September, August, Juni, Juli und Mai – das sind, der Reihenfolge nach, die bei Bremerinnen und Bremern beliebtesten Heiratsmonate. Wenn Paare denn überhaupt noch den ehelichen Bund fürs Leben schließen, denn der Trend geht deutlich abwärts.
Im Jahr 2023, das sind die neuesten Zahlen des Statistischen Landesamtes, wurden in der Stadt Bremen 2014 Eheschließungen standesamtlich registriert. Im Land Bremen ging die Zahl der Hochzeiten von 3360 im Jahr 2018 auf 2347 zurück – das waren rund vier Hochzeiten je 1000 Einwohner, was der Bundesstatistik entspricht, der zufolge dies die zweitniedrigste Zahl an Eheschließungen seit 1950 war. Gut die Hälfte der über 18-jährigen Deutschen ist verheiratet, Mitte der 90er-Jahre waren es noch 60 Prozent. 2023 ist zugleich das Jahr der niedrigsten Ehescheidungsrate seit der deutschen Wiedervereinigung. Auch wenn es wenig romantisch klingt, lautet die gute Nachricht: Bis zur Scheidung dauerten Ehen 14,8 Jahre – etwa drei Monate länger als noch 1990.
Paartherapeutin Barbara Schmidt von der Findorffer „Beziehungswerkstatt Albatros“ weiß: „Es wird sehr viel geschimpft, die Leute wollten sich nicht mehr binden, sich nicht verpflichten, aber das gab es früher auch.“ Für Schmidt, die sich zur Altersgruppe der sogenannten Babyboomer zählt, steht außer Frage, „dass es auch in der Generation vor mir schon viele Nestflüchter gegeben hat, die ihre Freiheit gebraucht haben“. Andererseits stellt sie fest: „Junge Leute wollen immer noch heiraten, sich binden.“ Haben sich die Anforderungen an Partner oder Partnerin, die an eine Beziehung geknüpften Hoffnungen verändert?
Alles soll passen
„Die Tendenz geht zur Qualität“, sagt Barbara Schmidt und meint, „dass manche Maßstäbe nicht mehr so schwer wiegen wie früher“. Das Einkommen sei zum Beispiel weniger wichtig. „Mehr als früher gibt es heute den Wunsch, dass alles passt: Die Vorstellung vom Familienleben mit Kindern, dass die Beziehung auch langfristig romantisch sein soll, dass einen der Partner auffängt.“ Es spielten mehr Kriterien eine Rolle für das Zusammenleben als in früheren Generationen: „Wie und wo wohnen wir, wie und wie viel reist man?“
Heute gebe es viel mehr Möglichkeiten rauszukommen als früher, nicht zuletzt das Internet sorge für eine „viel größere Auswahl“ potenzieller Partnerinnen und Partner, sagt die Paartherapeutin. Zugleich werde rigoroser ausgesiebt, „und man lässt sich länger Zeit“ mit einer Entscheidung. „Vor 100 Jahren hat nicht jeder eine Weltreise gemacht, bevor er geheiratet hat. Man kann den Partner testen, es ist eine bewusstere Entscheidung von beiden Seiten.“
Im Jahr 2003 waren 528 Brautleute im Alter von 20 bis 25 Jahren, insgesamt heirateten 4982 Frauen und Männer in der Stadt, 3576 von ihnen zum ersten Mal. Zwei Jahrzehnte später waren es 306 von insgesamt 4028 – von denen 3270 ihre erste Ehe schlossen. Damals wie 2023 war die Altersgruppe der ab 40-jährigen Bräute und Bräutigame die größte unter den Bremer Hochzeitern.
Und die Scheidungspaare? „Statistisch ist es so, dass, wer sich verheiratet und – ganz spießig – ein Haus baut, auch länger zusammenbleibt“, sagt Paartherapeutin Barbara Schmidt. So funktionierten auch andere Formen vertraglich abgesicherter Partnerschaften, die es heute gibt.
Bei der Zeremonie „wollen die Menschen etwas Einzigartiges, Besonderes und Exklusives machen“, sagt Arzu Aykut von der Agentur Taubentraum. Sie bietet seit fünf Jahren von der Hochzeitsdekoration bis zum Diner „alles aus einer Hand“ und hilft bei der Inszenierung des Heiratsantrags. „Darüber wird sich viel mehr Gedanken gemacht als früher“, als es weder Instagram noch Tiktok gegeben habe. „Es gibt keine Grenzen, die Menschen wollen immer mehr“, sagt Aykut, „und Frauen sind knallhart in ihren Forderungen.“
Arzu Aykut erzählt das Beispiel eines jungen Bräutigams in spe, der sich „extrem unter Druck“ gesetzt habe, um seine Angebetete von sich zu überzeugen. „Am Tag des Hochzeitsantrags hatte er schon die Blumen abgeholt, als seine Freundin ihm ein Video mit einer Ansicht der New Yorker Skyline schickte.“ Die Textbotschaft dazu habe gelautet „so oder gar nicht“. Der junge Mann sei verzweifelt gewesen, „er tat mir wirklich leid“, sagt die Hochzeitsplanerin. „Wir haben dann gemeinsam nach einem Restaurant gesucht, und er hat sich für eines in Hamburg entschieden. Was daraus geworden ist, weiß ich nicht.“