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30 Jahre auf der Bühne: Travestiekünstlerin feiert Jubiläum in der Kulturmühle Berne Einblicke in das Leben der Sally Williams

Seit 30 Jahren steht Sally Williams mit Travestiekunst auf der Bühne. So etwas muss natürlich gefeiert werden, unter anderem mit einem Auftritt in der Kulturmühle, wo sich Williams durch ihre kontinuierliche Präsenz ein treues Stammpublikum erarbeitet hat.
22.04.2013, 05:00 Uhr
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Von Christian Pfeiff

Seit 30 Jahren steht Sally Williams mit Travestiekunst auf der Bühne. So etwas muss natürlich gefeiert werden, unter anderem mit einem Auftritt in der Kulturmühle, wo sich Williams durch ihre kontinuierliche Präsenz ein treues Stammpublikum erarbeitet hat.

Berne. Fast handelt es sich um ein doppeltes Jubiläum: 30 Jahre dauert Sally Williams Bühnenleben, beinahe vor 20 Jahren gastierte sie erstmals auch in der Kulturmühle. 1994 verschlug es die Bremer Travestiekünstlerin nach Berne. Seitdem erfolgten dortige Auftritte im Zweijahrestakt, häufig in Begleitung weiterer Kollegen beziehungsweise Kolleginnen.

Anlässlich ihres Jubiläums stand diesmal jedoch wieder Williams allein im Mittelpunkt. Sie bot ihrem Publikum in dem gut besuchten Haus einen Abriss ihrer Karriere. Zwischendurch gab es zahlreiche Musiknummern.

Trotz der schillernden Kostüme und der undurchsichtigen Make-up-Schicht – "Ab einem gewissen Alter trägt man nicht mehr auf, sondern spachtelt" – gewährte Williams ihrem Publikum nahezu ungeschminkte Einblicke in die Karrierelaufbahn einer Travestiekünstlerin der zweiten Stunde. Hierbei erfuhren die Zuhörer unter anderem, dass diese nicht nur aus Glamour bestand.

So erinnerte sich Williams an ihr erstes Clubengagement in Dortmund, nachdem sie ihre Travestiekarriere als Liza Minnelli-Double bei einem Hamburger Talentwettbewerb begann: "Ich sollte mehrere Shows am Tag für je zwanzig Mark Gage absolvieren, zusätzlich war ich am Getränkeumsatz beteiligt." Doch mangels Publikum habe sich die Anzahl der Shows schnell auf eine pro Tag reduziert, die Einnahmen hätten noch nicht einmal gereicht, um die Kosten für das Hotelzimmer zu decken.

So zog es Williams wieder zurück nach Bremen, wo sie zu Beginn der Achtzigerjahre in mehreren Produktionen des Packhaustheaters mitwirkte. Eine von diesen bescherte der Travestiediva sogar einen Auftritt im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zur besten Sendezeit, der erhoffte Karriereschub blieb jedoch aus. Also gründete Williams mit zwei Kolleginnen die Tourneeformation "Sally und das Trümmerduo" und beteiligte sich an der Musicalproduktion "Chaos in Manaos" im Bremer "Modernes", die jedoch nach fünf Wochen laut Williams infolge einer überforderten Regie, einem "zickigen Ensemble" und geringen Zuschauerzahlen wieder abgesetzt wurde.

Selbst Drogenerfahrungen und Todesängste klammerte Williams nicht aus: Sie berichtete von einem Kollegen, der an Aids starb. Doch auch, wenn es in ihrem Leben tragisch zuging, in der Vorstellung blieb Williams locker und flockig. Sie achtete hierbei auch auf die notwendige Dichte an Gags und flotten Sprüchen, die für Unterhaltungswert sorgen. Dazu kamen zahlreiche Kostüm- und Perückenwechsel und auflockernde Musikeinlagen. Natürlich interagierte die Künstlerin mit ihrem Publikum.

Fast fühlte man sich ein wenig an Heinz Strunks "Fleisch ist mein Gemüse" erinnert, wenn Williams nicht ganz ohne Sarkasmus Anekdoten aus ihrer langjährigen Karriere zum Besten gab; von Schützenfesten berichtete, auf denen sie die Eifersucht gewisser anwesender Damen auf sich zog; von Rockertreffen, auf denen sie ihren Auftritt in einem Käfig unter der Decke absolvierte oder von "entsetzlich öden" Kramermärkten in Delmenhorst.

Ein Lob an ihr Berner Publikum fehlte nicht: "Hier treffe ich seit Jahren einige meiner treuesten Fans." Spätestens als Organisatorin der Gay-Night im Hansezelt auf dem Freimarkt avancierte Williams zu guter Letzt zu einer Ikone der Bremer Szene.

Als Bremer Pendant zu ihrer erfolgreichen Kollegin Olivia Jones betrachtet sich Williams dennoch nicht: "Ich kenne Olivia persönlich, sie ist ein sehr lieber Mensch und hat es geschafft, sich selbst als Medienereignis zu inszenieren. Lilo Wanders ist hingegen von Haus aus Kabarettistin. Ich schätze jedoch am meisten die Vielseitigkeit und die Herausforderung: Meine künstlerische Liebe gehört der Musik, aber auch Theater und Stand Up-Performances reizen mich." So zieht Williams ein positives Zwischenfazit: "Das größte Glück ist für mich, meinen Lebensstil in den vergangenen 30 Jahren auch als Beruf ausüben zu können. Reich werde ich dadurch zwar nicht, kann aber so leben, wie ich es möchte."

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