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Wochenmärkte mit Umsatzminus Geschäfte der Händler brechen stark ein

Auch wenn die Preise von Obst und Gemüse 2023 gestiegen sind, gibt es auf Bremens Wochenmärkten etwas, das die Kunden bei der Stange hält: den Plausch gibt es kostenlos dazu. Dennoch ging der Umsatz zurück.
12.03.2024, 05:00 Uhr
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Geschäfte der Händler brechen stark ein
Von Florian Schwiegershausen

Jörg Niepel ist immer dienstags und donnerstags mit seinem Stand auf dem Findorffmarkt und verkauft dort Steinofenbrot und andere Backwaren. Das gute Wetter der letzten drei Wochen mache sich an seinem Umsatz bemerkbar: "Dadurch sind wieder mehr Menschen auf den Markt gekommen, das haben wir in der Kasse gespürt." Die vier Monate davor mit viel usseligem Wetter seien allerdings genau das Gegenteil gewesen. Und beim Rückblick auf das vergangene Jahr sagt Niepel, der auch Sprecher vom Findorffmarkt ist: "Die Menschen haben schon auf ihr Geld geachtet, so wie es überall berichtet wurde." 

Dieser Eindruck vom Wochenmarkt in Findorff könnte eine Blaupause sein für viele andere Wochenmärkte zwischen Flensburg und Berchtesgaden. Denn die gestiegenen Preise und die Sparsamkeit vieler Verbraucher habe den Händlern auf den Wochenmärkten bundesweit zugesetzt. Die Umsätze gingen 2023 im Vergleich zum Vorjahr inflationsbereinigt um 6,5 Prozent zurück, in einigen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen sogar um mehr als zehn Prozent. Das geht aus amtlichen Statistiken hervor. Die Erlöse der Branche sanken damit deutlich stärker als die des Einzelhandels insgesamt, der real 3,3 Prozent weniger umgesetzt hat.

„An Verkaufsständen und auf Märkten werden vorwiegend Lebensmittel verkauft, die 2023 besonders hohe Preissteigerungen zu verbuchen hatten“, sagte Handelsexperte Marcel Schorsch vom Statistischen Bundesamt. Die Produkte seien in der Regel teurer, „sodass die Kunden bei steigenden Preisen nach kostengünstigeren Alternativen gesucht haben.“ Vor allem Discounter profitierten zuletzt davon, dass viele Verbraucher auf günstige Alternativen ausgewichen sind. Sie verzeichneten unter anderem ein deutliches Plus bei Bio-Produkten.

Obst und Gemüse im Preis gestiegen

Laut Hans-Christoph Behr von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft verdanken die Wochenmärkte ihre Umsätze vor allem den steigenden Preisen. Der Mengenumsatz und die Zahl der Haushalte, die dort einkaufen, sei deutlich rückläufig. Laut Daten der GfK-Marktforscher entfielen in Deutschland nur 1,1 Prozent der Verbraucherausgaben bei frischen Lebensmitteln wie Obst, Gemüse, Kartoffeln, Fleisch, Fleischwaren, Geflügel, Eier, Käse, Brot und Gebäck auf Wochenmärkte. „Die Branche hat in den vergangenen 30 bis 40 Jahren insgesamt stark an Bedeutung verloren. In der Bevölkerung sind die Märkte beliebt, aber viele Menschen gehen gar nicht hin“, so Behr.

Gestiegene Umsätze wegen Corona

Der Bundesverband Schausteller und Marktkaufleute (BSM) sieht einen weiteren Grund für den Einbruch beim Geschäft, nämlich eine Normalisierung nach der Coronazeit. In den Jahren 2020 bis 2022 hätten die Märkte ein außergewöhnliches Umsatzplus verzeichnet, sagte BSM-Sprecher Olaf Lenz. „Viele Kunden haben es vorgezogen, ihre Einkäufe unter freiem Himmel zu tätigen, um das Risiko einer Infektion zu reduzieren.“ Nach der Pandemie änderten die Verbraucher ihre Einkaufsgewohnheiten jedoch wieder. Lenz zufolge habe man inzwischen wieder das Niveau vor Corona erreicht.

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Auf dem Wochenmarkt in der Bremer Neustadt an der Pappelstraße, Ecke Delmestraße, sei das bei Andreas Mahlstedt mit seinem Obst- und Gemüsestand nicht so. Er freut sich und sagt: "In der Corona-Zeit bekamen wir neue Kunden hinzu, und die sind auch jetzt nach der Pandemie geblieben." Sein Vorteil sei aber auch, dass der kleine Wochenmarkt mitten im Wohnviertel sei, wo eben automatisch viele Menschen vorbeilaufen. Schon sein Opa hatte den Stand, fing damit 1960 an. So einige Kunden kennt er, seit sie Kinder waren. Entsprechend der Schnack, als eine Kundin Weintrauben haben möchte: "Schau, hier sind die. Die haben quasi schon auf Dich gewartet."

Die Eier, die er verkauft, sind vom eigenen Hof in Syke-Sörhausen, sowie im Sommer Salat, Gemüse und Kartoffeln. Einer von Mahlstedts Mitarbeitern sagt aber dennoch, dass die Leute aufs Geld achteten. Aber Andreas Mahlstedt zeigt sich zufrieden.

"Zum Wochenende hin wollen sich die Menschen etwas gönnen"

Die städtische Firma M3B, die für Bremens Wochenmärkte zuständig ist, bestätigt beim Blick auf 2023 die Zurückhaltung, die auch das Statistische Bundesamt festgestellt hat. Im Steintor am Ziegenmarkt wurden die Markttage reduziert, ebenso wie in der Neustadt an der Gottfried-Menken-Straße. Die Wochenmärkte an der Uni und in Hemelingen wurden eingestellt. Für den Findorffmarkt kann der dortige Sprecher Jochen Niepel jedoch feststellen: "Je mehr es in Richtung Wochenende geht, umso mehr steigen die Umsätze. Da gibt es dann doch einige, die sich trotz der gestiegenen Preise etwas gönnen wollen."

Wegen des Schnacks, wie er nicht nur bei Andreas Mahlstedt in der Neustadt üblich ist, kommen die Kunden ebenso. Auch deshalb haben Wochenmärkte eine Zukunft, wie Sven Schulte als fachpolitischer Sprecher der Industrie- und Handelskammern NRW feststellt: „Die Menschen gehen nicht nur dorthin, um sich zu versorgen. Ein Markt ist immer auch ein Treffpunkt und hat eine soziale Funktion.“ Hinzu komme die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Lebensmitteln. 

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