Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) sieht den klimaneutralen Umbau der deutschen Stahlindustrie besonders durch chinesische Billigimporte und Überkapazitäten gefährdet und wirft Peking "unfaire Handelspraktiken" vor. "China subventioniert seine Stahlindustrie durch günstige Energie- und Arbeitspreise", sagte die Ministerin am Dienstag dem WESER-KURIER in Berlin. Dagegen müsse die EU-Kommission vorgehen und mit China über diese Fragen sprechen.
Zudem sieht die Ministerin die deutsche Stahlindustrie durch überzogene Vorgaben aus Brüssel gefährdet. So sei eine "klimafreundliche Stahlproduktion zu wettbewerbsfähigen Preisen" derzeit nicht möglich. Allerdings habe die EU-Kommission inzwischen einen Rechtsrahmen vorgegeben, der die längerfristige Nutzung von "blauem" Wasserstoff bei der Stahlerzeugung ermöglichen soll. Dieser wird mit Erdgas erzeugt; das entstehende Kohlendioxid wird abgeschieden und gespeichert. Durch diese Technik könne im Vergleich zur herkömmlichen Stahlproduktion mit Kokskohle der CO2-Ausstoß erheblich gesenkt werden, so Reiche. Für "grünen" Wasserstoff, der ohne CO2-Emissionen durch Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird, sei "kurz- und mittelfristig ein globaler Markt nicht absehbar", glaubt Reiche.
Vogt fordert Industriestrompreis
Die Bundeswirtschaftsministerin reagierte mit ihren Äußerungen auf die Absage der Pläne des Arcelor-Mittal-Konzerns, seine Werke in Bremen und Eisenhüttenstadt auf die Produktion von grünem Stahl umzurüsten. Der Stahlhersteller verzichtet damit auf 1,3 Milliarden Euro Fördermittel, die das Bundeswirtschaftsministerium und das Land Bremen zugesagt hatten. Inzwischen haben Reiche und die Bremer Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) über das Thema gesprochen. „In dem Gespräch habe ich deutlich gemacht: Es braucht jetzt einen Industriestrompreis, der seinen Namen auch verdient", sagte Vogt anschließend. Deutschland stehe beim Strompreis in direkter Konkurrenz zu Nachbarstaaten mit deutlich besseren Bedingungen. Die Ministerin habe zugesagt, dass die Bundesregierung sich in dieser Woche mit dem Thema befassen werde. Viele der zentralen Fragen müssten allerdings auf europäischer Ebene geklärt werden, so Vogt. Dazu gehört unter anderem eine Ausgleichsabgabe auf herkömmlich produzierten Importstahl, die den teureren grünen Stahl aus Europa schützen soll. "Deutschland muss sich hier klar gegenüber der EU-Kommission positionieren“, fordert Vogt.
Das Thema Stahl wird auch auf der Tagesordnung des Koalitionsausschusses an diesem Mittwochnachmittag stehen. Die SPD hatte auf ihrem Parteitag am Wochenende einen Antrag einstimmig verabschiedet, der unter anderem schnellstmöglich einen "Stahlgipfel der Bundesregierung mit allen Unternehmen und Stahlstandorten in Deutschland" fordert. Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte hatte in seiner Rede dazu auf dem Parteitag der Bundeswirtschaftsministerin Katharine Reiche angeraten, "nicht länger in den Kulissen zu stehen". Der Umstieg auf grünen Stahl sei alternativlos - natürlich ökologisch, aber wegen der in den kommenden Jahren erheblich steigenden CO2-Preise auch ökonomisch.