Herr Brothuhn, die Banken umgarnen die Kunden wieder mit Zinsen – das hat es lange nicht gegeben. Die Werbung stört Sie aber. Warum?
Ulf Brothuhn: Weil die Werbung den Kunden suggeriert, wenn es einen entsprechenden Einlagenzins gibt, dann ist alles gut. Das ist aber bei Inflationsraten von noch deutlich über fünf Prozent nicht der Fall. Selbst mit Zinsen von zwei bis über drei Prozent schlägt man nicht die Inflation. Die Werbung ist aus meiner Sicht irreführend. Kunden sollten unbedingt einen Teil ihres Vermögens langfristig anlegen. Das halte ich für extrem notwendig.
Wissen die Kunden das nicht auch selbst?
Wir sehen doch aber seit Jahrzehnten, dass die Deutschen weiterhin ein sehr ambivalentes Verhältnis zu Aktien und Aktienfonds haben. In anderen Ländern Europas und auch in den USA ist die Aktienkultur völlig anders ausgeprägt. Die Menschen profitieren dort von der Anlageklasse. Als Banken und Finanzberater können wir allerdings nicht gegen den Willen und die Psychologie der Kunden anberaten.
Auf Ihrer Website wird bisher nicht mit Konditionen für Zinsen geworben. Steht dahinter eine Strategie?
Unsere Botschaft ist, dass die Zinsen nur ein Tropfen auf den heißen Stein sind. Wir möchten, dass sich die Leute erst mal mit uns an einen Tisch setzen. Unsere Hoffnung dabei ist, dass sie sich wirklich aktiv mit Alternativen auseinandersetzen – um dann ihre Entscheidung treffen.
Wie viel gibt es bei Ihnen an Zinsen?
Wir haben gerade eine Entscheidung dazu getroffen. Ab Montag werden alle Bestandskunden 0,5 Prozent Zinsen auf ihr Geld bekommen. Wir bieten außerdem bei einem Onlineabschluss ohne Beratung ab sofort Zinssätze von mehr als zwei Prozent auf Tagesgeld und Festgeld an – und zwar anders als Direktbanken, deren Lockangebote oft nur für sechs Monate gelten, dauerhaft. Damit schaffen wir ein konkurrenzfähiges Angebot.
Die Bestandskunden müssen höhere Zinsen bei Ihnen schon einfordern?
Richtig. Wer eine Beratung mit uns vereinbart, kann ebenfalls deutlich über zwei Prozent beim Tages- und Festgeld bekommen.
Die Konkurrenz im Netz zahlt mit 3,5 Prozent teils noch mehr. Viele dürften sich ohnehin die Frage stellen: Warum kommen die Zinsen nur langsam an, wenn es ums Ersparte geht? Bitte erklären Sie das.
Die Banken haben natürlich stark unter der Negativzinsphase der vergangenen Jahre gelitten. Wir haben diese Belastung nie eins zu eins weitergegeben – keiner in der Branche. Jetzt hat sich die Situation verändert. Die Banken schauen natürlich: Wie entwickelt sich der Wettbewerb? Das ist wirtschaftliches Verhalten. Es gab Zeiten, wo viele Banken gesagt haben: Ich setze nicht mehr auf Kundeneinlagen als Refinanzierungsquelle. Das dreht sich gerade erst. So erklärt sich die Zeitverzögerung. Außerdem ist die Zinspolitik der EZB für die Kreditwirtschaft manchmal irritierend – was die Kalkulation schwer macht. Aus diesen Gründen sind wir Banken zögerlich bei der Weitergabe der Zinsen.
Warum geht es bei den Krediten schneller?
Auf der Kreditseite orientieren wir uns nicht allein am Leitzins der EZB, sondern schauen uns die Zinsen am Kapitalmarkt an. Alle Banken hängen mit ihren Kalkulationssystemen daran. Schon vor den Zinsschritten der Zentralbank hat der Kapitalmarkt auf die veränderte Lage reagiert. Die Zinsen sind gestiegen. Wir glauben übrigens insbesondere bei den langfristigen Zinsen, die auch für die Häuslebauer entscheidend sind, nicht mehr an große Steigerungen, wobei der Peak womöglich noch nicht erreicht ist. Im Moment zieht die Nachfrage nach Immobilienkrediten wieder an.
Viele müssten eine bessere Vermögensvorsorge treffen. An der Aktienmentalität hat sich aber nicht viel verändert.
Das würde ich unterschreiben. Das Problem fängt schon bei der Finanzbildung in der Schule an. Wir müssen da was machen – Aktien sind kein Teufelszeug. In vielen Köpfen hat sich aber die Telekom-Aktie eingebrannt. Jeder hat die 1996 gekauft. Ich habe auch noch einen Erinnerungsposten im Depot. Der Kurs ist dann aber brutal eingebrochen. Dadurch hat die Aktienkultur noch einen Dämpfer gekriegt.
Wie sollten Kunden mit Aktien umgehen?
Ich werbe immer dafür, dass Menschen sich damit auseinandersetzen, was eine Aktie ist. Wer sich nicht selbst täglich mit der Börse beschäftigen möchte, kann ganz einfach einen Aktiensparplan machen. Die Beratung zu Fonds ist etwas teurer. Wer auf sogenannte ETF setzt, die etwa einen Index wie den Dax abbilden, zahlt wesentlich weniger Gebühren.
Wo geht es mit den Kosten los?
Sie können bei uns einen Sparplan ab 25 Euro im Monat abschließen. Die Provision auf den Anlagebetrag liegt bei diesem Produkt bei unter einem Prozent. Bei den ETFs sind es 0,3 und 0,5 Prozent. Wer ganz spezielle Anlagen sucht, muss mehr Gebühren zahlen. Die Banken müssen transparent offenlegen: Was kostet es den Kunden? Aus meiner Sicht gibt es aber zu viel Bürokratie bei der Anlageberatung. Da wird Verbrauchern und den Banken viel Lektüre zugemutet. Der Verbraucherschutz müsste an der Stelle zielgerichteter sein.
Wie sieht das Anlageverhalten von Jüngeren aus?
Wir sehen bei den Jüngeren eine Leidenschaft dafür, sich mit den Instrumenten auseinanderzusetzen. Oft werden über die Social-Media-Community einige Werte gehypt. Auf die Aktien eines Unternehmens zu setzen, kann aber auch richtig schiefgehen. Da sind wir wieder bei der Finanzbildung. Ich würde sagen: Liebe Leute, ich finde es cool, dass ihr die neuen Apps nutzt. Legt aber bitte den Großteil eures Geldes seriös an, indem ihr das Risiko streut. Einige spielen dagegen mit ihrem ganzen Geld.
Welchen Schaden trägt die Wirtschaft von der fehlenden Aktienkultur davon?
Viele Investoren aus dem Ausland haben sich in der Vergangenheit an den hierzulande am Kapitalmarkt gelisteten Unternehmen beteiligt. Ob das nun ein Schaden ist oder eine Chance? Ich mag das nicht abschließend beurteilen. Nur wenn Deutschland im Augenblick international als der 'neue kranke Mann' Europas gehandelt wird, heißt das schon, dass sich die Nachfrage von Investoren aus dem Ausland nicht unbedingt dynamisch weiterentwickelt. Das könnte langfristig ein Problem werden.
Das Gespräch führte Lisa Schröder.