Er war das Monstrum unserer Nordbremer Kindheit. Aus Furcht vor seinem dunklen Schlund bockten mein Bruder und ich, wenn die Eltern vorschlugen, den Sonntagsspaziergang wesernah in Farge zu unternehmen.
Zwar wussten die Kinder, die wir waren, noch nichts vom abertausendfachen Tod durch Zwangsarbeit und von wahnwitzigen Rüstungsprojekten der Nationalsozialisten. Aber sie ahnten: Dieser graue Koloss steht für Grauen.
Ab diesem Dienstag ist der am Wochenende offiziell umgewidmete Bunker Valentin öffentlich zugänglich – als nationale Gedenkstätte samt Informationszentrum und einem kommentierten Rundparcours für Besucher. Noch immer ist die Ruine ein martialischer Trumm, der Betrachter das Fürchten lehren kann. Doch ist der vormals zweitgrößte oberirdische europäische Bunker jetzt endlich anders besetzt: als Monument im Wortsinn – als Mahnmal. Und als Denkort, an dem das Opfergedenken über seinen historischen Anlass hinaus wirken kann. Denn der unvollendete Bau, der eine megalomane U-Boot-Werft werden sollte, führt zugleich allegorisch vor, wie Kriegstreiber Menschen als Material missbrauchen, sie verschleißen, sie ruinieren.
Es ist dieser Umstand, der eine Denkbrücke in unsere Gegenwart gestattet, in der Abertausende von Kriegsflüchtlingen in Deutschland um Aufnahme bitten. Auch und gerade angesichts der unseligen und unsäglichen Geschichte dieses auf Menschenleben gebauten Bremer Bunkers ist es unsere moralische Pflicht, ruinierten Existenzen aus Syrien, Irak und Afghanistan zu helfen.
Viel zu lange ist um die Gestaltung und Ausflaggung des Monstrums von Farge gerungen worden. So lange, dass die Ende-gut-alles-gut-Floskel wohlfeil wirkt. Es wäre sträflich, zumindest aber eine vertane Chance, die als Wissensort etikettierte Stätte künftig nur historisch einzuordnen. Musealisierungsgesten arbeiten Lerneffekten nur bedingt zu. Das wusste auch Regisseur Johann Kresnik, als er den Bunker von 1999 bis 2005 einer sinnigen Zwischennutzung zuführte: der Aufführung von Karl Kraus’ Antikriegsdrama „Die letzten Tage der Menschheit“. Es sind vitale Gedenkhandlungen wie diese, die Monstren den Schrecken nehmen. hendrik.werner@weser-kurier.de