Das sogenannte Tor zur Welt droht zu versanden: Die zunehmende Verschlickung des Hamburger Hafens während dieses Sommers hat sich zum ernsten Problem für die Abfertigung großer Seeschiffe ausgewachsen.
Erstmals hat nun ein Umschlagunternehmen die Stadt auf Sicherstellung ausreichender Wassertiefen verklagt. Die Geschäftsführung der HHLA-Tochter Hansaport hat nach eigenen Angaben vor dem Landgericht eine einstweilige Anordnung gegen die Hafenbehörde HPA erstritten. Wie das Gericht bestätigt, hat es die HPA angewiesen, den Sand im Hafen auszubaggern, um die vereinbarte Wassertiefe herzustellen.
Von solchen Problemen ist Bremerhaven verschont – auch wenn sich am Grund der Hafenbecken jedes Jahr große Schlickmengen ablagern, sei die Entsorgung gesichert, heißt es von Bremenports, der stadtbremischen Hafengesellschaft. Sprecher Rüdiger Staats: „Das Material muss natürlich mit erheblichem Aufwand gebaggert werden, damit wir der Schifffahrt jederzeit die erforderlichen Wassertiefen garantieren können.“ Vorteil für Bremerhaven gegenüber Hamburg: Bremenports verfüge über eine leistungsfähige Baggergutdeponie, und es würden alternative Möglichkeiten der Entsorgung genutzt. Und in den Häfen in Bremen-Stadt fallen Sedimente nur in geringem Umfang an. Deshalb musste in den vergangenen Jahren dort nicht gebaggert werden.
In Hamburg wird es dagegen immer flacher: Hansaport betreibt dort den deutschlandweit größten Umschlagterminal für Schüttgut wie Kohle und Erze. Statt der zugesicherten 15 Meter haben die Liegewannen dort aktuell nur eine Tiefe von rund 13,50 Metern, was die Abfertigung tief gehender Schiffe erheblich erschwert.
Auslöser der Misere ist die ungewöhnlich geringe Wassermenge der Elbe in diesem Sommer. Wenn wenig Wasser vom Oberlauf durch den Hafen fließt, sinken Schwebstoffe und Sedimente vermehrt in den Becken ab. Vor wenigen Tagen war bekannt geworden, dass dies auch die Kreuzschifffahrt beeinträchtigt. So kann der
345 Meter lange Luxusliner „Queen Mary 2“ zu den Cruise Days in zwei Wochen seinen angestammten Liegeplatz in der Hafencity nicht anlaufen und muss nach Steinwerder ausweichen.
„Wir stellen an verschiedenen Stellen im Hafen eine vermehrte Sedimentablagerung fest“, beklagt der Unternehmensverband Hafen Hamburg. Die Abweichungen zu den vereinbarten Wassertiefen betrügen bis zu zwei Metern. Der Verband spricht von einer prekären Situation und fordert von der Stadt eine kurzfristige Lösung. Dazu liefen Gespräche mit der Hafen- und der Wirtschaftsbehörde.
Allerdings verweist die HPA darauf, dass sie aufgrund politischer Vorgaben derzeit keinen Schlick beseitigen dürfe. Tatsächlich gilt eine Absprache zwischen Stadt und Umweltverbänden, zwischen April und Oktober nicht zu baggern, um die sommerliche Sauerstoffarmut der Elbe nicht zu verschärfen. Zugleich nimmt die Kritik an der Praxis der Schlickumschichtung zu. Denn was Hamburg im eigenen Hafen an Sedimenten vom Grund holt, kippt es bei Neßsand an der Landesgrenze zu Schleswig-Holstein wieder in der Elbe ab. Eine echte Sisyphos-Arbeit. Denn die Flutwelle braucht stets nur wenige Wochen, um die Fracht stromaufwärts zurückzuspülen.
In Bremerhaven wird effektiver entsorgt: „In der Regel bringen wir das Wasser-Sand-Gemisch mit den Bremenports-Schuten zur Baggergutdeponie Bremen-Seehausen und lagern es dort“, so Staats. Die Anlage könne jährlich etwa 200.000 Kubikmeter Schlick aufnehmen. Sie biete Entsorgungssicherheit bis mindestens 2030. Bremenports lege aber Wert darauf, die begrenzten Kapazitäten der Bremer Deponie zu schonen. „Deshalb lassen wir seit 2011 immer wieder größere Mengen Hafenschlick von Bremerhaven nach Rotterdam transportieren.“ Sie werden dort in der Unterwasserdeponie „De Slufter“ untergebracht – eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit, die sich für beide Seiten auszahle.