Ein kurzes, abschließendes „Gut“ ist das letzte Wort in diesem Film, der als Interview angepriesen wurde, aber leider keines war. „Gut“ – das sagt die Bundeskanzlerin zufrieden, und das kann sie auch sein. Einfacher hätte es ihr LeFloid, der Internetstar mit den mehr als 2,6 Millionen Abonnenten, nicht machen können. Immer wieder lässt er sie wissen, dass er ihrer Meinung ist.
„Absolut!“„Ja natürlich!“
„Cool!“
„Sehr cool!“
Einen Höhepunkt der Anbiederung erreicht der 27-jährige Florian Mundt, wie LeFloid mit bürgerlichem Namen heißt, als er staunend erklärt, noch nie gelesen zu haben, was ihm Merkel da gerade über das transatlantische Freihandelsabkommen erzählt. Die spitze Replik trägt sie lächelnd vor: „Ich hab’s schon oft gesagt. Wahrscheinlich hören Sie mir nicht immer zu.“ Und sie bietet an, ihm drei Broschüren der CDU zu schicken.
„Wenn das Merkel-Interview von @LeFloid dem traditionellen Journalismus kein stählernes Selbstvertrauen einflößt, was dann?“, twittert Fernsehsatiriker Jan Böhmermann prompt. Nein, Journalismus ist das nicht, was seit Montagabend auf LeFloids YouTube-Kanal angesehen werden kann. Und wie auch, er ist kein Journalist, sondern studiert in Berlin Psychologie und produziert Videos, durchaus auch zu politischen Themen. Bei Menschen, die nicht mehr fernsehen, Radio hören oder Zeitung lesen, fungiert er als wichtige Nachrichtenquelle. „Er ist unter den YouTubern nicht nur einer von denen, die die allergrößte Reichweite haben, sondern er ist auch einer von denen, die sich ernsthaft und dauerhaft mit politischen Themen befassen“, hatte Regierungssprecher Steffen Seibert begründet, warum LeFloid ausgewählt wurde.
Aber die eigentliche Antwort gibt Merkel selbst – sie verweist auf die Kampagne „Gut Leben in Deutschland“, bei der die Bundesregierung „mit den Menschen in Deutschland einen Dialog über ihr Verständnis von Lebensqualität führen“ will. „Ich begrüße das mit dem Bürgerdialog“, sagt LeFloid. Der YouTuber wird so gleich zu Anfang des halbstündigen Videos zu einem Instrument der Regierungs-PR, und Merkel ist ganz tief drin im Neuland.
Aber es wäre zu billig, das Unjournalistische, Anbiedernde an LeFloid zu verdammen. Zum einen gibt es genug Berufsjournalisten, die in Interviews vor laufenden Kameras scheiterten, sich blenden ließen oder zu einem Rädchen in der Kommunikationsstrategie ihres Gegenübers wurden. Zum anderen ist es der klassische Journalismus, der unter Druck steht. Der Slogan „Lügenpresse!“ ist eine polemische Zuspitzung, aber die Distanz der Leser und Nutzer zu ihren Medien ist spürbar gewachsen, jedenfalls wird sie in Mails, Onlinekommentaren und Leserbriefen stärker artikuliert.

LeFloid alias Florian Mundt vor dem Bundeskanzleramt. Dort hat der bekannte YouTube-Star Bundeskanzlerin Angela Merkel interviewt.
Vorher hatte sich LeFloid Sorgen gemacht, ob er das überhaupt hinkriegt. „Vielleicht sitze ich auch da, fang‘ an zu zittern, krieg‘ ’nen Krampf, leg‘ mich heulend in Fötus-Stellung auf den Boden.“ Aber so war es dann nicht – es wurde ein freundliches Gespräch über einige politische Themen, von Homo-Ehe („Nein“) bis Cannabis-Freigabe („Nein“), vor allem aber über die Rolle einer Bundeskanzlerin. Für sie und für ihn war es gut, und geschadet hat es niemandem.
Etwas von dieser unbedarften Leichtigkeit mag auch traditionellen Medien gut tun. Und spannend ist auch, das Internet zu nutzen, um Fragen einzusammeln, wie es LeFloid mit dem Hashtag #NetzFragtMerkel getan hat. Aber Journalismus ist etwas anderes. Da muss man so gut recherchieren, dass man fundierte Fragen stellen kann. Da hakt man nach, um aufzuklären und aufzudecken. Da macht man sich niemals gemein mit den Mächtigen. Und das hat, bei aller Ehrfurcht vor den enormen Zuschauerzahlen von LeFloid, auf Dauer Bestand und Gewicht. moritz.doebler@weser-kurier.de