Vor den Augen des gemeinsamen kleinen Kindes hat ein heute 36-jähriger Mann Mitte August 2022 in Bad Fallingbostel (Heidekreis) 20-mal mit einem Messer auf seine frühere Lebensgefährtin eingestochen. Die zwölf Jahre jüngere Frau starb noch am Tatort. Es war heimtückischer Mord – davon ist die 10. Große Strafkammer des Landgerichts Verden überzeugt. Sie hat den Angeklagten am Dienstag zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die zweite Hauptverhandlung um den Fall endete so mit einem deutlich härteren Urteil als die erste. Im März vorigen Jahres hatte eine andere Verdener Schwurgerichtskammer „nur“ auf Totschlag erkannt und zehneinhalb Jahre Haft verhängt.
Der Prozess musste neu aufgerollt werden, nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil im Frühjahr wegen der Revisionen der Nebenkläger, drei Angehörigen des Opfers, komplett aufgehoben hatte. Die Beweiswürdigung hinsichtlich des Mordmerkmals der Heimtücke sei fehlerhaft, so der BGH. Das Landgericht gelangte jetzt zu der Überzeugung, dass der Angeklagte sehr wohl heimtückisch handelte. Die Ex-Partnerin sei arg- und wehrlos gewesen, als er sie im Treppenhaus „überfallen“ und sie unvermittelt mit einem Küchenmesser – Klingenlänge etwa 14 Zentimeter – massiv attackiert habe. Auch habe er die Tat über einen längeren Zeitraum geplant und sei „kontrolliert und zielstrebig“ vorgegangen.
Der zweijährige Sohn habe mit angesehen müssen, „wie der eigene Vater die Mutter tötete“, sagte die Vorsitzende Richterin in der Urteilsbegründung. „Durch die Tat hat er beide Eltern verloren“. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Mann von Eifersucht auf den neuen Freund der Frau und besonders von Verzweiflung über den fehlenden Kontakt mit dem Jungen getrieben wurde. Nach einer ohnehin „konfliktreichen Beziehung“, die 2018 in Großbritannien begonnen hatte, war der Bulgare Ende 2021 von der Frau aus der gemeinsamen Wohnung geworfen worden. Mit der endgültigen Trennung wollte sich der Mann allerdings nicht abfinden.
Die 24-Jährige und ihre Mutter fühlten sich in der Folgezeit mehrfach bedroht, installierten Kameras in der Wohnung und stellten einen Antrag nach dem Gewaltschutzgesetz. Dieser konnte indes nicht verfolgt werden, da der Angeklagte unbekannten Verbleibs war. Was offenbar niemand mitbekam: Er verschaffte sich heimlich Zugang zu einer leer stehenden Wohnung in dem Mehrfamilienhaus, ebenfalls im Hochparterre, und spähte die Frau und ihr Umfeld gründlich aus. Fast täglich, so das Gericht, habe er sich mit dem Gedanken befasst, die Frau zu töten.
Am Tattag hatte er beobachtet, wie sie mit ihrem Freund und dem Jungen gegen Mittag das Haus verließ und etwa zehn Minuten später ohne den Mann zurückkehrte. Was dann im Flur und wenig später draußen geschah, sei als Mord einzustufen, hieß es. Die Frau hatte es noch geschafft, sich ins Freie zu begeben. Der Angeklagte war ihr jedoch gefolgt, hatte sie mit einer Hand „in den Schwitzkasten“ genommen und mit der anderen weiter heftig auf sie eingestochen. Nachbarn waren durch ihre Schreie aufmerksam geworden und hatten Polizei und Rettungsdienst verständigt. Die Hilfe kam zu spät.
Angeklagter spricht von "Notwehr"
Der Angeklagte hatte die Flucht ergriffen und sich im Keller eines nahe gelegenen Hauses versteckt. Er war am Tag nach der Tat festgenommen worden. Wie schon im ersten Prozess beharrte der 36-Jährige auch nun wieder darauf, er habe in einer „Notwehrlage“ gehandelt und keineswegs vorgehabt, die Mutter seines Sohnes zu töten. Bei einem zufälligen Zusammentreffen im Treppenhaus habe sie ihn „mit Pfefferspray angegriffen“ und ihn „die Treppe mit heruntergeschleift“. Das Reizgas sei in seine Augen gelangt, er habe Angst gehabt, zu erblinden, und in dieser „Angst und Verwirrung“ zugestochen.
Was passiert sei, tue ihm leid, sagte er in seinem „letzten Wort“. Er entschuldige sich dafür. Der Verteidiger hatte am Vormittag auf Freispruch plädiert. Die Einlassung des als voll schuldfähig eingestuften Angeklagten sei „nicht glaubhaft“, so das Gericht.