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Made in Bremen Wie Tapdesk Cafés für mobiles Arbeiten umfunktioniert

Kneipen und Restaurants stehen die Hälfte des Tages leer. Das will sich nun ein Bremer Start-up zunutze machen. Am Vormittag sollen sie als flexibel nutzbare Arbeitsplätze zur Verfügung stehen.
16.03.2024, 05:00 Uhr
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Von Luka Spahr

Platz ist rar in vielen Städten. Noch zudem schöner Platz, an dem es sich länger aushalten und mobil arbeiten lässt. Kneipen und Restaurants haben in der Regel solche Flächen. Die sind aber oft mindestens die Hälfte des Tages ungenutzt. Ein Umstand, den sich ein junges Bremer Start-up zunutze machen will.

Seit dem 5. März ist die Kneipe Fehrfeld im Bremer Viertel bereits ab 9 Uhr vormittags geöffnet – nicht zum Bier und Cocktails Trinken, sondern als flexibel buchbarer Arbeitsplatz für alle Interessierten. Kleine Schilder mit Zahlen auf den Tischen, leise klappernde Laptop-Tastaturen, viele konzentrierte Gesichter, eine summende Kaffeemaschine: Es herrscht eine ungewohnte Atmosphäre in der beliebten Szene-Kneipe im Herzen des Viertels, seit das Bremer Start-up Tapdesk die Morgenstunden dort mit Leben füllt.

Zwei Männer, eine Idee

Die Idee hinter dem Unternehmen ist dabei, um es mit den Worten einer begeisterten Besucherin an diesem Tag zu sagen, „so einfach wie genial“. Als Patrick Runge, der zweite Mann hinter dem jungen Start-up und studierter Betriebswirt, eines Tages zum Billardspielen einen beliebten Club in Bremen ansteuerte und vor verschlossener Tür stand, fragte er sich: Kann man diese Fläche nicht abseits der Öffnungszeiten effektiver nutzen? Zur gleichen Zeit war Björn Gieß mit dem Laptop unterm Arm in Deutschland unterwegs. Seinen Job im Radio-Marketing konnte er damals theoretisch von überall aus machen, den idealen Ort fand er dennoch selten. Ein Café? Selten stabiles WLAN, viel Lärm und keine Platzgarantie. Ein Coworking-Space? Oft teuer und kompliziert in der Anmeldung. Das eigene Airbnb oder Hotel-Zimmer? Für ein, zwei Tage ok, aber dann doch schnell öde.

Innerhalb einer Veranstaltung des Netzwerks „Bremen Start-ups“ lernten die beiden sich Ende 2023 kennen. Runge skizzierte Gieß seine Idee und der war auf Anhieb begeistert. Ein Wochenende feilten sie an ihrem Konzept, dann war die Idee geboren: Gastronomen können mithilfe von Tapdesk auf ihren Ladenflächen abseits der regulären Öffnungszeiten flexibel buchbare Arbeitstische anbieten. Dabei hätten sie "keinerlei Invest", wie Gieß es formuliert. Die Buchungsplattform und alles weitere stellt Tapdesk zur Verfügung. Auch Personal müssen die Betriebe in dieser Zeit nicht vorhalten.

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Aktuell sind die beiden Gründer oft noch vor Ort, perspektivisch sollen technische Helferlein alles Notwendige selbstständig regeln. Die Eingangstür bekommt ein sogenanntes Smartlock und nur berechtigte Personen mit Zugangscode kommen ins Gebäude. Der Barbereich ist in der Coworking-Zeit tabu, dafür gibt es einen mobilen Rollwagen mit gratis Kaffee, Tee und Wasser. Toiletten und Strom stehen ebenfalls zur Verfügung. Smarte Überwachungskameras sollen die sensiblen Bereiche des Geschäfts im Blick behalten. Die Gründer haben über die Anmeldedaten und die Zugänge im eigens geschaffenen WLAN-Netz zudem einen genauen Überblick, wer sich vor Ort aufhält.

Dieses Sicherheitskonzept soll am Ende sämtliche Mitarbeiter vor Ort überflüssig machen, so Björn Gieß. Ansätze wie diese sind es auch, die die Kosten bei Tapdesk gering halten: Eine Stunde kostet aktuell rund zwei Euro, ab vier Stunden wird die Tagespauschale von acht Euro fällig. Im Monatsabo gibt’s für 49 Euro volle Flexibilität, auch bei den genutzten Arbeitsorten. Die Inhaber der Kneipen und Restaurants kriegen keinen Grundbetrag, werden aber an den Umsätzen aus den Buchungen beteiligt. Björn Gieß gibt zu: „Die Gastronomen werden nicht reich durch uns.“ Aber es sei besser, als wenn die Fläche wirtschaftlich komplett ungenutzt bliebe.

Reine Vermittlung

Mit seinem Konzept siedelt sich das Unternehmen in der Marktlücke zwischen Café, Coworking-Space und dem eigenen Homeoffice an: Interessant für Unternehmen und für Privatpersonen, die „einfach mal einen Tapetenwechsel wollen“, so der 27-jährige Gründer. Er erklärt: Tapdesk sei am Ende eine Vermittlungsplattform ähnlich wie Airbnb. Sein Unternehmen miete die Räume nicht an, sondern vermittle nur zwischen Gastronomen und Coworkern. Zudem stelle es das Equipment für die Umfunktionierung zum Gemeinschaftsbüro zur Verfügung.

Bislang ist die Auswahl an Arbeitsorten auf der Website von Tapdesk noch übersichtlich. Neben dem Fehrfeld gibt es dort aktuell drei weitere Geschäfte, die sich allerdings noch in der Probe-Phase befinden: das Paulaner’s am Weserwehr, die Cocktail-Bar Carlitos in der Neustadt und die Lemon Lounge an den Wallanlagen. Dass Tapdesk jedoch große Pläne hat, wird deutlich, wenn man sich die nächsten Ziele des Start-ups anhört: jeden Monat mindestens eine neue Location, Ende des Jahres ganz Norddeutschland. Vor allem Hamburg wird neben Berlin und München am meisten von Interessierten angefragt, so Gieß, der Hamburger ist.

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Mehr als 300 Menschen aus verschiedenen Ländern hätten sich online auf die Warteliste für ihre Stadt gesetzt, auch Gastronomen aus anderen Städten hätten Interesse bekundet. Während die Besucher an diesem Tag im Fehrfeld vor allem über Freunde und Kontakte von Tapdesk erfahren haben, dürften die anderen Interessierten das Medienecho wahrgenommen haben: Untere anderem im ZDF und im Branchenmagazin T3N wurde das Bremer Start-up vorgestellt. Investoren hätten zwar noch nicht an der Tür geklopft, erst mal gehe es den beiden Gründern allerdings sowieso darum, das Konzept zu verfeinern und verbliebene Fehlerquellen zu eliminieren. Während Gieß das sagt, gibt es einen kleinen Aufruhr an der Kaffeemaschine. Sie macht komische Geräusche und es läuft Wasser aus. Das sei zum Beispiel eine der Sachen, die noch Aufmerksamkeit verlangten, sagt Gieß.

Von dem Trubel bekommt Sydney Heine nichts mit. Sie ist eine der Besucherinnen an diesem Tag und hat es sich mit ihrem Laptop einen Raum weiter an einem großen Tisch bequem gemacht. Die junge Frau arbeitet an ihrer Selbstständigkeit, sie möchte eine personalisierbare Produktseite für Friseure im Internet anbieten. Sie habe zwar ein Büro angemietet, prüfe nun aber, ob Tapdesk ihr nicht in Zukunft ausreiche, so Heine. Ihr Eindruck beim ersten Besuch im Fehrfeld sei sehr positiv. Es herrsche eine angenehme Atmosphäre und die leise Musik im Hintergrund sei gut zum Arbeiten, sagt Heine.

Einen Tisch weiter sitzt Sandra Graeve. Sie arbeitet für eine Münchner PR-Agentur mit zweitem Standort in Bremen und ist an diesem Tag nicht allein ins Fehrfeld gekommen. Mehrere Kollegen von ihr seien außerdem da, man wolle einfach mal was anderes sehen und raus aus dem Büro, so Graeve. Anders als Sydney Heine muss sie aber zugeben: „Ganz ohne Büro wäre für uns nicht denkbar.“ Begeistert ist sie trotzdem von Tapdesk und wundert sich, dass auf diese Idee bislang niemand gekommen ist.

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