Seit dem 14. Dezember 1972 hat kein Mensch mehr den Mond betreten. Das könnte sich in naher Zukunft ändern – und an der notwendigen Technik wäre dann maßgeblich der Bremer Standort von Airbus Defence and Space beteiligt. An diesem Freitag ist am Bremer Airport das erste Europäische Servicemodul (ESM) für das Nasa-Raumschiff Orion ausgeliefert worden. Und das Made-in-Bremen-Modul ist beim Orion-Programm von entscheidender Bedeutung, denn ohne das ESM kann das Raumschiff nicht fliegen: Es ist für Antrieb, Energie und Thermalkontrolle zuständig und soll künftig Astronauten auf ihren Missionen mit Wasser und Sauerstoff versorgen. Mit den geplanten Missionen zum Mond und tiefer ins All hinein will die Nasa Fähigkeiten aufbauen, Menschen zum Mars zu bringen. Es wäre der Aufbruch in eine neue Ära der Weltraumforschung.
"Wir kehren nicht nur zum Mond zurück. Wir gehen tiefer ins Weltall als es die Menschheit je zuvor getan hat", sagte am Freitag Bill Gerstenmaier, Nasa-Direktor für bemannte Raumfahrt. Geplant ist auch, dass Orion einmal für den Aufbau einer Raumstation, dem "Deep Space Gateway", in der Mondumlaufbahn eingesetzt wird.
Zunächst soll das sogenannte Multi-Purpose-Crew-Vehicle (MPCV) 2020 vom Kennedy Space Center in Florida mit der neuen Schwerlastrakete der Nasa, dem Space Launch System SLS, zu einem unbemannten Flug zur ersten Mission starten. Dabei soll Orion den Mond mehrfach umrunden und das Raumfahrzeug auf eine Entfernung von mehr als 64000 Kilometern über den Erdtrabanten hinaus bringen. Für Sommer 2022 ist Exploration Mission 2 geplant, der erste Flug mit Astronauten an Bord.
2014 wurde Airbus DS von der Europäischen Raumfahrtbehörde für die Entwicklung und Fertigung des 390 Millionen Euro teuren Versorgungsmoduls als Hauptauftragnehmer ausgewählt. Noch nie hätten die Europäer ein so kritisches Teil zu einem US-Raumschiff beigetragen, sagte Nasa-Programmleiter Mark Kirasich. David Parker, Esa-Direktor für bemannte Raumfahrt bezeichnete die Auslieferung in Bremen als "historischen Moment".
Die Bereitstellung des ESM durch Europa sei Teil eines transatlantischen Tauschhandels, hatte Johannes Weppler, ESM-Programmleiter im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, im Vorfeld erklärt. Es diene als Kompensation der Kosten für Betrieb und Versorgung der Internationalen Raumstation (ISS), der durch die Nasa erfolge. Deutschland sei von den europäischen Mitgliedsstaaten der wichtigste Partner für die weiteren an der ISS beteiligten Raumfahrtnationen USA, Russland, Japan und Kanada.
In die Tiefen des Weltalls
"Ich freue mich besonders, dass wir in Deutschland mit dem ESM auch auf die Expertise der fünf ATV-Transporter aufbauen und uns hier weiterentwickeln können", so Walther Pelzer, DLR-Vorstand für das Raumfahrtmanagement und in dieser Funktion für die deutschen Esa-Beiträge zuständig. Die ATV-Raumfrachter – die Automated Transfer Vehicles wurden bei Airbus DS in Bremen entwickelt und gebaut – hatten die Internationale Raumstation ISS von 2008 bis 2015 regelmäßig mit Nachschub versorgt.
„Die Auslieferung des ersten europäischen Servicemoduls für das Nasa-Raumfahrzeug Orion ist ein herausragender Moment, und die bahnbrechende Nasa-Mission in die Tiefen des Alls nimmt nachhaltig Fahrt auf", sagte Oliver Juckenhöfel, Leiter von On-Orbit Services and Exploration bei Airbus DS in Bremen. Wobei es natürlich eine größere Herausforderung und technisch anspruchsvoller sei, in die Tiefen des Weltalls zu fliegen, als an der ISS anzudocken. Mit den Auftraggebern Esa und Nasa sowie dem US-Industriepartner Lockheed Martin Space Systems habe man im Rahmen des Orion-Projekts eine außergewöhnliche, effiziente und sehr direkte Kooperation aufbauen können. "Wir werden das Vertrauen in unser Know-how und unsere Kompetenz, das ESA und NASA bereits für die Entwicklung und den Bau des ersten europäischen Servicemoduls in uns gesetzt haben, mit hoher Motivation weiter stärken: Die Integration des zweiten Servicemoduls in unseren Reinräumen hat bereits begonnen.“
Das ESM, das sich bei der Rückkehr von der Crewkapsel trennt und in der Erdatmosphäre verglüht, enthält mehr als 20 000 Bauteile und Komponenten, von elektrischer Ausrüstung bis zu Triebwerken, Solarpaneelen, Tanks für Treibstoff und Lebenserhaltungssystemen sowie mehrere Kilometer Kabel und Rohrleitungen. Das ESM ist ein Zylinder mit einer Höhe und einem Durchmesser von je etwa vier Metern. Es verfügt wie schon das ATV über einen markanten, vierflügeligen Solargenerator mit 19 Metern Spannweite nach Entfaltung, der genug Energie liefert, um zwei Haushalte mit Strom zu versorgen. Die 8,6 Tonnen Treibstoff des Servicemoduls versorgen ein Haupttriebwerk und 32 kleinere Antriebe. Das ESM hat ein Gesamtgewicht beim Start von etwas mehr als 13 Tonnen.
Das Servicemodul soll am 5. November morgens um 7 Uhr mit einer Antonov-Frachtmaschine zum Kennedy Space Center (KSC) geflogen werden. Wobei der erste Stopp schon gleich in Hannover sein wird: Erst dort wird die Maschine vollgetankt, weil die Startbahn in Bremen bei vollem Startgewicht nicht ausreichend wäre. Im KSC wird das europäische Service-Modul dann mit der Orion-Crewkapsel – sie ist für vier Astronauten ausgelegt – und ihrem Adapter verbunden und auf den ersten unbemannten Testflug vorbereitet. Daran werden auch ein paar der etwa 250 Airbus-Mitarbeiter beteiligt sein, die in Bremen das ESM gebaut hatten. Doch das war am Freitag kein Thema: Die Mitarbeiter, die zum Großteil mit ihren Familien kamen, feierten in der Bremenhalle am Airport die Auslieferung des Servicemoduls.