Nach dem Veto des Europäischen Gerichtshofs gegen die deutsche Pkw-Maut hat der Bund erste Konsequenzen mit Auswirkungen auf Bremen gezogen. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) kündigte am Mittwoch bereits geschlossene Verträge. Betroffen ist davon besonders der Konzertveranstalter und Ticketverkäufer CTS Eventim, der seinen Verwaltungssitz in der Hansestadt hat.
Erst im Dezember hatte CTS Eventim zusammen mit dem österreichischen Mautsystem-Anbieter Kapsch TrafficCom den Zuschlag als Betreiber der deutschen Pkw-Maut bekommen. Das Auftragsvolumen lag über die vorgesehene Mindest-Vertragslaufzeit von zwölf Jahren bei knapp zwei Milliarden Euro.
CTS Eventim erklärte, die einseitige Kündigung des Vertrags zum 30. September werde nun gemeinsam mit Kapsch auf Gründe und Auswirkungen hin geprüft. Die mit dem Bund geschlossenen Verträge enthielten „Schutzbestimmungen“, die Vermögensschäden für die Betreiber vorbeugen sollen. Dies gelte auch für den Fall, dass Maut nicht eingeführt werde. „Wir sind jetzt schon ein halbes Jahr mit den Vorbereitungen unterwegs. Das geht natürlich nicht ohne Kosten“, sagte ein Unternehmenssprecher.
Auch weitere Vorbereitungen für die Maut wurden gestoppt. Ihr Start war für 2020 geplant gewesen. Die Opposition befürchtet erhebliche Kosten. Die Betreiber hätten Investitionen getätigt und Anspruch auf entgangene Gewinne, sagte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer. Fraktionschef Anton Hofreiter forderte, Scheuer müsse offenlegen, „wie viel Steuergelder genau verloren sind“. Der Linke-Verkehrspolitiker Jörg Cezanne sagte: „Die umgehende Kündigung der Verträge ist zwar teuer, aber der richtige Schritt.“
Vor allem für Gutachten und Beratung hat der Bund bereits 42 Millionen Euro ausgegeben. Weitere 86 Millionen Euro waren eingeplant. Kommende Woche will Scheuer im Bundestag an der Sitzung des Verkehrsausschusses teilnehmen. Die obersten EU-Richter hatten die Maut am Dienstag für rechtswidrig erklärt, da sie Fahrer aus dem Ausland benachteilige. Hintergrund ist, dass nur Inländer für Mautzahlungen über eine niedrigere Kfz-Steuer entlastet werden sollten.
Inzwischen wird über mögliche andere Maut-Modelle diskutiert. Unter anderem das Umweltbundesamt (UBA) hat eine „fahrleistungsabhängige Pkw-Maut“ empfohlen. „Wer viel fährt, zahlt viel; wer wenig fährt, zahlt weniger“, so UBA-Präsidentin Maria Krautzberger. Das sei „gerecht und gut für Umwelt und Klima“. Für Bundesumweltministerin Svenja Schulze dagegen ist das Thema Pkw-Maut in Gänze erledigt, wie ein Sprecher der SPD-Politikerin klarstellte.
Die Grünen sind sich nicht einig. Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann warb für elektronische Systeme, die Gebühren differenziert und nach gefahrener Strecke erheben – mit variablen Tarifen je nach Tageszeit. Fraktionsvize Krischer hält davon nichts: „Wir brauchen für den Klimaschutz im Verkehr schnell wirksame Maßnahmen und nicht die erneute jahrelange Blockade durch die nächste irre Mautdebatte.“
FDP-Fraktionsvize Frank Sitta sagte, eine Ausweitung der Nutzerfinanzierung – also Maut – auf Pkw könne sinnvoll sein. Dafür müsse aber etwa die Kfz-Steuer entfallen. Ein solches System müsse intelligenter sein als die bisher geplante „Flatrate“. Der Deutsche Städtetag verlangte eine Ausweitung der bisher auf Autobahnen und Bundesstraßen fälligen Lkw-Maut auf alle Straßen. Dies würde helfen, das für Stadtbewohner belastende Ausweichen von Lkw von Mautstrecken auf innerstädtische Straßen zu unterbinden, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy der „Heilbronner Stimme“.
Eventim-Aktie fiel
Erfreute Reaktionen kamen aus der Grenzregion in den Niederlanden. „Ich hoffe, dass die Deutschen nun zur Einsicht kommen“, sagte der Bürgermeister des Grenzortes Oldenzaal, Patrick Welman, der Zeitung „Twentse Courant“. „Wir sind in Europa auf einem guten Weg, die Grenzen aufzuheben, und da würde eine Maut wieder neue Barrieren erzeugen.“
Eventim-Chef und Gründer Klaus-Peter Schulenberg wollte mit dem Maut-Auftrag neue Geschäftsfelder erschließen. An der Börse fiel die Eventim-Aktie am Mittwoch um knapp zwei Prozent auf 40,96 Euro.
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