Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Beistand für Inhaftierte und Entlassene Freiwillge helfen, die Isolation zu durchbrechen

Die Sozialpädagogin Rauja Al-Molla ist die zentrale Koordinatorin für Ehrenamtliche in der Straffälligenhilfe in Bremen. Sie schult und vermittelt Freiwillige an die JVA, die Bewährungshilfe und freie Träger.
07.09.2021, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Freiwillge helfen, die Isolation zu durchbrechen
Von Ulrike Troue

Obgleich bürgerschaftliches Engagement in der Straffälligenhilfe zahlenmäßig zu den sehr kleinen Bereichen zählt, spielt sie eine zentrale Rolle. Ehrenamtliche mit einer gefestigten Persönlichkeit können in der Justizvollzugsanstalt (JVA), in der Bewährungshilfe und bei den freien Trägern der Straffälligenhilfe dazu beitragen, dass es zu weniger Rückfällen kommt, indem sie Betroffenen wertschätzend begegnen und begleiten.

Die Bandbreite an Einsatzfeldern sei sehr groß, berichtet Rauja Al-Molla. Als Vollzugshelfer besuchen Ehrenamtliche ab 23 Jahren zum Beispiel Inhaftierte, "die isoliert und einsam sind, weil sie keine Familie oder Freunde haben", schildert die zentrale Koordinatorin für Ehrenamtliche in der Straffälligenhilfe. "Diese Privatpersonen sind ihr einziger Außenkontakt."

Auch für sportliche, kulturelle oder kreative Gruppenangebote in der JVA Oslebshausen würden Freiwillige benötigt. Nicht zuletzt seien sie wichtige Multiplikatoren zur Aufklärung, wie es im Strafvollzug zugehe, sagt Rauja Al-Molla. "Das ist keine geschlossene Gesellschaft."

Auf die Wiedereingliederung in die Gesellschaft durch eine systematische Betreuung von Gefangenen und Haftentlassen zielt das Chance-Projekt (https://www.chance-bremen.de) ab. Es ist wie die im Oktober 2020 neu geschaffene Koordinatorenstelle für Ehrenamtliche in der Straffälligenhilfe bei der Senatorin für Justiz und Verfassung angesiedelt. Projekt und Stelle sind bis zum Jahresende befristet, sollen aber nach Auskunft des Fachressorts verlängert werden.

Denn Ehrenamtliche erfüllen eine Brückenfunktion zwischen den straffällig gewordenen Menschen und der sozialen Umwelt: Sie hören zu, führen aufbauende Gespräche oder helfen beim Aufsetzen eines Briefes. Für eine Lockerung geeignete Insassen können beim Ausgang, Haftentlassene zum Arzt oder beim Behördengang begleitet werden. Auch Tipps zu gesunder Ernährung und Haushaltsführung gehören dazu.

Die Freiwilligen müssen keine besonderen Vorkenntnisse mitbringen. Sie sollten nach Auskunft des Justizressorts aber eine gewisse Lebenserfahrung, Einfühlungsvermögen, Teamfähigkeit, die Fähigkeit, Menschen zu motivieren und viel Geduld besitzen. Ferner müssen sie belastbar und tolerant sein, um sich mit der Lage und den Problemen Inhaftierter oder Haftentlassener auseinanderzusetzen. Und: "Es ist notwendig, sich abgrenzen zu können", betont Rauja Al-Molla.

Wegen der Vielzahl an Einsatzbereichen und Anforderungen ist die Koordinatorin für Ehrenamtliche in der Straffälligenhilfe seit Ende vergangenen Jahres die erste Ansprechpartnerin für interessierte Freiwillige. Sie führt das erste Vorstellungsgespräch und prüft die Eignung.

Von den 52 Bewerberinnen und Bewerbern, die ihrem Aufruf in den sozialen Medien gefolgt sind, hat Rauja Al-Molla 25 vollständig geschult. Die anderen 27 sind, da sie nicht genug Zeit haben, andere Vorstellungen, nicht erreichbar oder nicht zuverlässig gewirkt haben, nicht mehr dabei. Es gab nur drei Bewerber über 40 Jahre. Das vorwiegend jüngere Alter der Interessenten hätte sie erstaunt, gesteht die Sozialpädagogin. "Ihre Motivation ist in erster Linie: Sie wollen Menschen helfen. Straffällige sollen nicht vergessen werden." Eine mögliche Aufwandsentschädigung sei überhaupt kein Thema.

Während der Verein Hoppenbank als freier Träger der Straffälligenhilfe Interessierte ab 18 Jahren beschäftigt, sollten sie in der JVA mindestens 23 Jahre alt sein. JVA und Bewährungshilfe verlangen vor dem Aufnahmeverfahren zudem ein Führungszeugnis. In Ausnahmefällen könnten dort auch jungere Bewerber eingesetzt werden, sagt Rauja Al-Molla mit Blick auf eine selbstbewusste junge Frau, die Kriminologie studieren möchte. Sie könnte sich beispielsweise nur um jüngere weibliche Inhaftierte kümmern, findet die Sozialpädagogin.

Lesen Sie auch

Nach dem Erstgespräch werden die Bewerber geschult, wegen der Pandemie derzeit durch drei Schulungsvideos. Darin werden unter anderem das deutsche Strafsystem, mögliche Ursachen von Straffälligkeit, das Thema Kriminalität und Resozialisierung erläutert. Auch Verhaltensregeln kommen laut Al-Molla zur Sprache, etwa die Verpflichtung zur Neutralität und Kooperation mit den Hauptamtlichen. „Besonders gefallen hat mir der Aspekt mit den Voraussetzungen", urteilt ein Bewerber, "da einem nochmals erklärt wurde, was genau man darf und was nicht.“ Am Ende der Schulung füllen die Bewerber online einen Fragebogen zu ihrer Motivation aus. In einem zweiten persönlichen Gespräch werden offene Fragen geklärt.

Wer die Vorbereitung durchlaufen hat, erhält ein Zertifikat und einen Dienstausweis. Die 25 geschulten Freiwilligen vermittelt Rauja Al-Molla nun an passende Institution. Beim Ortstermin wird dann geklärt, ob für beide Seiten alles stimmig ist. "Ich hoffe, sie können im November, Dezember loslegen", wünscht sich die Sozialpädagogin.

Info

Die Bremer Koordinatorin in der Straffälligenhilfe Rauja Al-Molla hat ihr Büro in der Sonnemannstraße 3 und ist telefonisch unter 01 62 / 570 38 24 oder per E-Mail an rauja.al-molla@justiz.bremen.de zu erreichen.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)