Aus einer Aktuellen Stunde waren am Ende beinahe zwei geworden, und die Bürgerschaft hätte gut und gerne wohl auch noch zwei weitere über die Senatskampagne zum Volksentscheid über die Zukunft der Galopprennbahn diskutieren können.
Vor unter anderem durch Mitglieder der Rennbahn-Bürgerinitiative (BI) gut gefüllten Zuschauerrängen stritten die Abgeordneten in der letzten Stadtbürgerschaftssitzung vor der Wahl um die Frage, ob es legal und integer sei, dass der Senat bis zu 250 000 Euro dafür ausgegeben hat, die Bremer unter anderem durch Flyer und Kinowerbung darauf hinzuweisen, dass sie am 26. Mai seiner Meinung nach besser mit „Nein“ (und damit für eine Bebauung) abstimmen sollten.
Auch Axel Adamietz, Freie-Wähler-Politiker und Rechtsanwalt, hörte zu. Er hegt starke Zweifel an der Legitimität der Kampagne und hatte angekündigt, eine Eilklage vor dem Verwaltungsgericht anstrengen zu wollen, wenn der Senat nicht einlenke (wir berichteten). In der Diskussion zumindest sah es nicht danach aus – SPD und Grüne verteidigten die Kampagne, die Linken sprangen ihnen bei. Scharfe Kritik kam von FDP, CDU und Bürgern in Wut.
„Ich finde es weiterhin äußerst dubios, nach welchen Kriterien der Senat hier Mittel ausgeben kann“, sagte Adamietz im Anschluss an die Diskussion. Auf jeden Fall solle sich seiner Meinung nach der Rechnungshof damit befassen. Ob er die Klage tatsächlich einreicht, soll sich an diesem Mittwoch entscheiden.
Andreas Sponbiel, Initiator der BI, äußerte sich angesichts der Möglichkeit, das Thema vor Gericht zu bringen, zunächst zurückhaltend. „Die beste Antwort auf die Kampagne des Senats ist es, beim Volksentscheid mit Ja zu stimmen“, sagte Sponbiel. Die Mitglieder der BI wollen verhindern, in den letzten Wochen vor der Abstimmung von den Bremern als „Streithansel“ wahrgenommen zu werden, außerdem wäre eine Klage „eine Sache des Parlaments“.
Ursprünglich allgemeiner Beschluss
Zuvor hatte FDP-Fraktionsvorsitzende Lencke Steiner die Kampagne als „ganz bewusste Beeinflussung der Wahl“ und eine Riesen-Sauerei bezeichnet; ihre Fraktion hatte die Aktuelle Stunde beantragt. „Sie hätten lieber mal eine Kampagne für eine höhere Wahlbeteiligung starten sollen“, sagte sie in Richtung von Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) und forderte ihn auf, „diese pure Arroganz der Macht“ zu beenden. „Wenn wir als Fraktion so eine Kampagne gestartet hätten, oder die CDU oder die Linke, wäre der Rechnungshof durchgedreht“, schimpfte Steiner.
Sieling wiederum argumentierte, bei der Frage der Zukunft des Rennbahngeländes gehe es um eine zentrale Frage zur Zukunft Bremens. Man habe die zeitlichen Fristen, die eigentlich für einen Volksentscheid gelten, „drastisch verkürzt“, um die Abstimmung zeitgleich mit der Wahl zu ermöglichen und damit die Chance, dass sich möglichst viele Bremer beteiligen.
„Wir haben eine schnelle Entscheidung möglich gemacht, und das verpflichtet uns, sicherzustellen, dass bei den Bremerinnen und Bremern eine hohe Sachkenntnis vorhanden ist“, sagte Sieling. Der Senat trete für das Gemeinwohl ein. Ähnlich formulierte es Robert Bücking (Grüne).
„Der Senat und die Bürgerschaft sind gewählte Repräsentanten der Stadtgesellschaft“, sagte er. Insofern könne man nicht erwarten, dass sich der Senat nun bei einer derartigen Entscheidung „zum Zaungast“ mache, zumal es ursprünglich einen gemeinsamen Beschluss der Bürgerschaft gegeben habe, 50 Prozent des Geländes zu bebauen.
Björn Tschöpe (SPD) sekundierte, alle Argumente, ob pro oder contra Bebauung, seien parteiergreifend. „Aber hier wird der Vorwurf erhoben, es gehe um ,wir da unten‘ und ,ihr da oben‘, also Bürger gegen das Establishment. Das hat mit der Realität gar nichts zu tun.“
Jens Eckhoff (CDU) monierte, SPD und Grüne hätten sich nicht ausreichend mit den Sorgen der Rennbahn-Gegner befasst. „Dann wurde das erste Quorum erreicht, und dann brach Panik aus“, sagte er.
Auf Nachfrage gestand er allerdings auch ein, dass die Unterstützung der CDU der BI lediglich für „vorerst“ keine Bebauung gelte. Kristina Vogt (Linke) hat kein Problem damit, „dass sich der Senat zur Rennbahn positioniert“. „Es gibt aber Grenzen, in welchem Umfang staatliche Mittel eingesetzt werden dürfen“, sagte sie. Für die Zukunft wünschte sich Vogt, „dass wir Regeln aufstellen, wie Volksentscheide aussehen sollen“.