Tom Schilling ist Pete-Doherty-Fan. Und das soll man ihm auch ansehen.
Eine Rolle, wie man sie von Tom Schilling erwartet: Blass, abgehetzt und übernervös wirkt der Berliner Star, der trotz seiner 27 Jahre und der Tatsache, dass er schon seit drei Jahren Vater ist, auch im ZDF-Zweiteiler "Ken Folletts Eisfieber" (Montag, 25. Januar, und Mittwoch, 27. Januar, jeweils um 20.15 Uhr) wieder einmal als hitziges rebellisches Jüngelchen besetzt wurde. In der stargespickten Verfilmung eines Viren-Thrillers verkörpert er einen spielsüchtigen jungen Mann, der sich mit Terroristen einlässt. Im Interview verrät der bekennende Pete-Doherty-Fan, dass ihm die fertigen Typen, deren Weltverachtung aus allen Poren strömt, einfach am leichtesten von der Hand gehen. Nur dass sich Tom Schilling als Schauspieler selbst eigentlich für einen Vertretertypen hält, möchte man ihm nicht ganz glauben.
teleschau: Herr Schilling, Ihr Film handelt von bösartigen Viren in der Hand von Terroristen. Alle Welt fürchtet die Schweingrippe. Wurde Ihnen bei den Dreharbeiten nicht mulmig?
Tom Schilling: Das ist doch einfach nur meine Arbeit. Der Film handelt von einer Thematik, die die Leute ganz offensichtlich beschäftigt. Sonst würden sie sich ja nicht die Bücher kaufen - und die Zeitungen Auflagen machen. Aber ich spiele einfach ein Rolle. Viren jucken mich wenig.
teleschau: Können Sie sich aber vorstellen, warum vielen Menschen die Bedrohung durch Viren so unheimlich ist?
Schilling: Auf diese Frage habe ich keine Antwort. Mir jedenfalls macht die Schweinegrippe keine Angst.
teleschau: Die Dreharbeiten für Ihren Film brachten mit sich, dass Sie in einem großen Star-Ensemble längere Zeit in entlegenen Gegenden von Schottland stationiert waren. Fühlte sich das für Sie an wie ein großer Klassenausflug?
Schilling: Auch das ist nur Arbeit. Ein Film ist immer ein Zirkus, der sich irgendwo aufstellt, seine Show absolviert - und dann irgendwann wieder abzieht. Richtiges Klassenausflug-Gefühl kamen eher bei meinen ersten Filmen auf. Bei "Crazy" lebten wir ja mit einer Handvoll 16-Jähriger auf einem Haufen - in einer Jugendherberge. Damals hatten wir einfach viel Spaß miteinander - und drehten ganz nebenbei noch einen Film.
teleschau: Und mit Heiner Lauterbach, Katharina Wackernagel oder Matthias Brandt in Schottland war das nicht mehr so?
Schilling: Für Dreharbeiten wie diese packe ich den Koffer mit meinen Unterlagen, bereite mich im Hotel für den Tag vor, werde abgeholt, drehe und fahre sofort wieder zurück in mein Zimmer. Das fühlt sich eher wie der Alltag eines Vertreters an.
teleschau: Hört man da ein wenig Bedauern raus, waren die Zeiten früher anarchischer?
Schilling: Ich glaube nicht, dass es damit allein etwas zu tun hat. Allgemein verschlechtern sich die Drehbedingungen spürbar - nicht unbedingt bei diesem Film, aber eben in der Regel. Man muss immer wieder feststellen, dass mit jedem neuen Film die Anzahl der Drehtage sinkt und die Produktionsbedingungen druckvoller werden. Dass sich das anarchische Gefühl für mich nicht mehr einstellt, heißt aber doch nur, dass ich in meinem Beruf angekommen bin. Früher war das Filmteam eine Art Familie für mich, jetzt heißt Drehen eben Arbeit.
teleschau: Ihre Wortwahl "Vertreter" klingt eigenwillig. So langweilig hätte man sich den Schauspielerberuf doch nicht vorgestellt.
Schilling: Es steckt schon eine Menge Herzblut drin. Aber 80 Prozent der Arbeit ist eben Routine. Das Bild, das viele Zuschauer von einem Schauspieler haben, passt mit der Wirklichkeit nicht ganz zusammen. Am Ende des Tages ist man nur ein kleines Rädchen in einem großen Motor. Die Freiräume zur kreativen Entfaltung sind eng. Irgendwann hat man seine Taschenspielertricks parat - und weiß eben genau, was man machen wird, wenn es so erwartet wird.
teleschau: Drehen wir den Spieß einmal um: Ist die Rolle des jungen Spielsüchtigen Kit, die Ihnen für den ZDF-Film angetragen wurde und die Sie ja nun gespielt haben, eine typische Tom-Schilling-Rolle?
Schilling: Mit der Zeit verfestigt sich eben das Bild, wie mich die Zuschauer, aber auch Casting-Experten und Regisseure gerne sehen wollen. Genervt bin ich nicht, wenn so etwas passiert. Der Regisseur Peter Keglevic von "Ken Folletts Eisfieber" ist ein sehr präziser Arbeiter. Der hatte den Film schon geschnitten, bevor es überhaupt losging.
teleschau: Sie meinen, der Regisseur hatte auch beim Casting den fertigen Film im Kopf?
Schilling: Der weiß ganz genau, wie der Film einmal aussehen wird - bis in jede einzelne Einstellung. Dafür holt er sich natürlich Schauspieler, von denen er weiß, dass es kein allzu gewagtes Experiment wird. Peter Keglevic würde einfach nicht gegen den Strich besetzen. Insofern spiele ich schon eine typische Tom-Schilling-Rolle. Da weiß ich ganz genau, was ich zu tun habe.
teleschau: Das geht aber nicht so weit, dass Sie dann auf Autopilot schalten?
Schilling: Nein, natürlich nicht. Man spielt ja auch mit Leuten zusammen, auf die man sich einlassen muss. Ich habe nicht vom "Vertreter" gesprochen, um mein Schauspielertum zu schildern. Mir ging es um die ganzen Rituale am Set, die sich nach einigen Jahren Erfahrung einfach eingeschliffen haben und immer wiederholen.
teleschau: Gehört denn zu der Tom-Schilling-Aura auch, dass Sie wie in "Eisfieber" für ein gespanntes Vater-Sohn-Verhältnis, hier im Zusammenspiel mit Heiner Lauterbach, herhalten müssen?
Schilling: Ich würde nicht so weit gehen, dass das mein Rollenprofil ist. Aber man kann sicher sagen, dass mich die Leute eben gerne in dieser Konstellation sehen. Ein junger Mensch, der Abgründe hat und eine dunkle Seite in sich trägt, die aus einer großen Verletztheit resultiert, das ist eine Facette von mir, die man offenbar gerne sieht. Und die man mir schnell abnimmt, weil ich das eben irgendwie verkörpere.
teleschau: Das macht neugierig: Gibt es denn so viele Anknüpfungspunkte mit Ihrer eigenen Persönlichkeit?
Schilling: Ich habe natürlich meine dunkle Seite. Das wissen zum Glück aber nur meine Familie und meine engsten Freunde. Ich trage eine große Melancholie in mir, die bei mir mehr zum Tragen kommt als bei anderen.
teleschau: Ist es dann nicht ein großes Wagnis, wenn Sie sich als Schauspieler so der Öffentlichkeit ausliefern?
Schilling: Ich habe das Glück, dass sich die Boulevard-Zeitungen nicht für mich und mein Privatleben interessieren. Ich gebe eben auch nicht so viel von mir preis. Anderen Schauspielern, die offenherziger sind, wird häufiger nachgestellt.
teleschau: Trotzdem schrecken Sie beim Spielen auch nicht vor den dunklen Charakteren zurück.
Schilling: Ich muss als Schauspieler mit dem Material arbeiten, das ich habe. Und das ist bei mir sehr Privates. Ich will aufrichtig sich, deshalb hole ich viele Sachen aus mir raus. Das verlangt einfach meine Auffassung von diesem Beruf.
teleschau: Da passt es ja gut, dass sie immer wieder anführen, großer Fan von eher sperrigen Persönlichkeiten wie Nick Cave oder Bob Dylan zu sein?
Schilling: Mich interessieren Menschen, die polarisieren. Ich bin ein großer Fan von Pete Doherty und freue mich daran, dass es immer noch Leute gibt, die ihn für einen drogensüchtigen Ex-Lover eines Models halten. Für mich ist er einer der größten Künstler und Songwriter. Leute, die wenige entzücken und viele abstoßen, gefallen mir gut. Das erlebe ich bei mir selbst: Es gibt viele Menschen, die auf mich sehr seltsam reagieren und denen irgendetwas von meiner Aura nicht behagt.
teleschau: Sie spielen auch auf Ihr elegantes Äußeres an?
Schilling: Nicht wenige halten mich für einen Wichtigtuer oder Exzentriker. Und das nur, weil ich eben gerne Anzüge trage.
teleschau: Pete Doherty hat kürzlich in München allerdings wieder sehr polarisiert, als er vor verdutzten Fans die erste Strophe des Deutschlandliedes anstimmte. Er fand das witzig.
Schilling: Nun gut. Humor ist eine Geschmacksfrage. Aber ich beurteile ihn in erster Linie als Songwriter.
teleschau: Sie haben mal den Druck beklagt, den das Fernsehen aufbaut. Jedes Jahr werden dort in Sendungen wie "DSDS" vermeintlich neue Superstars in die Welt gesetzt. Ist der Schauspielerbetrieb auch so zynisch?
Schilling: Die Parallele ist doch, dass besonders die Medien immer neue Gesichter brauchen. Jeder Woche lese ich in den Zeitungen von irgendeinem neuen Shooting Star. Die meisten sind auch tatsächlich gut. Aber genauso wie sie hochgeschrieben werden, geht es schnell darum, mit dem Tief fertig zu werden, nicht mehr das neue Gesicht, die Überraschung des Kinojahres zu sein. Diesen Druck auszuhalten, geht an die Substanz.