Manche haben Angst davor, womöglich mit Medikamenten ruhiggestellt zu werden – andere fürchten Stigmatisierung: Es gibt verschiedene Gründe dafür, dass Menschen mit schweren akuten und chronischen psychischen Erkrankungen den Weg in eine Klinik scheuen und sich stattdessen alternative Hilfsangebote direkt in ihrem Lebensumfeld wünschen. Tatsächlich hat Bremens Bürgerschaft auch bereits 2013 eine Psychiatriereform hin zu mehr ambulanter Versorgung beschlossen – die jedoch bis heute nicht umgesetzt worden ist.
Mit einem „Fachtag Psychiatrie“ im BLG-Forum, den neben fast 100 Teilnehmern auch Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) besuchte, hat jetzt der Arbeitskreis „Neue Psychiatrie im Bremer Westen“ frischen Wind in die Diskussion über einen Komplett-Umbau des bestehenden Versorgungskonzepts gebracht.
Der Arbeitskreis, der sich Anfang 2017 unter dem Dach des Vereins Blaue Karawane gebildet hatte, hat nach der Schließung des Waller Rückzugshauses im März sein drei Jahre altes und viel gelobtes Modellkonzept für eine regionale psychiatrische Versorgung im Bremer Westen überarbeitet und möchte diesen Entwurf nun mit einer möglichst breiten Öffentlichkeit weiterentwickeln. Die drei Stadtteilbeiräte in Findorff, Walle und Gröpelingen haben sich Ende September dafür ausgesprochen, den „seit 2013 angestoßenen Transformationsprozess hin zu ambulanten, lebensweltnahen psychiatrischen Versorgungsstrukturen proaktiv zu begleiten“ und das Konzept weiter voranzutreiben, an dessen Ende ein regionales Zentrum für seelische Gesundheit stehen soll.
Krisenhaus für Notsituationen
In dieser aus drei Modulen bestehenden Einrichtung könnten Menschen niedrigschwellig, ambulant und ganzheitlich versorgt werden. Der erste Schritt auf dem Weg von einer laut Konzept „vornehmlich bettenorientierten Klinikpsychiatrie“ zu dem weitestgehend ambulant arbeitenden Zentrum soll demnach ein Krisenhaus sein, in dem Menschen in akuten Notsituationen Hilfe finden.
Zwei weitere Module, um die ein kostengünstiger und ansprechender Mobilbau wie das frühere „Rote Dorf“ in Walle anschließend schrittweise wachsen soll, sind ein Kriseninterventionsdienst und eine Akut-Tagesklinik, wo dann auch ehemaliges Klinikpersonal eingesetzt werden soll. „Ohne die Klinikleitung geht es nicht. Wir brauchen eine Klinikleitung, die hinter dem Gedanken der Transformation steht und das vor den eigenen Leuten vertritt. Das ist, was wir bisher vermissen“, sagt der Waller Psychiater Klaus Pramann, der in den 1980er-Jahren die Blaue Karawane quer durch die Bundesrepublik mitinitiiert hat.
Die Organisatoren hatten deshalb gehofft, nun auch mit Vertretern des Klinikum -Ost-Betreibers Gesundheit Nord (Geno) ins Gespräch zu kommen. Diese allerdings hatten kurz vor der Veranstaltung coronabedingt ihre Teilnahme abgesagt.