2006 erschloss Marc Kosicke ein neues Gebiet im Profifußball: Er gründete eine Beraterfirma für Trainer. Mittlerweile hat Projekt B, wie das Unternehmen heißt, 21 Klienten unter Vertrag.
Bier spielt eine nicht ganz unwesentliche Rolle in der Historie von Projekt B. Zwei Maß dauerte es, bis die Freunde Marc Kosicke und Oliver Bierhoff auf dem Oktoberfest beschlossen, ein Unternehmen zu gründen. 2006 war das, kurz nach der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland. Und weil für die neue Firma ein Name gefunden werden musste, besannen sich die Geschäftspartner ganz einfach auf die schönen Dinge des Lebens – Brot, Butter, Brad Pitt und eben Bier. Also nannte man die gemeinsame Unternehmung kurzerhand Projekt B. Und auch bei der Wahl der Klienten hat der Gerstensaft – zumindest indirekt – seinen Anteil: „Wir würden mit all unseren Partnern ein Bier trinken“, sagt Kosicke.
Projekt B – das ist eine Herzensangelegenheit. „Passion makes the difference“, also Leidenschaft macht den Unterschied, so wirbt das Unternehmen auf der Website für seine Arbeit. Einen Klick weiter ploppen die vielen Namen auf, die Kunden von Projekt B, die viele kennen: Jürgen Klopp, Viktor Skripnik, Holger Stanislawski oder Mats Hummels.
Oliver Bierhoff war erster Klient
Als der gebürtige Bremer Kosicke das Unternehmen 2006 gründete, war die Idee höchst ungewöhnlich: Zu diesem Zeitpunkt hatte zwar nahezu jeder Fußballspieler der ersten Bundesliga einen eigenen Berater, aber um die Trainer kümmerte sich niemand. „Das sind die Menschen, die die Verantwortung übernehmen“, sagt Kosicke. „Die brauchen viel mehr Beratung als die, die auf dem Platz stehen.“
Zunächst startete Projekt B mit genau einem Klienten: Oliver Bierhoff, dessen Büro am Starnberger See zugleich der erste Firmensitz war. „Er war nie operativ tätig, er hat die Firma mit seiner sportlichen Expertise ergänzt“, sagt Kosicke. Als Kosickes Frau, die ehemalige Buten-un-Binnen-Moderatorin Yvonne Ransbach, einen Job beim ZDF bekam, zogen die Familie und die Firma mit nach Eltville am Rhein.
Und das Geschäft lief immer besser. Mit Jürgen Klopp, damals noch Trainer beim 1. FSV Mainz 05, konnte Kosicke einen weiteren Klienten von der Projekt-B-Idee überzeugen. Man kannte sich über den Sporthersteller Nike, für den Kosicke vor seiner Zeit bei Projekt B gearbeitet hatte, die Chemie zwischen den Männern stimmte sofort. Bis heute lässt Klopp sich von Kosicke beraten, bis heute gibt es dieses „andere, freundschaftliche Verhältnis“ zwischen den beiden.
Vor drei Jahren zog Familie Kosicke erneut um: Dieses Mal ging es nach Bremen. Marc Kosicke war damals als Kandidat für die Nachfolge von Klaus Allofs als Sportchef von Werder Bremen im Gespräch. Zeitgleich bewarb sich seine Frau bei Radio Bremen – Yvonne Ransbach bekam den Zuschlag, Kosicke entschied sich nach reiflicher Überlegung gegen Werder. Er gehört zu den Gestaltern des Fußball-Geschäfts, ohne im Rampenlicht aufzutauchen. „Ich bin kein öffentlicher Mensch, der seine Arbeit täglich öffentlich bewertet wissen möchte“, sagt der Firmenchef. Ein weiterer Grund: Er hätte seine Arbeit bei Projekt B aufgeben müssen. Und das wollte er nicht.
Mittlerweile hat Kosicke mit Marvin Docke und Markus Däggelmann zwei Mitarbeiter. Däggelmann hat seine Diplom-Arbeit beim Deutschen Fußball-Bund geschrieben und lernte über Bierhoff schließlich Kosicke kennen, Docke und Kosicke trafen bei Nike aufeinander. Heute betreut das Dreier-Team seine Klienten von einer alten Kaufmannsvilla in der Parkallee aus. Eine strikte Aufgabentrennung gibt es zwischen ihnen nicht.
Wer wird der nächste Jürgen Klopp?
„Ziel ist natürlich, den nächsten Jürgen Klopp zu finden“, sagt Däggelmann. Richtig ernst gemeint ist das natürlich nicht. Denn so einen wie „den Jürgen“, den gibt es laut Kosicke nicht noch mal. Dennoch ist Däggelmann auf einem guten Weg. Mit Julian Nagelsmann zum Beispiel, der in der nächsten Saison den Cheftrainerposten bei der TSG 1899 Hoffenheim übernimmt und dann mit seinen 28 Jahren der jüngste Trainer in der Bundesliga-Geschichte sein wird.
Doch es sind nicht immer nur diese schönen, erfolgreichen Karrieren, mit denen sich die Projekt-B-Mitarbeiter auseinandersetzen müssen. „Es gibt mehrere Hundert ausgebildete Bundesligatrainer und genau 18 Jobs in der ersten Liga“, sagt Däggelmann. Insgesamt 21 Trainer berät Projekt B aktuell.
Zusammen mit der European Business School hat das Unternehmen für eine Studie Dax-Chefs und Bundesliga-Trainer miteinander verglichen. Das Ergebnis: Die Lenker von Dax-Unternehmen sind im Schnitt sechs Jahre im Amt, Trainer dagegen nur 1,5. „Zu unserer Arbeit gehört deswegen auch ein gewisses Maß an Stammtischpsychologie“, sagt Kosicke. Wenn ein Trainer seinen Posten verliere, müsse man ihm erklären, was beim nächsten Mal anders laufen könnte – und ihm Hoffnung machen, dass es überhaupt ein nächstes Mal gibt. „Eine Trainerentlassung passiert immer in der Öffentlichkeit“, sagt Kosicke, „viele Trainer fühlen sich dann als Versager gebrandmarkt.“
So ist die Jobvermittlung eine der Kernaufgaben von Projekt B. Verlassen kann sich das Team dabei auf sein gutes Netzwerk im Fußballzirkus. „Gibt es einen freien Posten, werden wir oft angerufen“, sagt Kosicke. Kommt es dann zu Verhandlungen zwischen einem Verein und einem Trainer, übernehmen die Bremer: Sie erstellen für ihren Klienten ein umfangreiches Dossier über den Verein, über dessen Umsätze und Etat-Situation, über die Philosophie, über die Menschen, die dort das Sagen haben. Im Anschluss beraten Kosicke, Däggelmann und Docke bei den Vertragsverhandlungen. Einigt man sich auf eine Zusammenarbeit, wird jeder Trainer individuell betreut, so wie er es möchte.
„Wir sprechen mit den Vereinsverantwortlichen, bewerten Interviews, ahnen voraus, was die Presse aus den Aussagen macht, und geben direktes Feedback“, sagt Däggelmann. Pflichttermin ist, die entsprechenden Spiele sowie deren Vor- und Nachberichterstattung im Fernsehen zu sehen. „Geld verdient Projekt B über Verträge mit den Vereinen, für die die Trainer arbeiten.“
Es ist selten, dass alle drei Mitarbeiter auf einmal in ihrem Bremer Büro anzutreffen sind. „Wir suchen den persönlichen Kontakt zu unseren Trainern und Partnern“, sagt Docke. Dazu gehört eben auch, vor Ort zu sein. Und das bedeutet im Fall von Jürgen Klopp aktuell eben Liverpool. „Normalerweise beginnt für uns ab dem 18. Dezember die schönste Zeit des Jahres: Es gibt keine Bundesligaspiele, wir haben frei“, sagt Kosicke. Weil Klopp nun in der Premier League trainiert, ist das hinfällig – in Großbritannien wird auch zwischen Weihnachten und Neujahr gespielt. Für Projekt B bedeutet das nicht nur ein neues Marktumfeld, sondern auch viele potenzielle neue Vereine, die auf ihr Portfolio zurückgreifen könnten.
Projekt B: Nicht nur Berater, sondern auch Vermarkter
Und dann sind da ja noch die Standbeine zwei, drei und vier: Projekt B als klassischer Vermarkter, als Redneragentur und als Clubberater. Mit Bayern München zum Beispiel hat das Team die „Mia san mia“-Philosophie ausgebaut, als Sprecher hat Projekt B unter anderem Sky-Moderator Sebastian Hellmann unter Vertrag. Den Dortmunder Nationalspieler Mats Hummels vermarktet das Team als Werbebotschafter – und plant auch langfristig mit dem Fußballer. „Wir sind uns sicher, dass er eine Trainer- oder Managerkarriere einschlagen wird“, sagt Docke, der sich hauptsächlich um die Vermarktung der Klienten kümmert.
Kosicke und seine beiden Mitarbeiter brennen für ihre Arbeit. „Wegen monetärer Ziele machen wir das Ganze mit Sicherheit nicht“, sagt Kosicke. Das merkt man, wenn Däggelmann, Kosicke und Docke über ihre Arbeit sprechen. Und sie sind zufrieden so, wie es ist. „ Bewerbungen – weder für einen Job noch als potenzieller Klient – machen aktuell keinen Sinn“, sagt Docke. „Wir sind gut ausgelastet. Wenn wir jetzt noch einen Klienten dazunehmen, dann muss derjenige schon sehr interessant sein.“ FC Augsburg-Trainer Markus Weinzierl, das wäre so einer. „Ein sauberer Typ“, sagt Kosicke – aber mit einem Berater, mit dem er seit vielen Jahren zusammenarbeitet. Keine Chance also. Vielleicht ist das für den Moment aber auch ganz gut so. Denn es sind ungewöhnliche Zeiten für Projekt B: „Alle Klienten haben gerade einen Job“, sagt Kosicke, „das gab es lange nicht.“
Sollte an diesem Wochenende nichts Dramatisches mehr passieren, dann dürften es also doch noch besinnliche Weihnachten für Projekt B werden. Zeit für ein Bier dürfte dann auch sein.