Es ist eine Ausstellung, deren Geschichte schon vor Hunderten von Jahren beginnt. Im Mai 1669 verirrte sich ein riesiger Wal in die Lesum: eine Sensation. Der Bremer Rembrandt-Schüler Franz Wulfhagen hielt sie schließlich in Öl auf Leinwand fest. Das Gemälde, das den Wal in Lebensgröße zeigt und heute wieder im Bremer Rathaus hängt, war Ausgangspunkt der Ausstellung „W(h)/ale – Auftauchen/Abtauchen oder Verschwindenlassen als Prinzip“ in der Städtischen Galerie im Jahre 1992, für die der Künstler Wolfgang Hainke viele renommierte Kollegen gewann: Ay-O, Richard Hamilton, Daniel Spoerri, Emmett Williams, Boris Nieslony, Ann No`4el, Jürgen O. Olbrich, Pavel Schmidt und Natalie Thomkins. Die Künstler, beeinflußt von und teils befreundet mit Marcel Duchamp, bekannt für sein Readymades, widmeten sich während der ungewöhnlichen Aktion vor Ort Wulfhagens Koloss von fast zehn Metern Länge und einer Breite von 3,55 Meter. Hainke war 1987 auf das riesige Kunstwerk gestoßen: Es lag aufgerollt, verborgen im Depot des Übersee-Museums. Nach vielen Jahren wurde es nach einer aufwendigen Restaurierung der Öffentlichkeit in der Galerie erstmals wieder zugänglich. Die Ausstellung sei vielmehr ein „Rendezvous“ der Künstler gewesen, sagt Hainke heute. Im Anschluss an sie entstand ein neues Kunstwerk: die Box „W(h)/ale – A Remake Portfolio“, die wiederum unterschiedlichste Werke zum Wal-Projekt versammelte. In einer Lecture Performance stellt Wolfgang Hainke sie zusammen mit dem Buch „W(h)/ale on View“, das während dieser Zeit entstand, nun vor. Die Performance fand passenderweise im Übersee-Museum statt, wo derzeit die Ausstellung „Faszination Wale“ zu sehen ist. Wer das Haus betritt, läuft im Foyer unweigerlich unter dem Skelett des Lesum-Wals durch.
Zahlreiche Zuschauer waren gekommen, um den Abschluss des Projekts zu verfolgen. Unter ihnen auch viele, die mit ihrem Werk einen Beitrag geleistet hatten. Neben Dokumenten, Radio-Beiträgen, verlesenen Texten und Filmen zur Ausstellung, durfte auch das Gemälde selbst nicht fehlen. Studenten entrollten einen riesigen Druck auf einem weißen Stoff über den Köpfen der Zuschauer. Die Performance lebte dabei vom Sampling: Die verlesenen Texte überlappten Songs, die sich mit dem Thema Wal beschäftigen und andere Audio-Elemente. Der Abschluss des Projekts war emotional. Wolfgang Hainke, der an diesem Tag zudem Geburtstag hatte, sprach sehr persönlich über das Projekt, das tatsächlich selbst gigantisch wie ein Walfisch geworden ist. Die letzten beiden Exponate für die Box sind damit vollendet: die Audio-Aufnahme der Performance und das umfangreiche Buch. Kaufen kann man es nicht.