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Neue Ausstellung im Bremer Rathaus Geschichte der Bremer Polizei

Bremen. Friedlicher Protest, Krawalle, Terrorismus, Geiseldrama – Wegmarken einer Polizei, die sich nach dem Krieg in einem demokratischen Staat erst einmal finden musste. Eine neue Ausstellung zeichnet diese Entwicklung nach.
26.02.2013, 05:00 Uhr
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Geschichte der Bremer Polizei
Von Jürgen Hinrichs

Bremen. Friedlicher Protest, Krawalle, Terrorismus, Geiseldrama – Wegmarken einer Polizei, die sich nach dem Krieg in einem demokratischen Staat erst einmal finden musste. Eine neue Ausstellung zeichnet diese Entwicklung nach.

Wer den Stahlhelm sieht und das Sturmgewehr, ausgestellt in einem der Schaukästen, bekommt eine Ahnung davon, was Polizei einmal war – „eine militante und martialische Organisation“, wie es Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) gestern formulierte. Mäurer hatte zu einem Rundgang durch die neue Polizei-Ausstellung eingeladen. Sie behandelt die Zeit von 1945 bis heute.

Eine Polizei zunächst, die von alten Nazis und teilweise auch Kriegsverbrechern durchsetzt war. Eine Behörde, die in militärischen Kategorien dachte und so autoritär war wie der Staat insgesamt. Später wurde der Weg zu einer bürgernahen und verfassungstreuen Organisation beschritten, und heute, so Mäurer, „ist die Polizei in der Mitte der Gesellschaft angekommen“.

Die Ausstellung in der Unteren Rathaushalle schließt sich an eine Präsentation an, die sich mit der Rolle der Bremer Polizei in den Jahren der Nazi-Diktatur beschäftigt hat. Beide Kapitel werden jeweils in einem Buch dokumentiert. Und beide sind jetzt in einer Ausstellung vereint.

Es gibt Nahtstellen zwischen der einen und der anderen Polizei. Zwischen einer Behörde, die sich nicht an den Rechten der Bürger orientiert, sondern an deren Pflichten und Verstöße dagegen unnachsichtig verfolgt, und einem Apparat, der sich heute als ausgesprochen bürgernah versteht und so auch handelt. Wenn man diesen Übergang sucht, wird er wohl am besten anhand der „Straßenbahnunruhen“ von Januar 1968 erzählt. Es war ein Protest von Schülern und Lehrlingen gegen die geplante Erhöhung der Bahntarife. Die Jugendlichen blockierten den Straßenbahn- und Busverkehr und wurden dabei von einer Polizei traktiert, die kein Pardon kannte. Legendär der Befehl des damaligen Bremer Polizeipräsidenten Erich von Bock und Polach: „Draufhauen! Draufhauen! Nachsetzen!“ Es gab regelrechte Prügelszenen.

Das war die eine Polizei – noch von der Vergangenheit belastet und dem Bewusstsein getragen, dass die Ordnung über allem steht und rigoros durchzusetzen ist. So aber, das zeigte sich nach den Unruhen, wollte die Gesellschaft ihre Polizei nicht mehr haben. Die Bürgerschaft setzte einen Untersuchungsausschuss ein und geißelte unter anderem den „seltsam unzeitgemäßen autoritären Geist und Ton in der Polizeiführung“, wie es in dem Buch zur Ausstellung heißt.

Der Senat zog die Konsequenzen. Künftig sollte die Polizei bei Demonstrationen nur noch „möglichst zurückhaltend und unter Vermeidung jeglicher Reizwirkung“ eingesetzt werden. Und: Das Polizeirecht wurde den veränderten gesellschaftlichen Maßstäben angepasst.

Ein Paradigmenwechsel, der nicht sofort, aber doch allmählich bei der Polizei zu einem anderen Binnenklima führte. Weg vom alten Kadavergehorsam. Anweisungen dürfen hinterfragt werden. Der Umgang von Demokraten in Uniform.

Diese andere Polizei hatte Herausforderungen zu überstehen, die mit der Gefahr verbunden waren, wieder in die alten autoritären Muster zu verfallen. Das waren die Hausbesetzer-Bewegung, der Anti-Atom-Protest und, noch einmal ganz anders geartet, der Terrorismus der RAF, für den es auch in Bremen Beispiele gab. Der Staat musste sich wehrhaft zeigen und durfte gleichzeitig nicht übers Ziel hinausschießen – ein schwieriger Balanceakt.

Zwei Ereignisse noch, die in der Ausstellung aufscheinen, von denen als Wegmarken gesprochen werden kann. Mai 1980, die Bundeswehr will im Weserstadion ihre Rekruten vereidigen. Vor dem Stadion kommt es zu den schwersten Krawallen, die Bremen je gesehen hat. Massive Gewalt gegen Polizisten, die nicht genug ausgerüstet sind, um sich wirksam wehren zu können. Mehr als 250 Beamte werden verletzt.

„Ein Trauma“, kommentierte der Polizeipräsident das Geschehen von damals. Lutz Müller war gestern dabei, als die Presse durch die Ausstellung geführt wurde. Die Krawalle von 1980 haben sich bei der Polizei eingebrannt, genauso aber auch ein anderer Einsatz: Das Geiseldrama von Gladbeck. Zwei Männer, die in Bremen einen Bus mit 30 Fahrgästen kapern. Es beginnt eine Odyssee, die für zwei der Geiseln tödlich endet. Die Bremer Polizei, das wird in der nachfolgenden Untersuchung deutlich, trägt eine Mitschuld an dem Verlauf. „Wir waren einfach schlecht“, sagte Müller. Inkompetente Beamte, die ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden seien, urteilte die Bürgerschaft. Die Verhandlungsführer hätten versagt, der Einsatz sei nicht koordiniert worden. Harsche Kritik, die an der Polizei nicht spurlos vorübergegangen ist. Sie hat sich für solche Sonderlagen komplett neu aufgestellt.

Die beiden Ausstellungen „Bürger.Polizei. Bremens Polizei 1945 bis heute“ und „Polizei. Gewalt. Bremens Polizei im Nationalsozialismus“ sind von heute an bis zum 2. April in der Unteren Rathaushalle zu sehen. Es gibt dazu zwei Begleitbände. Erhältlich sind sie für einen Preis von 9,90 Euro im Buchhandel und in den Verkaufsstellen des WESER-KURIER.

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