Zwischen der SPD und den Grünen im Bremer Senat könnte es vor Weihnachten zu einer bösen Bescherung kommen. Auf dem Tisch mit den vergifteten Gaben liegen Vorschläge zur Beschleunigung des Wohnungsbaus. Ein Ziel, bei dem alle mitgehen, heftig umstritten ist allein der Weg dorthin. Das Gift betrifft die Grünen, sie sollen in der Bau-, Verkehrs- und Klimapolitik wesentliche Errungenschaften aufgeben, um das Bauen zu erleichtern. Ihr Protest verfängt nicht. Im Gegenteil: In einem neuen Papier von Bausenatorin Özlem Ünsal (SPD) wird nichts von dem zurückgenommen, was der Koalitionspartner als Zumutung empfindet. Kompromisse? Bislang keine.
Der Entwurf aus dem Haus von Ünsal stammt von dieser Woche und liegt dem WESER-KURIER vor. Er unterscheidet sich lediglich in Nuancen von einem Zehn-Punkte-Programm, das die Behörde vor gut einem Monat vorgelegt hatte. Die Grünen schäumten damals. Es sei „Quatsch zu glauben, dass man nur alles rasieren muss, was mit Umwelt- und Klimaschutz zu tun hat, und dann brummt die Bauwirtschaft“, schimpfte der Bürgerschaftsabgeordnete Philipp Bruck. In einer internen Stellungnahme machen die Grünen klar, was sie von den Vorschlägen des Ressorts halten: in zentralen Punkten gar nichts, in anderen nicht besonders viel. Kritik auch an der Art des Vorgehens „mit nächtlich versandten Papieren unklarer Beschlusskraft“. So etwas gehöre sich nicht in einer Koalition: „Wir möchten in die Vorbereitung solcher weitgehenden Forderungen eingebunden und respektiert werden.“
Ünsal will "Bremer Standard" bei Bauvorschriften abschaffen
Ein Wunsch, der offenkundig ins Leere geht. Wie in ihrem ersten Papier schlägt Ünsal vor, den von den Grünen hart erkämpften „Bremer Standard“ bei den Bauvorschriften trotz aller Einwände des Koalitionspartners schlichtweg abzuschaffen. Zusätzliche Regelungen zur Klimaanpassung wie zum Beispiel Solardächer und erneuerbare Wärmequellen sollen dem Durchschnitt im Bundesgebiet angepasst werden. Etwas, was die Grünen in ihrer Stellungnahme bereits mit einem klaren „Nein“ quittiert haben.

Bausenatorin Özlem Ünsal (SPD).
Ähnlich verhält es sich mit dem Mobilitätsbauortsgesetz. Es soll nach dem Willen der Baubehörde ausgesetzt werden – bis Ende 2027. Wer Wohnungen schafft, heißt das, muss weder Stellplätze noch ein Mobilitätskonzept liefern. „Nein, auf keinen Fall“, lautet die Position der Grünen. Doch vergebens. Ünsal lässt sie regelrecht auflaufen und wiederholt in dem neuen Entwurf ihren Vorschlag.
Die Empfehlungen der Bausenatorin müssen mit den anderen beteiligten Ressorts abgestimmt werden und münden schließlich in eine Vorlage für die neu geschaffene Senatskommission Wohnungsbau. Vorsitzender des Gremiums, das den halben Senat umfasst, ist Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD). Er hatte angekündigt, noch in diesem Jahr zu konkreten Beschlüssen kommen zu wollen. Letzte Gelegenheit ist am 17. Dezember, wenn die Kommission zusammentritt und über den Entwurf zum geplanten Bau-Turbo berät. Mindestens die Aussetzung des Mobilitätsortsbaugesetzes kann aber nicht einfach so entschieden werden. Das letzte Wort hat in diesem Fall die Stadtbürgerschaft mit ihrer Mehrheit aus den Stimmen der SPD, der Linken – und den Grünen.
„Ich mache das nicht mit“, erklärt Ralph Saxe, Sprecher für Umwelt und Verkehr der Grünen-Fraktion. Er nicht und alle anderen Abgeordneten seiner Partei auch nicht, betont Saxe. „Am Mobilitätsbauortsgesetz würde ich neben ein paar Kleinigkeiten allenfalls den sperrigen Namen ändern.“

Grünen-Politiker Ralph Saxe.
Es sei das fortschrittlichste Modell in Deutschland, spare Bauträgern im Vergleich zu herkömmlichen Stellplatzverordnungen Kosten und bringe für die öffentliche Hand knapp eine Million Euro Einnahmen, die unter anderem in die Förderung von Carsharing und E-Bike-Sharing flössen. Die Stadt würde Schaden nehmen, sollte das Gesetz für die nächsten drei Jahre nicht mehr gelten. Das Stoppschild der Grünen bei der beabsichtigten Abschaffung des Bremer Standards sei ebenfalls unverrückbar, ergänzt der Abgeordnete.
Sprengstoff enthält der Ünsal-Entwurf auch an anderen Stellen. So sollen zum Beispiel die Mitbestimmungsrechte der Beiräte bei Bauvorhaben beschnitten werden. Wettbewerbe der Architekten und die Arbeit des sogenannten Gestaltungsgremiums von Senatsbaudirektorin Iris Reuther werden beim Aufwand infrage gestellt. Und die Wohnungsgesellschaften Brebau und Gewoba, ganz oder mehrheitlich in städtischer Hand, sollen sich stärker ums Bauen als um die Klimaneutralität kümmern.