Vegesack. Erst gab es ein Holzmodell, das die Dimensionen der Gebäude deutlich machte. Jetzt gibt es zum ersten Mal mehrere Grafiken, die zeigen, wie sie tatsächlich aussehen könnten: Die Architekten von Caruso St. John haben die Pläne für das Wohnbauprojekt auf dem Grundstück des früheren Vulkan-Kontorhauses konkretisiert, auch zeitlich. Das Londoner Büro geht davon aus, dass die Bauarbeiten im nächsten Jahr beginnen und im übernächsten abgeschlossen sein könnten. Die Deputation hat dem Bebauungsplan für das Millionenvorhaben inzwischen zugestimmt – trotz erneuter Kritik von Anwohnern.
Sie sind noch mal gesondert informiert worden. Der Beirat wollte es so. Darum sind Stephanie Webs und Thomas Back erneut von London nach Vegesack gekommen. Im März hatten die beiden Architekten von Caruso St. John sich und das Projekt in Grundzügen vorgestellt. In diesem Monat präsentierten sie während eines Treffens von Anliegern im Stadthaus, woran sie in der Zwischenzeit gearbeitet haben: nicht an einem einzigen Entwurf für zwei Wohnhäuser am Weserhang, sondern an einem Dutzend Versionen von Wohnhäusern.
Auch das wollte der Beirat so. Alternativen sollten her, damit die Fraktionen die Wahl haben, vor allem bei der Höhe der Gebäude. Die Politiker argumentieren, dass die 21 Meter, von denen die Architekten sprechen, zwar knapp unterhalb der Marke für ein Hochhaus bleiben, aber immer noch viel sind. Für die Anwohner zu viel. Sie befürchten, dass ihre Häuser später im Schatten der Neubauten stehen und ihnen die Sicht genommen wird. Für manche Anlieger der Schulken- und der Weserstraße sind die beiden Wohngebäude zwei Kolosse.
Bei den 21 Metern wird es voraussichtlich bleiben. Denn würden die neuen Häuser niedriger, müssten sie nach Angaben der Architekten breiter gebaut werden, damit es bei der Zahl der Wohneinheiten bleiben kann – 50 bis 60. Und breiter ist ihnen zufolge schlecht, weil dann unmöglich wird, was sie nach eigenem Bekunden möglich machen wollen: einen freieren Blick auf das Wasser und den Stadtgarten von der Weser- und der Schulkenstraße aus. Laut Webs und Back sollen die Neubauten keinen Riegel wie das frühere Kontorhaus bilden, sondern Lücken lassen.
Es gibt mehrere Grafiken, auf denen Sichtachsen eingezeichnet sind. Vor allem aber gibt es viele Ansichten der beiden Gebäude, mal von der Weser, mal vom Gelände der ehemaligen Gläsernen Werft aus. Die Bilder zeigen zwei Neubauten mit sechs beziehungsweise sieben Geschossen – und nicht mehr ein einzelnes Gebäude mit dreizehn, wie es Investor Ludwig Koehne ursprünglich entwerfen ließ. Damals hieß der Planer Hadi Teherani. Der Entwurf des Hamburger Stararchitekten fiel durch. Sowohl der Beirat als auch Anwohner lehnten ihn ab.
Teheranis Entwurf sah ein Gebäude mit viel Glas, Beton und Stahl vor. Die Gebäude von Caruso St. John zeigen das Gegenteil – wenig Glas, dafür viel roten Klinker. Das hatten Stephanie Webs und Thomas Back bereits bei ihrem ersten Besuch im März den Beiratsmitgliedern erklärt: Sie wollen mit Materialien bauen, die ortsüblich sind. Auch ihr damaliges Holzmodell hatte einen Rotton. Form und Farbe erinnerten die Vegesacker Fraktionen damals an die umgedrehte Kommode, den alten Wasserturm auf dem Stadtwerder.
Jetzt könnten sie die geplanten Neubauten auch mit dem Gebäude der Bremer Landesbank vergleichen. Auch das haben die Londoner Architekten entworfen. Die Fassade des Bankhauses in der Innenstadt ist nicht einfach glatt, sondern hat Ausbuchtungen, die quasi wellenartig verlaufen. Genauso wie bei den Entwürfen für die Häuser am Weserhang. Der Unterschied zur Landesbank ist, dass sich die Fassade andersherum wölbt: nicht nach außen, sondern nach innen. Nach Angaben von Webs und Back bekommen die Wohnungen so mehr Licht von außen.
Wie viele es genau werden sollen, konnten die Architekten den Anwohnern während des Treffens im Stadthaus nicht sagen. Fest steht bisher nur, dass mehr Eigentums- als Mietwohnungen geplant sind. Dass bei dem Projekt die 25-Prozent-Quote für sozialen Wohnungsbau gilt. Und dass es keine Balkone an beiden Gebäuden geben wird, damit der Verlauf der wellenförmigen Fassaden nicht unterbrochen wird. Dafür sieht der Entwurf der beiden Planer auf allen Etagen Loggien vor. Die meisten sind zur Weser beziehungsweise zum Stadtgarten ausgerichtet.
Auch eine hochwassersichere Tiefgarage soll gebaut werden. Mehr parkende Autos entlang der Schulken- und Weserstraße befürchten die Anwohner trotzdem. Und mehr Verkehr, besonders während der Bauphase. Sie gehen davon aus, dass die Straßen von den Lastwagen beschädigt werden könnten – und ihre Häuser durch die Erschütterungen der tonnenschweren Fahrzeuge gleich mit. Die Architekten sagten, was sie bereits im Beirat gesagt haben: dass bei den Bauarbeiten größtmögliche Rücksicht auf die Anwohner genommen werde und das Büro Caruso St. John viel Erfahrung mit Baustellen habe, die mitten in Stadt- und Wohngebieten liegen.
Belastungen durch Baustellenverkehr
Manchen Anliegern reicht das nicht. Sie wollen wissen, wie sich der Baustellenverkehr auswirken wird – und wie er so gelenkt werden kann, dass mit den geringsten Belastungen für die Nachbarschaft zu rechnen ist. Sie fordern einen genauen Plan. Auch Ortsamtsleiter Heiko Dornstedt will den. Er sprach sich während des Anwohnertreffens dafür aus, dass bis zur nächsten Beiratssitzung ein Verkehrskonzept für die Weser- und die Schulkenstraße vorliegen soll, das Klarheit schafft und Sicherheit bringt. Nach Angaben der Baubehörde wird das Amt für Straßen und Verkehr ohnehin eingeschaltet, um sich die Fahrbahnen und das Gebiet genauer anzuschauen.
Die Architekten rechnen mit einer Bauzeit von mindestens 18 Monaten, den Abriss des früheren Vulkan-Kontorhauses mitgerechnet. Im nächsten Monat soll der Bebauungsplan für das Wohnprojekt öffentlich ausgelegt werden. Die Baubehörde geht davon aus, dass noch in diesem Jahr der Planungs- und Genehmigungsprozess abgeschlossen wird. Bei dem Vorhaben soll es schnell gehen. Es steht auf einer Liste von Projekten, bei denen das Verfahren verkürzt wurde.