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SWB stellt Bilanz vor Zukunft der Kohlekraftwerke ist offen

Die EWE will eigentlich bis 2026 aus der konventionellen Energieerzeugung aussteigen. Doch unklar ist, ob die mit Kohle betriebenen Kraftwerke der Tochter SWB bis dahin tatsächlich vom Netz gehen.
28.05.2018, 20:46 Uhr
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Zukunft der Kohlekraftwerke ist offen
Von Lisa Schröder

Die Dauerbaustelle geht voran. Pünktlich zur Vorstellung der Bilanz für das vergangene Geschäftsjahr der SWB am Montag ist wegen der Kanalsanierung in der Findorffstraße der nächste Abschnitt gesperrt. Aus dem Hauptsitz des Bremer Energieversorgers lässt sich der Fortschritt genau beobachten.

Doch die Investitionen in die Infrastruktur von geplant jährlich 84 Millionen Euro sind nicht die einzigen großen Baustellen für die SWB. Die kohlefreie Zukunft soll in acht Jahren beginnen – das sieht zumindest die derzeitige Strategie des Oldenburger Energieversorgers EWE vor. Bis dahin will der Mutterkonzern der SWB komplett aus der konventionellen Energieerzeugung aussteigen. Tatsächlich gibt es seitens der Tochter bisher kein verbindliches Ausstiegsziel für die zwei mit Kohle betriebenen Kraftwerke im Block 6 im Hafen und in Hastedt. Der Vorstand der SWB entscheidet darüber selbstständig.

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Wie lange die Laufzeit der beiden Werke noch dauert, ist offen. Der dort erzeugte Strom wird an der Börse gehandelt, was zunehmend unrentabler ist. „Fakt ist, solange die Preissituation so ist, werden wir die Anlagen nicht dauerhaft betreiben können“, sagt der Vorstandschef der SWB Torsten Köhne. Ab diesem Jahr profitiert das Unternehmen wegen einer gesetzlichen Neuregelung nicht mehr von den sogenannten vermiedenen Netzentgelten. Das hat unter anderem dazu zugeführt, dass die EWE Holding 2017 einen Millionenbetrag wegen der SWB abschreiben musste.

Ob die Blöcke im Hafen und in Hastedt 2030, 2025 oder früher eingestellt werden, das müsse man sehen, sagt Köhne. Derzeit sei nicht klar, wie sich die Preise entwickeln. An beiden Standorten arbeiten jeweils etwa 200 Menschen. Für sie müsste bei einer Stilllegung eine neue Aufgabe im Konzern gefunden werden. Zudem wird in beiden Werken Fernwärme mit der Kohle produziert. Auch hierfür muss es Ersatz geben, wenn das Werk nicht mehr betrieben werden sollte. Doch zur Stilllegung gibt es Alternativen: Die Kraftwerke könnten dem Vorstand zufolge durchaus auch verkauft werden.

Umweltsenator fordert Ausstieg

Der Bremer Umweltsenator Joachim Lohse (Grüne) spricht dagegen klare Worte: „Die Kohlekraftwerke müssen so schnell wie möglich abgeschaltet werden. Jedes Jahr, in dem der Betrieb dieser Kraftwerke andauert, ist ein schlechtes Jahr für das Klima.“ Das gelte nicht nur für die Bremer Kohlekraftwerke, sondern weltweit. Die SWB ist bereits ganz konkret auf der Suche nach einer Alternative zur Kohle. Zusammen mit einem Partner aus Japan arbeitet das Unternehmen an einer Lösung mit Biomasse. Das Projekt ist millionenschwer. Biomasse, wie etwa Grünschnitt, soll unter hohem Druck zu Pellets verwandelt werden und anstelle von Steinkohle in das Kraftwerk in Hastedt eingebracht werden. Doch das Vorhaben steht noch am Anfang. Neben der Wirtschaftlichkeit stelle sich laut Köhne noch die Frage, wohin das Abwasser fließt, das beim Pressvorgang entstehe.

Trotz der offenen Kohle-Frage sieht sich die SWB bei den eigenen Klimazielen voranschreiten. Der CO₂-Wert sei deutlich gesunken. Die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien habe man in den vergangenen zehn Jahren etwa versechsfacht und mit einer halben Milliarde Euro Kraftwerke modernisiert oder sauber gebaut. Dazu zählt das im vergangenen Jahr in Betrieb gegangene klimaschonendere Gas- und Dampfturbinenwerk. Bis 2020 will die SWB für die Stromerzeugung 20 Prozent aus alternativen Energien ziehen. Das ist schon jetzt mit einem Anteil von 19 Prozent fast gelungen. Rückenwind gibt es durch den Kauf des Windparkentwicklers Gewi aus Husum. „Wir sind immerhin bei 83 Megawatt installierter Leistung bei der Windenergie. Das ist eine ganze Menge“, sagt Köhne.

Das Ergebnis der SWB fiel jedoch deutlich geringer aus: Der Gewinn vor Zinsen und Steuern lag 2017 bei 80,4 Millionen Euro – im Vorjahr aber noch bei 195,8 Millionen Euro. Timo Poppe, Vorstand für Infrastruktur und Finanzen, sprach auf der Bilanzkonferenz dennoch von einem stabilen operativen Ergebnis. Denn der Rückgang entstand vor allem, weil das Unternehmen die betriebliche Altersvorsorge neu ordnete. Das führte zu einem Sondereffekt. Die Dividende für den Mutterkonzern EWE von 11,1 Millionen Euro liegt 2017 unter den eigenen Zielvorgaben der SWB. Die Ausschüttung solle „deutlich höher“ ausfallen, sagt Köhne, konkrete Zahlen wollte er jedoch nicht nennen. Zur Preisentwicklung für Kunden der SWB äußert sich der Vorstand ebenfalls nicht, deutete aber an, dass Gas, wenngleich nicht mehr an den Ölpreis gekoppelt, wie dieser teurer werden könne.

Vor großen Anstrengungen steht die SWB auch bei der Umsetzung der Sanierung ihres Netzes, denn die Baubranche ist ausgelastet. „Selbst wenn man das Geld bereitstellen kann, sind die Investitionen nicht eben ratzfatz gemacht“, sagt Köhne. Dieses Problem wird Poppe zufolge die Vorhaben begleiten: „Überall wird gebaut. Es gibt derzeit keine Tiefbaufirma, die auch nur zwei Mann übrig hat.“ Die SWB laufe aber in eine Phase der Reinvestition. „Das hängt damit zusammen, dass in den 50er- und 60er-Jahren viele Infrastrukturen neu aufgebaut worden sind.“ Nun seien die damals gelegten Leitungen für Wasser, Abwasser, Strom und Erdgas aber an ihr Lebensende gekommen. Darüber hinaus will die SWB Poppe zufolge für 35 Millionen Euro eine Verbindungsleitung vom Müllheizkraftwerk bauen, um die dort produzierte Fernwärme in die Vahr zu bringen. In Bremerhaven soll ein weiteres Trinkwasserwerk entstehen für 20 bis 25 Millionen Euro.

Stromnetz nicht für E-Autos gerüstet

An das Stromnetz gibt es zudem neue Herausforderungen durch die Elektromobilität. Zwar gebe es derzeit noch wenig E-Autos auf der Straße, es sei jedoch davon auszugehen, dass sich das deutlich ändert, sagt Poppe. „Da muss man konstatieren, dass unser heutiges Stromnetz dafür nicht ausgelegt ist.“ Die Belastung sei dafür zur groß. „Das betrifft gerade kleine Straßen in Wohngebieten, wo man nicht mal eben vier Teslas zeitgleich ans Netz schließen kann.“ Um die Investitionen für ein zukunftsfähiges Netz intensiv zu begleiten, steigt bald ein zweiter Geschäftsführer bei der Wesernetz ein.

An den Standort mit konventioneller Erzeugung von Strom und Wärme durch Kohle in Hastedt fließt derweil ein weiteres Innovationsvolumen für ein Hybridregelkraftwerk. Das Projekt mit einem Budget von knapp zehn Millionen Euro ist Köhne zufolge sehr innovativ und wird in großem Umfang von der EU gefördert: Denn durch die Kopplung einer 15-Megawatt-Batterie und der bereits bestehenden Fernwärmespeicher könne die SWB sogenannte Primärregeleistungen an den Netzbetreiber sehr effizient anbieten.

Im Sommer will die EWE eine neue Konzernstrategie vorlegen. Köhne betont, dass es in den Gesprächen bisher Einigkeit in vielen Punkten gebe. Mutter und Tochter wollen in Zukunft vermehrt zusammenarbeiten. Vielleicht gibt es dann auch eine gemeinsame Linie für die Kraftwerke.

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