Geld ist da: Im Jahr 2021 lagen die Einnahmen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) bei rund 8,4 Milliarden Euro, im Jahr zuvor bei 8,11 Milliarden Euro, davor bei 8,07 Milliarden Euro. Den größten Teil – 85 Prozent – steuern die Bevölkerung sowie Unternehmen und Institutionen bei, ob sie wollen oder nicht, ob sie einschalten oder nicht. Jeder Haushalt, jede sogenannte Betriebsstätte, also Firma, zahlen bis auf wenige Ausnahmen Gebühren. Wer seine Existenz von Grundsicherung oder Arbeitslosengeld II bestreitet, kann sich von der Beitragspflicht befreien lassen. Für manche Geringverdiener, die nicht zu dieser Gruppe gehören, sind 18,36 Euro im Monat ein nennenswerter Ausgabenposten, zumal in der aktuellen Krise.
Nicht nur, aber auch Gebührenzahler wie sie haben in den vergangenen Wochen erfahren, wie der Intendantenposten von Patricia Schlesinger ausgestattet war: Als RBB-Intendantin erhielt sie ein Jahresgehalt von 303.000 Euro. Zudem soll sie einen „heimlichen“ fünfstelligen Bonus erhalten haben, berichtet das Online-Nachrichtenportal „Business Insider“. Sie fährt einen Wagen mit mehr als 400 PS, rund 145.000 Euro wert, wie es heißt. Genauer: Sie ließ ihn fahren – was in der ARD (siehe Text unten) keine Ausnahme ist. Schlesinger soll die RBB-Chefetage für rund 650.000 Euro umgebaut und mit Luxus-Mobiliar ausgestattet haben.
„Business Insider“ berichtete am Montag von neuen Vorwürfen, von „frisierten Spesenabrechnungen“ und einem Chauffeur, der Schlesingers Ehemann zu Geschäftsterminen gefahren haben soll. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen, am Dienstag wurde die Leiterin der Hauptabteilung Intendanz freigestellt, die laut „Spiegel“ als Vertraute Schlesingers gilt.
8,4 Milliarden Euro – damit kann man viel anfangen. Die ARD beschreibt den Gegenwert so: „Unsere Angebote unterstützen eine kulturell, sozial und politisch versierte und kompetente Gesellschaft, fördern Teilhabe und das menschliche Miteinander. Wir engagieren uns im Auftrag der Gemeinschaft für wichtige gesellschaftliche Themen und liefern einen relevanten Beitrag zu Integration und Inklusion in unserem Land (...) Wir lassen niemanden zurück und betonen die Gleichwertigkeit aller Menschen.“
ARD und ZDF sorgen für Hochglanz-Produktionen, die viele Zuschauer begeistern. Es gibt buchstäblich ausgezeichnete Dokumentationen, weithin beachtete Fernsehfilme, anspruchsvolle und bemerkenswerte Hörfunk-Produktionen. Eine „Tatort“-Folge kostet zwischen 1,5 und 1,7 Millionen Euro. Für eine Sendeminute Tagesschau, Tagesthemen und Nachtmagazin gibt die ARD rund 1844 Euro aus.
Was in der ARD 1950 mit einer bescheidenen Anzahl von Hörfunk und drei Fernsehprogrammen begann, hat sich zu einer „Senderfamilie“ mit 21 Fernsehkanälen und 55 Hörfunk-Programmen entwickelt. Hinzu kommt ein stetig wachsendes Online-Angebot inklusive einer Vielzahl von Kanälen in sozialen Netzwerken.
Falls sich der Verdacht auf Vorteilsnahme, Vetternwirtschaft und Verschwendung bestätigen sollte, kann Patricia Schlesingers Fall nicht stellvertretend für alle Intendanten gesehen werden. Schlesinger ist nicht der RBB, der RBB ist nicht die ARD. Schlesingers Bezüge sind kein Einzelfall. Einmal im Jahr veröffentlicht die ARD eine Übersicht über das Einkommen ihres Spitzenpersonals. Die öffentlich-rechtlichen Sender sind gesetzlich dazu verpflichtet.
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Patricia Schlesingers Gehalt bewegt sich im Mittelfeld der Spitzenverdiener in der ARD-Familie. Der Intendant der größten Rundfunkanstalt nach Einnahmen und Gebührenzahlern, Tom Buhrow (WDR), verdient 413.000 Euro im Jahr, sein SWR-Kollegen Kai Gniffke 361.000 Euro. Yvette Gerner ist Intendantin des kleinsten Senders, erhält mit 281.000 Euro im Jahr mehr als ihr Kollege Martin Grasmück vom Saarländischen Rundfunk (245.000 Euro).
Angaben über Altersversorgungen werden nicht gemacht. Nach Informationen von „Business Insider“ kann Patricia Schlesinger vermutlich auf 60 Prozent ihres Gehalts hoffen. Das wären rund 15.000 Euro pro Monat.
Bei Intendanten handelt es sich um Topmanager, die Anstalten mit mehreren Hundert Mitarbeitern führen müssen. Ähnlich verantwortungsvolle Positionen in der freien Wirtschaft sind ähnlich, wenn nicht besser dotiert. Unternehmen – wie auch Zeitungsverlage – müssen jeden Cent verdienen und jeden Kunden gewinnen. Wenn die Leistung nicht stimmt, sinken die Einnahmen. Das kann im ÖRR nicht passieren. Auf die Einnahmen ist Monat für Monat Verlass.
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Die Sender sahen sich in der Vergangenheit zu Kürzungen in Programm und beim Personal veranlasst, weil die Gebühren um 86 Cent, aber nicht in dem Umfang gestiegen sind, die die Sender als nötig erachteten. „Allen Beteiligten ist aber klar, dass die ARD sich verändern muss. Sie muss sparen, da gibt es gar kein Vertun,“ sagte Patricia Schlesinger 2018 in einem Interview mit dem Branchendienst „Meedia“.
Zwei Jahre später nahmen die Pläne für den Bau eines „digitalen Medienzentrums“ des RBB in Berlin-Charlottenburg Formen an. Geplant wurde mit Kosten von rund 65 Millionen Euro, sie sollen sich mittlerweile etwa verdoppelt haben. Seit Mitte Juli liegen die Pläne auf Eis.