Die 14-jährige Holly (Flora Ofelia Hofmann Lindahl) hat einen Aufsatz geschrieben, der ihren Lehrer derart beunruhigt, dass er das Jugendamt einschaltet. Holly berichtet darin von schweren Misshandlungen. Als Sozialarbeiter Lars (Bjarne Henriksen) mit ihr darüber spricht, benennt Holly schnell den Täter: Ihr Stiefvater Simon (Peter Plaugborg) habe sie gestoßen und verprügelt.
Auch ihr jüngerer Stiefbruder Theo (Noah Storm Otto) habe unter der Gewalttätigkeit Simons zu leiden, behauptet sie. Tatsächlich ist Theos linker Arm eingegipst; gebrochen habe er ihn sich, als er von einem Klettergerüst gefallen sei, sagt er. Lars ist alarmiert. Auch, weil Theo Bilder von brutalen, menschenfressenden Monstern malt und sich eine Gruselmaske gebastelt hat, die er ständig trägt. Als Lars zudem erfährt, dass Simon mehrfach wegen Körperverletzung vorbestraft ist, drängt er darauf, die Kinder aus der Familie zu nehmen – und wischt die Zweifel seiner Kollegen beim Jugendamt beiseite.
"Cry Wolf" heißt die mehrfach preisgekrönte dänische Serie, die der Bayerische Rundfunk ab dem 15. August im Nachtprogramm versteckt, die aber ab dem 16. August bequem für 30 Tage in der ARD-Mediathek abrufbar ist. Der Titel bedeutet auf Deutsch so viel wie "Falscher Alarm", und ob das der Fall ist oder nicht, genau darum geht es. Drehbuchautorin Maja Jul Larsen, die auch für die formidable Serie "Borgen – gefährliche Seilschaften" verantwortlich ist, erzählt mit langem Atem davon, welche Konsequenzen Hollys Anschuldigungen für sie selbst und ihre Familie haben.
Misstrauen breitet sich wie Mehltau aus. Die Mutter, Dea (Christine Albeck Børge), zweifelt erst an ihrem Mann, dann aber entscheidet sie sich, gemeinsam mit Simon darum zu kämpfen, dass die Kinder zu ihnen zurückkommen. Dabei schlägt sich die Serie nie auf eine Seite – Holly wirkt zerbrechlich, scheint in ihrer Verschlossenheit aber auch irgendetwas auszubrüten. Simon ist mal aufbrausend, mal hilflos wie in Kind. Und Dea ist zwischen allem hin- und hergerissen; genau wie Sozialarbeiter Lars, der ein unbewältigtes Trauma mit sich herumträgt. Hat Holly sich alles nur ausgedacht? Und wenn ja, warum?
Das Regieteam verlässt sich auf das großartig agierende Schauspielerensemble. Die Kamera verharrt immer wieder lange in Großaufnahmen auf den Gesichtern, dokumentiert Verwirrung und Verunsicherung. Die Erzählung kommt dadurch oft nur schleppend voran – was der Serie aber einen äußerst realistischen Anstrich gibt.