Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Verkehrssituation Geschäftsleute am Wall: Zwischen Wut und Hoffnung

Seit 15 Wochen ist die Straße Am Wall zum Teil Einbahnstraße - genau dort, wo sich die meisten Läden befinden. Damals waren die Geschäftsleute empört - wir haben uns umgehört, wie es ihnen heute geht.
18.12.2021, 18:30 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Geschäftsleute am Wall: Zwischen Wut und Hoffnung
Von Joerg Helge Wagner

Gerade ist der Laden völlig leer. Meistens sei am Sonnabendmittag aber sehr viel los, versichert Bernhard Reinfelder. "Wir können mit der Situation gut leben", sagt der Inhaber des Windsor-Stores über die Verkehrsregelung am Wall. Die Beruhigung sei positiv: "Der Charakter als Flaniermeile wird unterstützt." Sein Modegeschäft habe zudem mehr Stammkunden als Laufkundschaft, und die kämen durchaus auch mit der Straßenbahn in die Innenstadt. Da sei die Lage unweit der Haltestelle Herdentor sicher ein Vorteil gegenüber anderen Läden am Wall.

Einen Umsatzrückgang durch die Einbahnstraßenregelung könne er nicht beklagen, sagt Reinfelder. Trotzdem ist er nicht ganz zufrieden: "Die neue Fahrradspur wird nicht ausreichend genutzt, die ist gar nicht erforderlich." Lieber wäre es ihm, wenn die Autos dort fahren könnten und der Bürgersteig vor den Geschäften entsprechend verbreitert würde. Zudem stört ihn, dass die Tempo-30-Regel oft ignoriert wird: "Ich habe der Verkehrsbehörde solarbetriebene Leuchtschilder vorgeschlagen, die sieht man besser."

Gesprächsfaden nach Moderation

„Wir wurden ohne Kontaktaufnahme und Beteiligung vor vollendete Tatsachen gestellt“, empörte sich Stefan Storch noch Anfang September. Inzwischen gebe es aber einen "Gesprächsfaden" zum Verkehrsressort, berichtet der Inhaber des Porzellangeschäfts D.F. Rabe/Hespen am Wall. Die Moderation durch Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) sei "sehr hilfreich" gewesen. Die Entfernung jeder zweiten Bake zur Abtrennung der neuen Fahrradspur habe für etwas Entlastung gesorgt, wenn sich auf der verbliebenen Autospur der Verkehr durch Zulieferer staue. Nun sei man mittendrin in einer sachlichen Erörterung von Varianten. Die Verkehrsführung bleibe schwierig: "Vor allem auswärtigen Besuchern der Stadt müssen doch alternative Routen angeboten werden."

Lesen Sie auch

Wie Reinfelder wünscht sich auch Storch eine Verbreiterung des Boulevards vor den Geschäften. Der Co-Vorsitzende der Wall-Werbegemeinschaft plädiert jedoch für einen größeren Wurf: eine Querung zum Schüsselkorb und eine Aufwertung des Platzes vor dem früheren SWB-Gebäude, in dem sich aktuell das Kinder-Impfzentrum befindet. Schon hier müsse signalisiert werden, dass eine attraktive Einkaufsmeile beginnt. Aber das dauere alles zu lange: "Wir brauchen hier ein Tempo wie beim Impfen", fordert Storch.

Die Parksituation nervt

Überhaupt nicht zufrieden ist Uwe Schwetschenau, der ein paar Häuser weiter hochwertige Hifi-Geräte und Fernseher verkauft. "Der Umsatz sinkt, die Parksituation ist übel und die Radfahrer fahren oft an den Schaufenstern entlang statt auf den beiden Spuren gegenüber." Zum Flanieren käme vor allem die Drogenszene aus den Wallanlagen – Schwetschenaus Geschäft kann man nur betreten, nachdem man geklingelt hat.

"Ich bin froh, dass ich viele Stammkunden habe", sagt der Geschäftsmann aus Verden. "Laufkundschaft fehlt hier völlig." Vor allem aber nervt ihn die Parksituation, denn zum Transport großer Flachbildschirme oder Lautsprecherboxen müssten seine Kunden und er nun einmal möglichst direkt vor dem Laden halten und könnten auch nicht dauernd Parkscheine ziehen. Schwetschenau sieht nur eine akzeptable Lösung: "Die alte Situation wieder herstellen."

"Mehr Staus und Abgase"

Buchhändlerin Bettina Wassmann beklagt ebenfalls einen Umsatzrückgang: "Das Weihnachtsgeschäft fällt dieses Jahr aus." Die neue Verkehrsführung sei "ein Torso" geblieben und führe vor allem zu mehr Staus und Abgasen. Als Gehbehinderte sei sie darauf angewiesen, mit dem Taxi zu ihrem Geschäft zu kommen. Wegen der Einbahnstraße sei dies nun 3,50 Euro teurer: "Rechnen Sie das mal 28 und dann mal zwölf." Fast 1200 Euro also koste sie das im Jahr.

"Eine Reform der Verkehrssituation ist schwer", räumt Wassmann ein. Aber der Wall sei nun einmal eine Umgehungsstraße des Innenstadtkerns, da brauche man zwei Autospuren und nicht zwei Radwege nebeneinander. Das Entfernen jeder zweiten Bake zur neuen Fahrradspur mache die Situation auch nicht besser, sondern nur gefährlicher für alle Verkehrsteilnehmer.

Blaulicht auf der "Bike Lane"

Nach dem Verlassen des Buchladens wird unvermittelt deutlich, was sie meint: Mit hohem Tempo, Blaulicht und Sirenen fahren vier Polizeifahrzeuge auf der abgeteilten Fahrradspur an der verbliebenen Autospur vorbei Richtung Kunsthalle, wo offenbar eine Demonstration Präsenz erfordert. Radfahrer sind glücklicherweise gerade nicht unterwegs.

Lesen Sie auch

Wie Buchhändlerin Wassmann beklagt auch Antje Horn die häufigen Staus durch die Einbahnregelung. Die Geschäftsführerin des Modehauses Harms wünscht sich ebenfalls die alte Verkehrsführung zurück. Der ursprüngliche Radweg sei doch in einem vergleichsweise hervorragenden Zustand gewesen, das Geld für die zusätzliche "Protected Bike Lane" hätte Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne) lieber in die Sanierung der vielen maroden Radwege stecken sollen. "Aber offenbar genießt die Dame ja Narrenfreiheit."

So habe man zunächst ausgerechnet die Parkplätze direkt vor den Geschäften am unteren Ende des Walls gesperrt - für Lieferverkehre und Paketdienste. Nach einer Intervention der Handelskammer sei das Parkverbot nun endlich in der vorigen Woche aufgehoben worden, berichtet Horn.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)