"Was macht ein T-Rex an seinem Geburtstag?" Wolfgang Büchner zieht die Glückwunschkarte mit dem grünen Dinosaurier aus dem Ständer und hält sie seinem Gegenüber erwartungsvoll unter die Nase. "Eine Klappkarte", erklärt er. "Mit Musik. Wenn man die also aufklappt, dann..." – dudelt die Musik drauflos und der Dino schwingt das Bein, um mit Sonnenbrille auf einem Skateboard durchs Bild zu rollen. Der Kartenverkäufer ist begeistert: "Ist doch toll, oder?"
Ein Dino, der immer noch gut in Schwung ist – die vordergründig beruhigende Botschaft richtet sich wohl an Jubilare, die mit dem Alter zwar zu hadern beginnen, das Wort "rüstig" aber noch als schlimme Beleidigung auffassen würden. Der gut gebaute Stripper dagegen, der – aufgeklappt – durch einen zappelnden Franz mit Glatze und Kugelbauch ersetzt wird, könnte auch für Gekicher auf einem Vierzigsten sorgen. "Es ist für jeden was da", versichert Büchner, Inhaber des Kartengeschäfts "Card Point" in der Lloyd-Passage. 12.000 verschiedene Motive hat ein Vertreter des Grußkartenverbands AVG einmal bei ihm gezählt und ihm dafür den Anstecker "Grußkartenspezialist" verliehen, den Büchner stolz am Sakko trägt.
Viel Platz ist eigentlich nicht in seinem kleinen Laden in der Lloyd Passage. Wohin mit all den Kartons, das fragt er sich jedes Mal, wenn eine neue Lieferung eintrifft; und das "Büro" musste irgendwie auch noch in dem Verschlag hinter der Kasse untergebracht werden. Aber Karten lassen sich ja zum Glück in kleine Fächer und auf drehbare Ständer stopfen, so dass all die lustigen, traurigen, freundlichen, mitfühlenden, frechen, höflichen und liebevollen Wünsche ihren Platz finden – zu wirklich jedem denkbaren Anlass: Geburtstag ("zumindest alle 5er Schritte"), Tod ("gestorben wird immer"), Hochzeit, Konfirmation, Jubiläum, Feiertage. Sogar zu Scheidungen hat Büchner etwas Passendes zu bieten ("verkaufe ich ungefähr vier im Jahr von") und auch zur Jugendweihe, einem ostdeutschen Ritual, das in Bremen kaum jemand kennt. Weihnachtskarten gibt es bei ihm das ganze Jahr. Ansichtskarten führt er dagegen nur noch ein paar, weil das Geschäft "ziemlich tot" ist – ein Selfie ist halt schnell verschickt. Und einmal musste er neulich passen, als jemand nach einer Karte zum jüdischen Neujahrsfest fragte.
Büchner ist ein Verkäufer. Schon immer gewesen, sein Leben lang. Der gelernte Einzelhandelskaufmann für PBS – Papier, Büro, Schreibwaren – war Abteilungsleiter bei Karstadt, später Geschäftsführer bei Dörrbecker, dem längst verschwundenen Schreibwarenladen in der Sögestraße. Am Ende leitete er die Geschäfte eines Grußkartenverlages.
"Es ist einfach zu verlockend"
Auch als es eigentlich Zeit gewesen wäre, in Rente zu gehen, verkaufte Büchner lieber weiter seine Karten. Seit 2018 führt er zusammen mit seinem Sohn Philip den Laden in der Lloyd Passage, sechs Tage die Woche, zehn Stunden am Tag. "Es ist einfach zu verlockend", sagt der 72-Jährige. Wäre er noch etwas jünger, könnte man sagen: Die Passage ist "seine Hood", sein Revier – da kennt er sich aus, auch wenn nicht immer alles blinkt und glitzert. Den Paketboten und die Bedienung aus dem Café nebenan kennt er mit Vornamen, und als guter Verkäufer legt er Wert darauf, alle immer mit Namen anzusprechen, das gehört einfach dazu.
Aber wenn er dann links und rechts die überdachte Einkaufspassage entlang schaut, überkommt ihn ein ungutes Gefühl. "Früher war das mal eine 1a-Lage", sagt Büchner. Und heute? Acht Leerstände hat er gezählt, abgeklebte oder leere Schaufenster – der Besitzer des Schnellimbiss ein paar Meter weiter will auch aufgeben. Der Rest: ein Drogeriemarkt, eine Parfümerie, ein Modegeschäft, ein Telefonladen – alles Ketten. Das Warenhaus gegenüber, an dem noch der alte Name "Karstadt" hängt – ein Sanierungsfall seit Jahren, wer weiß, was daraus wird.
Corona und der Lockdown hätten ihn fast die Existenz gekostet. Der Umsatz fehlt ihm noch immer in der Kasse; ohne die staatlichen Beihilfen und das Entgegenkommen seines Vermieters wäre es vorbei gewesen mit seinem Kartengeschäft. Zum Glück hat er seine Rente, "denn von dem Laden allein könnten wir nicht leben", räumt Büchner ein. Die Nachfolge? Unklar.
Und jetzt steigen auch noch die Preise: Das Papier wird teurer, es fehlen die Mikrochips, und ohne Chip in der Karte schwingt der Dino kein Bein, zieht der Stripper nicht blank, scheppert kein "We will rock you" aus der aufgeklappten E-Gitarre. Zehn Euro will der Hersteller jetzt für seine Musikkarten haben, viel Geld für einen Geburtstagsglückwunsch. "Aber für viele ist das doch ein Highlight, gerade in schlechten Zeiten", hat Büchner beobachtet. Das Schreiben, die Karte zum Geburtstag, mit einem Spruch und den besten Wünschen – das bleibt vielen Menschen ein Bedürfnis. Und solange das so ist, will er weitermachen. Die erste Weihnachtskarte hat er gerade verkauft, an einen Kunden, der den steigenden Preisen zuvorkommen wollte. "Wer sonst nie eine Karte schreibt, schreibt doch zu Weihnachten", sagt Büchner. Ab Oktober kommen die Ständer mit Weihnachtskarten in den Laden.