFB vor der schwierigen Aufgabe, dass sie auch mal Nein sagen muss. Und durch die wirtschaftliche Transformation haben wir in Zukunft andere Produktionstechniken, andere Fertigungstiefen und anderen Flächenbedarf. So müssen wir schauen, dass Unternehmen, die seit Jahrzehnten in Bremen sind, uns nicht verlassen, weil sie andere Flächen benötigen. Bei Flächen für Logistikunternehmen sollte man überlegen, ob und wieviel man da in Zukunft vielleicht mehr in die Höhe bauen kann.
Je mehr Fläche desto mehr Arbeitsplätze?
Nein, man darf die Zahl der Arbeitsplätze nicht allein an der Größe der Flächen festmachen, wie zum Beispiel im Güterverkehrszentrum. Da muss man ergänzend schauen, was Firmen wie Kühne + Nagel oder auch die Dettmer Group hier in der Innenstadt haben. Damit haben wir hier allein an der Weser ein paar hundert Arbeitsplätze. Das muss man zusammen denken. Da versuche ich, etwas mehr rationales Denken in die Debatte zu bringen.
Das versuchen Sie entsprechend mit Fachveranstaltungen.
Wir brauchen Fachveranstaltungen mit den Beteiligten, weil ich weder etwas allein nur am grünen Tisch noch in der Wirtschaftsdeputation entscheiden will. Ich will da nicht nur die beteiligten Ressorts mitnehmen, sondern auch die beteiligten Unternehmen.
Sie denken Gewerbeflächen und Wohnbebauung zusammen?
In Zusammenhang mit Wohnen müssen wir uns immer auch Gedanken über künftige Gewerbeflächen machen. Das muss also ein gutes Nebeneinander werden. Dadurch, dass die Galopprennbahn nicht für Wohnbebauung zur Verfügung steht, ist es mit neuen Wohnflächen schwieriger geworden. Deshalb arbeiten wir intensiv mit dem Bauressort auf Abteilungs- und auf Staatsratsebene zusammen. Generell geht es hier um alle Interessen – auch die der Stadt mit den grünen Flächen und die des Wohnungsbaus. Dazu ein Zahlenbeispiel: Wir haben seit 2010 gut 22 000 Neubremer hinzugewonnen. In der gleichen Zeit sind aber 45 000 zusätzliche Arbeitsplätze entstanden – auch dafür benötigen wir Entwicklungsflächen. Deswegen ist der ressortübergreifende Ansatz wichtig.
Wie sehr drängt die Zeit?
Wenn der Prozess bis Jahresende nicht fertig ist, kriegen wir in spätestens drei Jahren ein Problem. Dann würde es schwieriger werden, in Bremen auch für bestehende Unternehmen noch etwas zu finden. Und für kleine Gewerbebetriebe und Start-ups ist das Thema mit der produktiven Stadt und den Zukunftsorten genau richtig. Dabei geht es hin zu mehr zu Vermischung, weil man wieder lebendiger Quartiere haben möchte, statt alles für sich zu denken nach dem Motto: Hier haben wir das Gewerbe, hier haben wir die Industrie, und hier haben wir die Schlafstädte.
Am Flughafen wollte sich Dornier ja ansiedeln, was nicht geklappt hat.
Das hatte aber auch andere Gründe. Die sind offenbar auch nach Leipzig gegangen wegen der finanziellen Zugeständnisse, die die sächsische Regierung dem Unternehmen dort gemacht hatte, nicht nur wegen der bereits erschlossenen Flächen. Richtig ist aber auch, dass wir in der Airport-Stadt kaum noch freie Flächen haben. Bei Airbus geht es ja natürlich auch darum, wie man die Flugzeuge für die Zukunft klimafreundlicher gestalten kann. Das ist ja eines der Themen im Ecomat. Perspektivisch wird es dort eine Flächendiskussion geben.
Ein gemeinsam mit dem Umland geplantes Gewerbegebiet wie Achim-West, kann das die Zukunft sein?
Bremen kann nur wachsen, wenn wir grenzüberschreitend denken. Es kann ja nicht die Lösung sein, dass wir Gewerbegebiete erschließen und dafür wichtige Erholungsflächen wie Kleingartengebiete oder das Blockland aufgeben. Daher muss es für uns als kleinsten Stadtstaat eine länderübergreifende Zusammenarbeit geben. Das muss fair ablaufen. In Achim-West kann es über eine Entwicklungsgesellschaft gehen, um so die fiskalischen Effekte berechnen und aufteilen zu können. Grundsätzlich bietet es sich an, auch mit anderen Kommunen wie beispielsweise Stuhr zu reden. Wir sollten viel stärker in Metropolregionen denken. Dafür sollte man sich aber etwas einfallen lassen, damit es für alle Beteiligten zu einer gerechteren Steuerverteilung kommt.
Gerade Familienbetriebe wollen die Firma nachhaltig an die nächste Generation weitergeben. Ich denke da im speziellen an Handwerksbetriebe. Es macht den Eindruck, dass die sich zu kurz gekommen fühlen.
Dafür plädiere ich ja: Wir brauchen insgesamt ein vernünftigeres Gewerbeflächenmanagement. Das Hachez-Gelände wäre eine Fläche, die man im Sinne eines lebendigen Quartiers auch für Handwerk denken kann. Genauso gehört für mich in der Neustadt die Kornstraße dazu, aber auch das Güldenhaus-Quartier. Bei letzterem müsste man auch mal Dampf machen. Dann haben wir das Tabakquartier und die Überseestadt.
Die Handelskammer fordert für Bremen 150 Hektar als ständige Reserve.
Um dazu eine Zahl zu nennen: Die Dispositionsreserve lag 2018 bei 103 Hektar. Dabei gab es bereits Vorreservierungen, und es sind auch nicht alle Flächen vermarktbar.
Da sprechen Sie etwas an: Das Gewerbegebiet Farge-Ost fällt jetzt unter das Bremer Waldgesetz, weil der Grünschnitt vernachlässigt wurde.
Es gehört zum Prozess auch dazu, dass wir Flächen zügig aktivieren. Nur so können wir wettbewerbsfähig bleiben.
Was das Hachez-Gelände angeht, ist man wegen des Vorkaufsrechts in Verhandlungen. Inwiefern ist das ein Modell für die Zukunft sein?
Wenn das für Wohnen und Gewerbe Relevanz hat, sollte man auch in Zukunft so vorgehen können.
Was wäre Ihre Idealvorstellung für eine Firmenansiedlung: Wie lange sollte das von der ersten Anfrage bis zum Baurecht dauern?
Mein Traum wäre, dass innerhalb von neun Monaten hin zu bekommen. Wenn Planungsrecht vorliegt, auch ruhig schneller. Die Genehmigungsverfahren haben wir aber nicht in der Hand unseres Ressorts.
Das Gespräch führte F. Schwiegershausen.
Kristina Vogt wurde 1965 in Münster geboren. Ab 2011 war sie
Fraktionschefin der Linken in der Bremischen
Bürgerschaft. Seit August 2019 ist sie Bremens Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa.
Weitere Informationen
Zur genaueren Ermittlung des Flächenbedarfs wird es Gespräche mit Beiräten, Verbänden, Kammern, Firmen und Forschungseinrichtungen geben. Los geht es an diesem Dienstag mit der Fachtagung zum Thema „Logistik“.