Berlin. Ein Begriff bringt die Polizei in Erklärungsnöte: „Nafri“. Gerade, als die Kölner Polizei ihren Einsatz an Silvester als effektiv und weitgehend erfolgreich einstufte und auch aus der Politik in diesem Sinne gelobt wurde, fiel einigen Usern von Twitter eine Mitteilung aus der fraglichen Nacht auf. Acht Minuten nach Mitternacht hatte die nordrhein-westfälische Polizei über ihren offiziellen Twitter-Kanal gemeldet: „Am HBF werden derzeit mehrere Hundert Nafris überprüft. Infos folgen.“
Zu den ersten prominenten Kritikern zählte die Grünen-Bundeschefin Simone Peter: Der Gebrauch einer solchen herabwürdigenden Gruppenbezeichnung wie „Nafris“ für Nordafrikaner durch staatliche Organe sei völlig inakzeptabel, sagte sie der „Rheinischen Post“ – und löste damit eine bundesweite Debatte aus. „Der Tweet der Kölner Polizei ist inakzeptabel!“, erklärte etwa die NRW-Landessprecherin der Linkspartei, Oezlem Alev Demirel. Mit dem Begriff „Nafris“ seien Grenzen überschritten worden.
Vorwürfe der Union an Grüne
Über die Kritik an der polizeilichen Wortwahl empörten sich derweil vor allem die Union und die AfD. CDU-Generalsekretär Peter Tauber sprach von „grüner Multikulti-Schönfärberei“. Es sei „kaum zu fassen und unerträglich, dass die Grünen jetzt dieses vorsorgliche und erfolgreiche Vorgehen der Kölner Polizei als rassistisch kritisieren“, sagte er den Funke-Medien. Und der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, betonte gleich mehrfach: „Wir als Polizei denken nicht daran, uns von irgendwelchen Linke-Politikern vorschreiben zu lassen, wie wir zu sprechen haben. Nafri ist ein polizeilicher Fachbegriff für nordafrikanische Intensivstraftäter, wie sollen wir diese Personen denn sonst nennen?“
Die Kölner Polizei sieht das inzwischen anders und entschuldigte sich: Die öffentliche Verwendung der polizeiinternen Abkürzung tue ihm leid, sagte Kölns Polizeipräsident Jürgen Mathies. Allerdings wäre die Zusammenfassung der Debatte, wie sie SPD-Sprecher Tobias Dünow twitterte – „Die gute Arbeit der Kölner Polizei an Silvester wird auch durch einen etwas unglücklich formulierten Tweet nicht entwertet.“ – doch zu kurz gefasst. Denn die eigentliche Kritik betraf das Vorgehen der Polizei: Amnesty International (AI) kritisierte, sogenanntes Racial Profiling, also ein polizeiliches Vorgehen aufgrund ethnischer Merkmale, sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Neben der Sicherheit sei es „auch Aufgabe der Polizei, Menschen vor Diskriminierung zu schützen – und diese Aufgabe hat die Polizei Köln ignoriert. Hunderte Menschen sind allein aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermuteten nordafrikanischen Herkunft eingekesselt und kontrolliert worden“, erklärte etwa Alexander Bosch, Polizei-Experte von AI in Deutschland. Das wichtigste Entscheidungskriterium der Polizisten sei die angenommene Herkunft gewesen.
Auch bei Grünen-Chefin Peter war das „Nafri“-Wort nur ein Randaspekt: Tatsächlich lobte sie das erfolgreiche Großaufgebot der Polizei, stellte allerdings die Frage nach der Verhältnis- und Rechtmäßigkeit, „wenn insgesamt knapp 1000 Personen alleine aufgrund ihres Aussehens überprüft und teilweise festgesetzt wurden“.
In diese Richtung hatte sich die Kölner Polizei am Sonntag ja tatsächlich geäußert – und diese Frage beschäftigt inzwischen auch die seriöse Bundespolitik. Selbst das Bundesinnenministerium, das für die in Zügen und an Bahnhöfen tätige Bundespolizei zuständig ist, wollte dieses Thema am Montag keineswegs als abwegig abtun. Wenn die Formulierung den Verdacht aufkommen lasse, dass die Männer nur wegen ihres Aussehens festgehalten wurden, dann wäre ein solches Verhalten nach deutschem Recht unzulässig, sagte Ministeriumssprecher Johannes Dimroth. Kontrollen, die nur an die äußere Erscheinung von Personen anknüpften, ohne dass „weitere verdichtende polizeiliche Erkenntnisse“ dazukämen, seien rechtswidrig – und würden von der Bundespolizei deshalb auch nicht praktiziert. Auch in Köln sei nicht so gehandelt worden. Vielmehr habe die Bundespolizei in Zügen „hochaggressive“ Gruppen von Männern beobachtet, die dann offenbar in Köln kontrolliert und festgehalten wurden. Es sei also um das Verhalten, nicht das Aussehen gegangen.
SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel verteidigte das Vorgehen ebenfalls. Der Vorwurf, der erfolgreiche Einsatz zur Verhinderung von Gewalt, Diebstahl und sexuellen Übergriffen sei mit einem „rassistischen Profiling“ verbunden gewesen, sei „eine absurde und geradezu verrückte Debatte“, so Gabriel. „Die Polizei hat mit ihrem Profil ,Nafris/Nordafrikaner‘ nichts anderes getan, als die Realität zu beschreiben“, fügte er an.
Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft kritischer Polizisten, die sich für die Wahrung von Menschen- und Bürgerrechten einsetzt, wertete den Großeinsatz als gelungen: Aufgrund der Einsatzlage mit den Geschehnissen ein Jahr zuvor und der zwischenzeitlich gewonnenen Erkenntnisse sei ein solches Vorgehen der Polizei unbedingt erforderlich gewesen.