Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Kriminalität in Belgien Schock über "Hinrichtung" in Brüssel

Innerhalb weniger Tage gab es vier Schießereien in der belgischen Hauptstadt, eine Person kam ums Leben. Die Behörden machen Drogenbanden für die eskalierende Gewalt verantwortlich.
15.02.2024, 19:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Schock über
Von Katrin Pribyl

Die Berichte erinnern an Szenen aus düsteren Gangsterfilmen: Da schießen Drogendealer am hellichten Tag mit Kriegswaffen herum, maskierte Kriminelle kämpfen mitten in Brüssel mit schwerem Gerät um Territorium und Banden beherrschen Stadtteile, wo sonst Eltern mit ihren Kindern spazieren gehen und Jugendliche Fußball spielen. Der Drogenkrieg in der belgischen Hauptstadt scheint zu eskalieren. Innerhalb weniger Tage kam es zu vier Schießereien. Dabei wurde am Mittwochmorgen ein Mensch getötet, zuvor sind am Sonntagabend im Marollenviertel nahe des Südbahnhofs zwei Menschen schwer verletzt worden.

Jean Spinette ist der Bürgermeister der Gemeinde Saint-Gilles, wo sich die jüngsten Vorfälle ereigneten. Er zeigte sich völlig schockiert von der Gewalt und redete Stunden nach dem tödlichen Angriff am Mittwoch gar von einer „Hinrichtung“. Derweil befinden sich die Täter laut Medienberichten weiter auf der Flucht, die Bundespolizei ermittelt. Was ist in Europas Hauptstadt los, wenn sich bewaffnete Banden auf offener Straße in Wohnvierteln mit schweren Waffen bekämpfen und dann per E-Roller flüchten können? Laut Spinette handele es sich um „wirklich internationale Netzwerke“. Derweil herrscht im komplexen belgischen Behördenapparat Uneinigkeit, wer denn nun die Verantwortung trägt. Die Gemeinden beschweren sich über fehlende Mittel des Bundes, der wiederum die schlechte Organisation der Gemeinden kritisiert.

Dabei betrifft die zunehmende Drogengewalt keineswegs nur Belgien, wo die Vorfälle seit Jahren zunehmen. 40 Prozent aller kriminellen Vereinigungen in der EU tummeln sich im Drogengeschäft, teilte die EU-Innenkommissarin Ylva Johansson kürzlich mit. Die Hälfte aller Morde in Europa stünden im Zusammenhang mit harten Rauschmitteln. Mittlerweile werden laut Johansson in der Gemeinschaft jährlich mehr als 300 Tonnen Kokain beschlagnahmt. Um dagegen vorzugehen, stellte die Schwedin Anfang des Jahres eine neue Allianz aus Europäischer Union, europäischen Hafenbehörden, Logistikunternehmen und staatlichen Sicherheitsbehörden vor.

Es geht um den Austausch von Wissen und Informationen sowie um die Entwicklung gemeinsamer Standards. Welche Container sollen bei der Durchsuchung priorisiert werden? Wie kann die Überwachung von Hafenanlagen besser funktionieren, sodass von Kriminellen angeheuerte Zoll- oder Hafenmitarbeiter nicht die Drogen aus den Containern holen können? „Europa hat ein großes Problem mit dem organisierten Verbrechen, und wir wissen, dass Drogen die Haupteinnahmequelle sind", sagte Johansson.

Sie wählte für ihren Auftritt Antwerpen – und das aus gutem Grund. Hier befindet sich der zweitgrößte Hafen Europas. Er ist nicht nur eine eigene Welt aus Terminals, Fabriken, Ölraffinerien und Docks, sondern mittlerweile auch das wichtigste Einfallstor für Kokain, das auf Containerschiffen gerne in Obstkisten versteckt aus Lateinamerika nach Europa geschmuggelt wird. Im Januar erst gab die belgische Regierung bekannt, dass im vergangenen Jahr 116 Tonnen Kokain in Antwerpen beschlagnahmt wurde. Das sind fünf Prozent mehr als 2022. Dabei verzeichnete die Hafenstadt da bereits einen traurigen Rekord in Europa, als die Behörden knapp 110 Tonnen Kokain sichergestellt hatten. Mit großem Abstand auf Platz zwei stehen die Niederlanden, wo 2023 fast 60 Tonnen aus dem Verkehr gezogen wurden. Dabei befürchten die Verantwortlichen, dass sie ohnehin nur einen Bruchteil der illegalen Drogen entdecken, die insbesondere aus Kolumbien, Ecuador und Panama stammen.

Wie groß das Problem ist, zeigt auch die jüngste Überprüfung des Toilettenwassers in Antwerpen. Nirgends sonst in Europa wird mehr Kokain geschnupft als in der zweitgrößten belgischen Stadt. So hat sich der tägliche Konsum hier seit 2020 mehr als verdoppelt, wie eine Analyse der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) und der Europäischen Gruppe zur Abwasseranalyse (SCORE) ergab. Sie hatten 2022 die Abwässer von rund 54 Millionen Menschen in über 100 teilnehmenden europäischen Städten ausgewertet.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)