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Nach "Xavier" Sturm-Chaos: Deutsche Bahn in der Kritik

Auch einen Tag nach dem Sturm ist das Bahn-Chaos groß. Die Metronom Eisenbahngesellschaft und der Fahrgastverband Pro Bahn fordern einen besseren Schutz der Bahnstrecken vor umstürzenden Bäumen.
06.10.2017, 16:13 Uhr
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Sturm-Chaos: Deutsche Bahn in der Kritik
Von Philipp Jaklin

Nach dem Komplettausfall der Zugverbindungen im Norden wegen des Sturmtiefs „Xavier“ ist die Deutsche Bahn wegen ihres Krisenmanagements und dem offensichtlich mangelhaften Wetterschutz der Strecken in die Kritik geraten. Die Eisenbahngesellschaft Metronom forderte am Freitag einen „runden Tisch“ von Bahn, Behörden und Zugbetreibern, um Gefahren durch Bäume neben den Gleisen besser in den Griff zu bekommen. „Die Strecken müssen in einem Zustand sein, der jederzeit eine sichere, verlässliche und pünktliche Fahrt zulässt“, sagte Metronom-Sprecher Björn Pamperin.

Verantwortlich für Betrieb und Instandhaltung der Gleise ist die Netztochter der Deutschen Bahn. Dazu gehört auch der sogenannte „vorsorgliche Grünschnitt“ - also die regelmäßige Pflege von Bäumen und Sträuchern an den Strecken, damit die Züge auch bei stärkerem Wind noch fahren können. Allerdings hat es nach Informationen des WESER-KURIER in der Vergangenheit immer wieder Konflikte zwischen Umweltbehörden in den Kommunen und DB Netz gegeben, wie stark Bäume gekappt werden dürfen.

Waren die Streckensperrungen angemessen?

Der schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) kritisierte die Entscheidung der Deutschen Bahn, am Donnerstag den gesamten Verkehr im Norden einzustellen. „Dass die DB Netz in Hannover zentral und pauschal für ganz Norddeutschland den Bahnverkehr gestoppt hat, kam für uns ohne Vorwarnung und ebenso überraschend wie die Dauer der Sperrungen“, sagte der Politiker. Fraglich sei, ob dies mit größerer Ortskenntnis so beschlossen worden wäre. „Natürlich muss das Verkehrsmittel Bahn auch bei schlechtem Wetter leistungsfähig sein“, sagte Buchholz. „Und da hat die DB Netz aus unserer Sicht durchaus noch ein wenig Nachholbedarf.“

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Auch am Freitag ging bei der Bahn im Norden fast nichts: Nahezu sämtliche Fernverkehrsstrecken blieben weiterhin gesperrt. So konnten zwischen Osnabrück, Bremen und Hamburg, zwischen Hamburg und Berlin sowie Hamburg und Hannover und auch zwischen Bremen und Hannover noch keine Züge fahren. Nach Auskunft eines Bahnsprechers werden die Gleise zwischen Bremen und Oldenburg voraussichtlich erst am Montag, die Strecke Oldenburg und Leer sogar erst Mitte kommender Woche wieder freigegeben.

Aus Hubschrauber wurden die Schäden begutachtet

„Xavier“ habe nicht nur Bäume auf die Gleise stürzen lassen, zudem seien Oberleitungen beschädigt worden und Masten an den Strecken umgeknickt, sagte der Sprecher. Aus Hubschraubern seien die Schäden begutachtet worden, zur Beseitigung der Schäden seien alle verfügbaren Mitarbeiter mit Spezialgerät unterwegs. „Jeder, der eine Säge bedienen kann, ist draußen.“ Zur Anzahl der Helfer vor Ort machte er keine Angaben. Unterstützung bei den Aufräumarbeiten leiste die Feuerwehr.

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Zu den am stärksten betroffenen Bahntrassen gehörte die Strecke Bremen-Hamburg, auf der auch die Metronom-Nahverkehrszüge unterwegs sind. Ihr Zustand nach dem Sturm sei vor allem in der Nähe von Buchholz in der Nordheide „katastrophal“ gewesen, sagte Pamperin. Hier sollen frühestens am heutigen Sonnabend wieder Züge rollen. DB Netz komme mit dem Grünschnitt teilweise nicht hinterher - auch wegen Naturschutzauflagen, so der Metronom-Sprecher. Eine Konsequenz aus den fatalen Folgen von „Xavier“ müsse daher sein, dass bessere Lösungen zum Schutz von Gleisen und Oberleitungen gefunden werden.

Auch Björn Gryschka, Landesvorsitzender Niedersachsen beim Fahrgastverband Pro Bahn, hält mehr Schutz der Gleisanlagen für unbedingt nötig. „Die Infrastruktur muss dringend robuster gemacht werden“, sagte er. Noch bis Ende der 1970er Jahre habe es einen bis zu zehn Meter breiten Brandschutzstreifen an den Strecken gegeben - ein Relikt aus der Dampflok-Ära. „Was dort aufgewachsen ist, muss unbedingt bewirtschaftet werden.“ Auch wegen des Klimawandels und der Zunahme extremer Wetterphänomene müssten Naturschutzrecht und der Schutz der Infrastruktur neu austariert werden.

Aber auch das Notfallmanagement der Bahn sei teils zu schwerfällig, kritisierte Gryschka. So dauere es in manchen Fällen zu lange, bis der Oberleitungsstrom abgeschaltet werde, damit Einsatzkräfte umgekippte Bäume von der Strecke räumen können. „Keine freiwillige Feuerwehr darf sonst ausrücken.“ Außerdem räche sich nach Sturmschäden, dass es zu wenig elektrifizierte Ausweichstrecken gebe, um Züge umzuleiten. „Hier gibt es große Lücken im Netz“, sagte Gryschka.

Dass es Probleme beim Grünschnitt an den Strecken gibt, räumt auch die Deutsche Bahn ein. Man werde „darüber nachdenken müssen“, wie sich der Schutz der Gleisanlagen verbessern lasse, sagte ein Sprecher des Unternehmens. Gleichzeitig verteidigte er die Entscheidung, den Zugverkehr am Donnerstag flächendeckend einzustellen. „Wenn wir Meldungen erhalten, dass die Sicherheit unserer Fahrgäste und unseres Personals nicht mehr gewährleistet sind, müssen wir Maßnahmen ergreifen.“ Immerhin seien durch „Xavier“ im Bahnbetrieb keine Menschen zu Schaden gekommen. „Auf den Straßen gab es Tote - bei uns nicht.“

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